Immobilienwirtschaft 2/2016 - page 12

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MARKT & POLITIK
I
INTERVIEW
um bei uns zu arbeiten, decken in der Re-
gel nur einen gewissen Teil der Qualifika-
tion ab, die wir für unser Unternehmen
brauchen. Deswegen bedarf es hier einiger
Zusatztrainings.
Es gibt also Trainingseinheiten, die be-
schreiben, was vermittelt werdenmuss.
Worum geht es hier?
Es geht von Psycho-
logie über Soziologie und Raumplanung
bis hin zu Stressresistenz und Moderati-
onstechniken. Es geht um die Frage, wie
man mit schwierigen Menschen umgeht
undwas es eigentlich heißt, die DNA eines
Ortes zu entwickeln, wovon wir immer
sprechen.
Wie findet man denn die DNA eines
Ortes?
Zunächst gibt es einen morpholo-
gischen Zugang, das heißt, wir versuchen,
das zu verstehen, worüber es noch kein
Papier gibt. Das schließt viele Bereiche
mit ein. Warum sieht ein Ort so aus, wie
er aussieht? Warum tickt er so, wie er
tickt? Ganz entscheidend dafür, Projekte
weiterzubringen, ist auch die Akteurs-
Konstellation.
Was heißt das?
Das heißt zum Beispiel
herauszufinden, wer mit wem kann und
wer nicht. Wer trifft sich wo mit wem?
Wie laufen die Entscheidungsprozesse im
Ort? Das, was man eigentlich zwischen
den Zeilen lesen sollte, versuchen wir zu
trainieren. Sind es tatsächlich die gewähl-
ten Vertreter, die einen Ort vorantreiben,
oder gibt es Menschen im Hintergrund,
die das viel besser können und auch ins-
geheim tun?
Gibt es ein jüngeres Projekt, an das Sie
besonders gerne denken?
Gerade haben
wir uns mit einem Projekt im bayerischen
Ort Kolbermoor nähe Rosenheimbefasst.
Das ist die Geburtsstadt von Bastian
Schweinsteiger. Dort gab es im Jahre 2012
ein riesiges Hochwasser. Der Ort erhielt
eine Spundwand zum Hochwasserschutz.
Eine ein bis zwei Meter hohe Mauer ver-
läuft durch das Ortszentrum hindurch,
bestehend aus rostigem Eisen. Was
macht man nun damit? Alles mit Graffiti
vollsprühen geht nicht. Die Aufgabe war,
das mit den Bürgern zu lösen. Herausge-
kommen ist etwas Phantastisches, näm-
lich diese Wand als Raum zu verstehen,
als einen Raum, auf den ich heraufgehen
kann oder herunter. Hier kann ich Formen
gestalten, Bühnen, Sitzflächen. Die Spund-
wand zu einemRaumerlebnis zu machen,
das war das Ergebnis unserer Ideenwerk-
statt. Das hat wirklich sehr viel Anklang
gefunden. Der Bürgermeister meinte am
Schluss, dass er sehr glücklich sei, weil er
die Sinnhaftigkeit in einem Halbsatz zu-
sammenfassen kann, nämlich: Die Wand
ist ein Stadtraum.
Fotos: nonconform
«
Interview Dirk Labusch, Freiburg
Aus einem Wettbewerb in
Haag, Niederösterreich,
entstand eine spektakuläre
Tribüne für das Sommertheater
mitten am Hauptplatz und die
umfassende Neugestaltung des
Platzes.
Aus dieser ersten Aufga-
be hat sich aber noch viel mehr
entwickelt: Durch den Zuspruch,
den das Theater bekommen hat,
haben sich im Folgenden schnell
neue Restaurants und Geschäfte
um den Zentralplatz angesiedelt.
Der Platz ist so wieder zum Begeg-
nungszentrum geworden und auch
Arbeitsplätze sind entstanden.
Auch das Wohnen ist ins Zentrum
zurückgekehrt.
In Illingen, einer 15.000 Ein-
wohner zählenden Gemeinde
im Saarland, gab es eine leer-
stehende Wurstfabrik in einem
Zentrum ohne Zentrumsquali-
täten.
Lange wusste man nichts
mit dem Leerstand anzufangen.
Im Rahmen der Ideenwerkstatt
wurden 1.300 Ideen von Bürgern
gesammelt. Als Ergebnis stand der
Abriss der Verwaltungs- und Pro-
duktionsgebäude der ehemaligen
Fabrik am Marktplatz, um Raum
für das neue Konzept zu schaffen.
Neben einem vielseitig erlebbaren
öffentlichen Raum werden in
Zukunft eine Einkaufsgalerie sowie
ein Seniorenheim entstehen.
BEISPIELE
Verschiedene Wege zum Ziel
Haag
Illingen
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