Immobilienwirtschaft 2/2016 - page 10

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MARKT & POLITIK
I
INTERVIEW
die Sache weiterentwickeln und welche
Kümmerer im Ort es geben kann. Kom-
men wir mit der Gemeinde zusammen,
organisieren wir ein Ideenfestival, eine
große Veranstaltung, zu der alle Bürger
geladen sind und deren Zeitaufwand von
Teilnahme bis zumErgebnis überschaubar
und damit verständlich ist.
Wie kann man sich das konkret vorstel-
len?
Es ist eine Ideenwerkstatt, da wir in
der ganzen Stadt oder Gemeinde Ideen
und Bedürfnisse sammeln und diese wie
in einer Werkstatt bearbeiten, analysieren
und direkt vor Ort einen Lösungsvor-
schlag nach drei Tagen präsentieren. Die
drei Tage sind komplett durchorganisiert.
Es gibt Groß- und Kleingruppen; wir ar-
beiten mit sämtlichen Gruppierungen zu-
sammen, auch mit Kindern und Jugend-
lichen, die häufig in Beteiligungsprozes-
sen nicht erreicht werden. Am Ende des
zweiten Tages versuchen wir schon erste
gemeinsame Ansätze zu entwickeln. Das
mündet dann häufig in ein großes Fest.
Das heißt, Sie suchen den kleinsten ge-
meinsamen Nenner unter den Vorschlä-
gen?
Nein, wir suchen den schönsten,
den spannendsten gemeinsamen Nenner.
Unsere Aufgabe ist es, Zusammenhänge
herzustellen, Verknüpfungen zu erzeugen
zwischen der Mikrosicht und dem großen
Ganzen. Am Abend des dritten Tages
präsentieren wir eine gemeinschaftliche
Vision, die die eingebrachten Ideen und
Bedürfnisse auf eine Art verbindet, für
die unsere Expertise als Planer und Archi-
tekten notwendig ist. Da steht dann ein so
genanntes Raumrezept, das die nächsten
Schritte präsentiert, das Anleitungen gibt,
wie ein Projekt umzusetzen ist. Es ist dann
oft wie ein Wunder, wenn die Menschen
kommen und bei diesemgroßen Finale er-
leben, dass aus ihren Ideen und mit ihrer
Sprache etwas Zukunftsfähiges entwickelt
worden ist.
Herr Gruber, es kommt vor, dass eine
Gemeinde Sie bittet, ein Alleinstel-
lungsmerkmal für sie zu entwickeln …
Durchaus. Allerdings ist diese Fragestel-
lung zu abstrakt. Da besteht die Gefahr
vonÜberforderung undDesinteresse, und
es entstehen nur Allgemeinplätze. Man
sollte lieber vom Kleinen zum Großen
gehen, nicht umgekehrt.
Das heißt etwa, es geht um Leerstand.
Es geht in der Regel um konkrete Pro-
blemfelder. Etwa umdie Umnutzung einer
Schule, das Neudenken einer leerstehen-
den Fabrik in zentraler Lage oder die Um-
wandlung eines Einkaufszentrums, das
keiner mehr braucht. Wir wollen kleinere
Ziele verwirklichen, die dann auf andere
Ziele und den gesamten Ort ausstrahlen.
Das Engagement auf Ihrer Seite allein
wird ja nicht reichen. Wie muss Ihr Ge-
genüber aussehen?
Ich brauche starke
Typen als Partner und Antreiber vor Ort.
Idealerweise kristallisieren die sich wäh-
rend des Beteiligungsprozesses schon he-
raus. Leute an verantwortlicher Stelle, die
beimerstenWiderstand umfallen, bringen
wenig. Natürlich wird es immer Wider-
stand in Teilen der Bevölkerung geben.
Der aber irgendwann schwächer wird…
Er wird meist kleiner, je weiter der Weg
gegangen ist. Und dann gibt es diesenma-
gischenMoment, wenn die ersten Schritte
gut gelaufen sind und die Gemeindever-
antwortlichen von außerhalb der Gemein-
de Lob hören. Der innere Widerstand ist
durch die Einbindung sämtlicher Inte-
ressensgruppen von Bürgern, Vereinen,
Wirtschaft, Politik und Verwaltung ge-
ring, da alle an der Lösungsfindung in drei
Tagen mitgewirkt haben.
Wie gehen Sie nun vor, wenn Sie gefragt
werden, welche Konzepte Sie sich vor-
stellen können?
Wir überlegen, wie man
Orte wieder lebendig machen
Wenn es eine gute Idee gibt,
lassen sich auch sehr struk-
turschwache Gebiete bele-
ben. Die Idee kann von den
Bewohnern selber kommen,
muss aber koordiniert wer-
den. Ein Gespräch darüber,
wie das funktionieren kann,
mit dem Architekten und
Raumplaner
Roland Gruber
.
„Ich brauche starke
Typen als Partner und
Antreiber vor Ort. Nur
wenn wirkliche Verän-
derungsbereitschaft da
ist, können wir auch
tatsächlich helfen.“
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