wirtschaft und weiterbildung 2/2018 - page 49

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wirtschaft + weiterbildung
02_2018
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Positiver Fokus.
Das Handeln eines
guten Coachs ist auf die (Problem-)
Lösung und eine Veränderung in die
gewünschte Richtung fokussiert. Dem
entspricht seine Gesprächsführung.
Spricht ein Coachee nur von „Proble-
men“, dann fragt er ihn zum Beispiel,
was er stattdessen gerne hätte und
führt ihn so von der Problemfixierung
weg hin zur Lösungssuche.
Der Grundansatz der Lösungsorientie-
rung klingt einfach. In Coaching-Ausbil-
dungen ist er jedoch der Teil, dessen Eta-
blierung im Gesprächsverhalten der ange-
henden Coachs am längsten dauert. Denn
im Alltag sind wir es gewohnt, anderen
Menschen Tipps und Ratschläge zu ertei-
len: „Versuche doch mal das!“, „Lasse Dir
das nicht gefallen!“. Für viele angehende
Coachs ist es deshalb eine echte Heraus-
forderung, die eigenen Lösungswege hin-
tenan zu stellen.
Eine weitere Herausforderung ist es, den
positiven Fokus in der Gesprächsführung
beizubehalten. Dies ist wichtig. Denn
Worte spiegeln nicht nur unser Denken
wider, sie beeinflussen auch unser Den-
ken – und natürlich auch das anderer
Menschen. Deshalb sollten Coachs ihre
Worte so wählen, dass sie die gewünschte
Wirkung erzielen.
So wie der ehemalige US-Präsident
Obama und die Comicfigur Bob der
Baumeister. Fast jedes Kind kennt Bobs
Ausruf „Yo, wir schaffen das“. Und Er-
wachsene? Sie kennen fast alle Obamas
ehemaligen Wahlslogan „Yes, we can“.
Obama versetzte mit ihm Millionen US-
Bürger in eine Auf- und Umbruchstim-
mung und motivierte sie, ihn zu wählen.
Und die Comicfigur Bob? Sie vermittelt
mit der Aussage „Wir schaffen das“ Kin-
dern die Zuversicht, auch schwierige Auf-
gaben gelassen anzugehen.
Diese Zuversicht gilt es auch im Coaching
dem Coachee zu vermitteln – das heißt,
der Coach sollte sich als eine Person prä-
sentieren, die sich auch in schwierigen
Situationen von der Zuversicht leiten
lässt: „Wir ...“ beziehungsweise „Sie
schaffen das, wenn ...“! Haben Coachs
die genannten Grundhaltungen verin-
nerlicht und spiegeln sich diese in ihrer
Gesprächsführung wider, dann ist das Ge-
lingen des Coaching-Prozesses sehr wahr-
scheinlich. Trotzdem noch einige Tipps,
worauf Sie als Coach in den verschiede-
nen Phasen eines Coaching-Prozesses bei
der Gesprächsführung sehr genau achten
sollten.
Phase 1:
Orientierung und
Auftragsklärung
In dieser Phase steht unausgesprochen
die Frage des Coachees im Raum: „Bin
ich hier richtig?“. Der Coachee möchte
sich also vergewissern, dass der vor ihm
sitzende Coach die richtige Person für
seine Fragestellung ist, und dieses Gefühl
gilt es ihm zu vermitteln – unter anderem
durch eine kurze, aussagekräftige Vor-
stellung des Coachs. Legen Sie in ihr Ihre
Qualifikationen und Erfahrungen dar, die
Sie befähigen, das Coaching in die rich-
tige Richtung zu lenken. Verlieren Sie sich
dabei aber nicht in Details. Die Faustregel
für das Vorstellen Ihrer Person: So lange
wie nötig, so kurz wie möglich. Zielfüh-
rend ist es auch, den Coachee zu fragen:
„Warum kontaktieren Sie gerade mich als
Coach?“. Denn hiermit lässt sich die Ge-
fahr einer potenziellen Verwicklung mit
anderen „Klienten-Systemen“ ausloten.
Angenommen, der Coachee erwidert auf
diese Frage „Mein Bruder (... oder mein
Chef), der von ihnen gecoacht wird, emp-
fahl sie mir“, dann ist unbedingt Vorsicht
angesagt.
Die Antwort auf die Frage „Warum gerade
ich?“ liefert auch Infos über die Erwartun-
gen des Coachees an Sie. Es macht einen
großen Unterschied, ob ein Coachee auf
diese Frage erwidert: „Sie wurden mir
als jemand empfohlen, … der bei Bedarf
auch mal eine Viertelstunde überzieht,
ohne dies gleich zu berechnen“ oder „ …
der aufgrund seiner Erfahrung als Füh-
rungskraft ein Experte für das Thema
Mitarbeiterführung ist.“ Bereits in der
Startphase eines Coachings sollte über die
Klärung des Anliegens, Ziels und Auftrags
Ihre lösungs- und ressourcenorientierte
Haltung und Arbeitsweise als Coach zum
Ausdruck kommen, damit der Coachee
sanft, aber bestimmt an diese Art der Ar-
beit herangeführt wird.
Phase 2:
Situationsanalyse und
Zielarbeit
Die Frage nach dem Anliegen ist die Frage
nach den Themen, die den Coachee be-
schäftigen und an denen er arbeiten
möchte. Der Coach muss durch aktives
Zuhören den Prozess steuern: Der Coa-
chee sollte ausreichend Gelegenheit
haben, sein Problem zu schildern. Dabei
gilt es jedoch zu beachten: Zu lange, de-
taillierte Problemschilderungen versetzen
Coachees oft in eine Problemtrance, aus
der sie nur schwer wieder herauskom-
men. Ziel der Situationsanalyse ist es
nicht, dass der Coach selbst möglichst
viele Informationen über den Coachee
und dessen Ist-Zustand erhält; der Coa-
chee soll vielmehr mehr Klarheit über die
Struktur seiner Situation erhalten und
diese besser eingrenzen können.
Ein Coach sollte dann „Überschriften“ für
die Coachee-Anliegen finden: Lassen Sie
den Coachee zu jedem seiner Anliegen
eine Überschrift formulieren. Das erleich-
tert es ihnen beiden im weiteren Coa-
chingprozess, jeweils das Thema auszu-
wählen, an dem in der Coaching-Sitzung
gearbeitet wird. Außerdem gilt es, Visua-
lisierungen für die Gesprächsführung zu
nutzen: Es ist hilfreich, die Überschriften
oder Headlines zum Beispiel auf einem
Flipchart zu notieren. Sie können zudem
in den Coaching-Vertrag übernommen
werden. Schließlich müssen noch die
„verborgenen“ Anliegen herausgearbeitet
werden. Oft verbirgt sich hinter dem vom
Coachee präsentierten Problem dessen ei-
gentliches Problem. Dieses kann zum Bei-
spiel mit der Frage „Was ist anders, wenn
Sie dieses Problem gelöst haben?“ he­
rausgearbeitet werden. Klarheit über die
Problemlage stärkt die Veränderungsmo-
tivation und führt zur Reflexion des Soll-
Zustands, also zur Zielarbeit. Diese ist ein
essenzieller Teil des Coachingprozesses.
Sind die Anliegen formuliert und wurde
vereinbart, in welcher Reihenfolge diese
bearbeitet werden, gilt es, realistische
Ziele für das weitere Coaching zu entwi-
ckeln. Manchmal wird die Zielklärung
„Klarheit über die tatsächliche Problemlage erhöht
die Veränderungsmotivation“
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