wirtschaft und weiterbildung 4/2017 - page 25

wirtschaft + weiterbildung
04_2017
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R
rigens schon seit Langem und nicht erst
seit Erfindung der „Agilität“. Je mehr agi-
les Organisieren in Zukunft notwendig
sein wird, desto wichtiger ist es, ernsthaft
das Richtige tun zu wollen, verbunden
mit Überzeugungsarbeit und kritischer
Reflexion des eigenen Führens, um Weg-
gefährten und sich selbst nicht in die Irre
zu führen oder führen zu lassen.
These 3:
Führen ist soziale
Einflussnahme
Für Führung in Organisationen gibt es
unzählige wissenschaftliche Definitio-
nen. Nahezu allen ist das „zielbezogene,
soziale Einflussnehmen auf andere“ ge-
meinsam. Das kann mittelbar wie unmit-
telbar geschehen. Mittelbar wird durch
soziale Strukturen wie Normen-, Rollen-,
Anreiz-, HR- und Rechtssysteme geführt,
unmittelbar durch Personen, die mit an-
deren interagieren, kommunizieren und
soziale Beziehungen eingehen (etwa
zwischen Führenden und Geführten).
Wie oben erwähnt, ist es möglich, durch
„Laissez faire“ nicht zu führen, aber es
ist nicht möglich, wie Paul Watzlawik for-
mulierte, nicht zu kommunizieren. Denn
auch unterlassene Kommunikation und
fehlende Beziehungsregulation übermit-
teln eine Botschaft, zum Beispiel „Mach,
was du willst“ oder „Du bist mir egal“.
These 4:
Charakter und Intelligenz
wirken – zum Teil
Seit Beginn der Führungsforschung sucht
man für die Personalauswahl nach stabi-
len Personenmerkmalen besonders pro-
duktiver Führungskräfte (beispielsweise
emotionale Stabilität, Intelligenz, Leis-
tungsmotivation). Durch Metaanalysen
wissen wir heute, dass Zusammenhänge
zwischen stabilen Personenmerkmalen
und der Produktivität von Führungskräf-
ten bestehen. Vier der fünf Big-Five-Per-
sönlichkeitsdimensionen (OCEAN-Mo-
dell: Offenheit für Neues, Gewissenhaftig-
keit, Extraversion und emotionale Reife)
korrelieren signifikant positiv mit harten
Indikatoren der Produktivität. Ähnliche
Zusammenhänge zeigen sich für Intelli-
genz. Anhand der empirisch festgestell-
ten Korrelationsstärken lässt sich berech-
nen, welcher Prozentanteil der Produk-
tivität von Führungskräften sich durch
Unterschiede ihrer Persönlichkeit und In-
telligenz vorhersagen lässt. Dabei kommt
man auf circa 15 Prozent für die Kombi-
nation der Big-Five-Persönlichkeitsdimen-
sionen und auf weitere circa fünf Prozent
für Intelligenz. Zwanzig Prozent sind
aber noch nicht die ganze Torte. Charak-
ter und Intelligenz mögen zwar zu großen
Teilen angeboren sein, das Ausmaß und
die Art und Weise, in der sie beim Führen
verhaltensprägend wirksam werden, wird
jedoch durch Enkulturation und Soziali-
sation in der Familie, in Bildungsinstitu-
tionen und in Organisationen beeinflusst.
Hierbei spielen Lernprozesse und kultu-
relle Faktoren wie etwa Normen, Werte,
Einstellungen und Grundüberzeugungen
eine maßgebliche Rolle. Sie beeinflussen
in hohem Maße die Zukunftsfähigkeit
von Führungskräften.
These 5:
Produktives Führungs-
verhalten ist erlernbar
Zahlreiche Studien über das Führungsver-
halten belegen, dass aufgaben- und mit-
arbeiterorientiertes Führungsverhalten
die Produktivität in Unternehmen positiv
beeinflussen. Das sind Verhaltensweisen,
die sich direkt auf die Bewältigung der
Arbeitsaufgaben beziehen (beispielsweise
Zielvorgaben, Leistungsrückmeldung,
konstruktives Feedback), und den Mitar-
beitern Wertschätzung signalisieren (wie
Anerkennung, soziale Unterstützung,
Höflichkeit). Rechnet man die wiederum
meta-analytisch festgestellten Korrelati-
onsstärken in entsprechende Prozentan-
teile der Produktivität von Führungskräf-
ten um, so kommt man auf circa fünf Pro-
zent für Aufgabenorientierung und circa
fünf Prozent für Mitarbeiterorientierung.
These 6:
Führen ist zielangemessene
Beziehungsregulation
Neuere Führungstheorien erweiterten
die bis dato in Forschung und Praxis do-
minierende „Great Man“-Theorie eines
einseitigen, zielhierarchisch gelenkten
sozialen Einflusses von Führenden auf
Geführte um die sogenannte LMX-An-
nahme (Leader-Member-Exchange), die
besagt, dass durch Führung prinzipiell
bi-direktionale Beziehungen zwischen
Führenden und Geführten zu organisie-
ren sind. Dabei gibt es zwei Arten der
Beziehungsregulation: transaktive Füh-
rung und transformative Führung.
Bei der transaktiven Führung wird auf
einen angemessenen Austausch von Res-
sourcen (und Risiken) geachtet: die Ge-
führten bekommen etwas, das sie interes-
siert (wie Belohnung, Anerkennung, at-
traktive Aufgaben) und sie geben etwas,
das die Führenden interessiert (beispiels-
Prof. Dr. Felix C.
Brodbeck
ist Inhaber des
Lehrstuhls für
Wirtschafts- und
Organisationspsychologie, LMU Mün-
chen und Partner der Logit Manage-
ment Consulting GmbH in München.
Ludwig-Maximilians-Universität
Leopoldstr. 13, 80802 München
Tel. 089 21805201
AUTOR
Foto: Rawpixel.com / shutterstock.com
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