wirtschaft + weiterbildung
04_2017
19
zu entwickeln und zu einem Mensch zu
werden, dem man gebannt zuhört, wenn
er seinen Standpunkt begründet. Die „In-
telligenz für Attraktivität“ sorgt nicht nur
dafür, dass man sich Gehör verschafft,
sondern sie kann in ihrer optimalsten
Ausprägung noch mehr: Sie macht, dass
jemand andere berührt, für sich ein-
nimmt und geradezu verzaubert. Man
weckt im anderen nicht nur Aufmerk-
samkeit, sondern einen Wunsch (zum
Beispiel etwas zu kaufen oder irgendwo
dazuzugehören). Empathie heißt, andere
zu verstehen. Die „Intelligenz für Attrak-
tivität“ weiß dagegen, wie man Gefühle
in andere hineinpflanzt.
Dueck ist sich der Sache bewusst, dass
zurückhaltende Menschen Vielredner
und charmante Publikumslieblinge aus
tiefster Seele verachten. „Das macht die
Sache nicht besser. Sie sollten sich lieber
etwas von diesen Menschen abschauen“,
fordert er. In diesem Zusammenhang
stellt er Steve Jobs heraus, Mitgrün-
der und langjähriger Vorstandschef von
Apple - ein für Nerds wohl halbwegs er-
trägliches Vorbild. Jobs war bekannt für
legendäre, überzeugende Produktpräsen-
tationen, mit denen er aus Zuhörern treue
Jünger machte. Seine größte Leistung
bestand darin, mit Provokationen, Cha-
risma, Charme und etwas Übertreibung
eine Stimmung zu erzeugen, die alle Zu-
hörer davon überzeugte, dass „der näch-
ste Computer oder die Ersteigung eines
Achttausenders im Himalaya so einfach
sei wie der Biss in einen Apfel“.
„Die Attraktionsintelligenz gewinnt an
Bedeutung“, ist sich Dueck sicher. „Sie ist
eine der allerwichtigsten Intelligenzen“.
Da nur wenige von Geburt an mit ihr ge-
segnet seien, gelte es, sie gezielt einzuü-
ben. Wenn ein Schüler Schwierigkeiten
mit der Mathematik hätte, würde er
Nachhilfe nehmen. Wenn ein Chef Pro-
bleme mit streitsüchtigen Mitarbeitern
hätte, würde er Mediationskompetenz
erwerben. Wenn ein Intellektueller sich
nicht attraktiv genug präsentieren könne,
dann dürfe er laut Dueck nicht sagen, er
sei zu dumm dafür, sondern er habe als
Gehirnbesitzer die Pflicht, sich weiterzu-
entwickeln und immer weniger Fehler zu
machen.
2 Inseln des Tiefsinns im
Netz schaffen
Dueck schlägt vor, im Internet einen Ort
für vertrauenswürdige Inhalte zu schaf-
fen. Eine Möglichkeit: Der Staat richtet
eine Mediathek ein, speichert dort alle
qualitativ hochwertigen Medien und stellt
sie allen Interessierten frei zur Verfügung.
Mit dabei sein müssen die Archive der öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fern-
sehanstalten. Man sollte auch umfassend
alle Museen digitalisieren. Dann könnte
jeder mit einer 3D-Brille jederzeit einen
virtuellen Museumsbesuch unternehmen.
Wichtig ist Dueck, dass das „Wertvolle“
mit einer Art Qualitätsgarantie versehen
wird und dass jeder alle Werke nutzen
darf, ohne sich um das Urheberrecht zu
kümmern.
Das bedeutet, dass der Staat den Urhe-
bern die Rechte abkauft oder dass es Ge-
setze gibt, dass das Urheberrecht relativ
schnell (zum Beispiel nach zum Beispiel
15 Jahren) erlischt - sofern es nicht auf
Antrag des Urhebers und gegen eine Ge-
bühr verlängert wird. Das Thema Urhe-
berrecht aus der Welt zu schaffen, scheint
Dueck sehr wichtig zu sein. Der Grund
ist offensichtlich: Zum einen könnte so
jedermann grenzenlosen Zugang zu kul-
turellen Meistern bekommen und zum
anderen muss sich dann keiner mehr Ge-
danken machen, wenn er derzeit noch ur-
heberrechtlich geschützte Werke (Fotos,
Musik, Filme) in seine Präsentationen
oder seinen Blog einbaut.
Um im Internet positiv aufzufallen, wäre
es schon wichtig, ohne rechtliche Ein-
schränkungen auf die schönsten Bilder
oder Fotos der Welt zurückgreifen zu kön-
nen. Die derzeitigen Angebote der Stock-
foto-Agenturen hält Dueck für die breite
Masse zu teuer und von der Bildsprache
her für zu geschmacklos.
3 Selbst zu einem Tiefsinns-
Coach werden
Jeder kennt einen Theoretiker, der sich
unter großen Mühen sein Wissen zusam-
mengelesen hat und der gern über die
Alleinheit philosophiert. Und jeder kennt
auch einen Praktiker, der aus seiner Er-
fahrung heraus in der Lage ist, etwas er-
folgreich zu „machen“. Im Internet hat
sich eine neue Spezies von praktischen
Theoretikern (oder theoretischen Prakti-
kern) herausgebildet. Es sind Menschen,
die im Mittelpunkt von Diskussionen
stehen – lebende Knotenpunkte, die in
dauerhafter Verbindung zu größeren
Communities ein Thema bearbeiten und
vorantreiben. Dabei helfen diese Knoten-
punkte vielen anderen, sich zu orientie-
R
Gunter Dueck.
Er trat auf der
„Zukunft Personal
2016“ als Keynote
Speaker auf und
forderte von den
Personalern, mehr
Raum für die
Entwicklung von
Exzellenz zu
schaffen.