wirtschaft und weiterbildung 4/2017 - page 20

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
04_2017
ren. Laut Dueck gilt im Netzt: Wer viel
gibt, bekommt auch viel zurück. Deshalb
sind Menschen, die solche Knotenpunkte
bilden, sehr gut informiert und können
auch praktisch helfen. Das Internet ist
ihr „Resonanzboden“. Dueck, der nach
eigener Einschätzung ein Knotenpunkt
für das Thema „Innovation“ ist, betont:
„Wer sich solch wichtigen Menschen
anschließt und ihre Aktivitäten im Netz
verfolgt, der hat eine echte Chance, von
Flachsinn verschont zu bleiben.“ Jeder
solle selbst prüfen, zu welchem Thema
er eine „wertvolle Person“ werden könne,
um dann anderen als „Tiefsinns-Coach“
und als Knotenpunkt einer Community
mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
4 Für die Freiheit auch Ver-
antwortung übernehmen
Wenn man Duecks neuestes Buch liest,
hat man den Eindruck, dass es neben der
„unterlassenen Hilfeleistung“ auch bald
den Straftatbestand der „unterlassenen
Internet-Rettung“ gibt. Zumindest wer
Hirn besitzt, muss sich verpflichtet füh-
len, den Flachsinn zu zügeln. „Immanuel
Kant kämpfte für die Freiheit des Men-
schen, sich aus der Unmündigkeit zu
befreien“, so Dueck. „Diese Freiheit hat
heute jeder. Jetzt sollten wir die Pflicht
predigen, sich nicht in einer flachsinnigen
Welt zu verlieren.“ Allem Anschein nach
befinden wir uns gerade in einer entschei-
denden Phase der Entwicklung des Inter-
nets: vom Wildwestgebiet hin zu einem
„Culture Vally“ (wie es Dueck nennt).
Dort ist aber auch der Staat gefragt. Die
Bürger sollten von ihm fordern, dass er
sich um technische Schutzmechanismen
kümmert und um Mindeststandards für
den digitalen Umgang untereinander.
In einem Interview mit dem Berliner „Ta-
gesspiegel“ (8. März 2017) machte Dueck
nachdrücklich klar, dass es ihm beim
Thema „Attraktionsintelligenz“ nicht
darum gehe, dass aus introvertierten Ex-
perten plötzlich „die besten Angeber“
würden. Er wolle nur, dass jeder die Auf-
merksamkeit bekomme, die er brauche
und die er verdiene. Ansonsten käme es
sehr darauf an, dass jeder eine „runde
Persönlichkeit“ sei, auf die man gerne
und vertrauensvoll schaue.
Trainer und Seminarleiter werden Duecks
Buch bestimmt voller Dankbarkeit lesen
und dann - ausgestattet mit aktuellen Ar-
gumenten - anfangen, Rhetorik-Seminare
für Ingenieure zu verkaufen. Moderne Se-
minare, die Menschen beibringen wollen,
wie man von anderen Aufmerksamkeit
geschenkt bekommt und wie man sie in-
spiriert, setzen zum Beispiel auf „Story-
telling“. Hier lernt man, seine Botschaft
in eine Geschichte zu verpacken. Alle
Ratschläge, die dem Überleben dienen,
werden schließlich von Generation zu
Generation in Form von Geschichten wei-
tergegeben. Eine Story hat einen Helden,
der zwischendurch Fehler macht, dunkle
Stunden erlebt, aber am Ende auf innova-
tive Art ein Problem löst. Eine solche Ge-
schichte macht es einem Erzähler leicht,
Emotionen zu transportieren und mit den
immer kürzer werdenden Aufmerksam-
keitsspannen der durchschnittlichen Zu-
hörer zurechtzukommen.
Auch Apple-Gründer Steve Jobs, nutzte
Elemente des Storytellings für seine Pro-
duktpräsentationen. Die Journalistin Car-
mine Gallo hat seine Auftritte analysiert
und in ihrem Buch „Überzeugen wie
Steve Jobs“ (Ariston Verlag, 2011) ein all-
gemeingültiges Schema für begeisternde
Kommunikation abgeleitet. Stark ver-
kürzt lassen sich Jobs Geheimnisse laut
Gallo so zusammenfassen:
1. Analog planen.
Alle Ideen werden zu-
erst mit Papier und Bleistift visualisiert.
Eine Präsentationssoftware behindert den
Ideenfluss eher.
2. Zuhörer gewinnen.
Die Zuhörer stellen
sich nur eine Frage: „Warum soll ich auf-
merksam sein?“ Diese Frage muss gleich
zu Beginn beantwortet werden.
3. Brennen für ein Ziel.
Selbst als er schon
sehr reich war, brannte Jobs für seine Vi-
sionen. Er wollte Probleme lösen – zum
Beispiel das dünnste Notebook bauen.
4. Kurze Botschaften.
Eine Botschaft muss
prägnant sein und sich über Twitter (140
Zeichen) transportieren lassen.
5. Argumentationsstrang planen.
Jobs
brachte seine wenigen, ausgesuchten
Argumente so in eine Reihenfolge, dass
jeder ihm leicht folgen konnte.
6. Tod dem Gegner.
In jeder Präsentation
sprach der Apple-Boss von einem „Böse-
wicht“, gegen den sich sein Publikum mit
ihm verbünden konnte.
7. Der Held erobert die Herzen.
Ein „Held“
(zum Beispiel das neue Produkt) garan-
tiert neue, bessere Lösungen, weicht vom
gewöhnlichen Kurs ab und inspiriert die
Zuhörer.
Gunter Dueck hat sich in einigen seiner
Vorträge ausführlich damit beschäftigt,
was Naturwissenschaftler, Ingenieure
und Techniker tun müssten, um im „Auf-
merksamkeitsbasar“ des Internets nicht
übersehen zu werden. Seine Hauptsorge:
Diese Menschen sind in der Regel nicht
in der Lage, etwas einfach zu erklären.
„Ingenieure schwärmen von der vollen
Komplexität“, so Dueck. „Sie müssen es
erst mühsam lernen, etwas schön zu er-
klären.“
Mit „schön“ meint der Vordenker, dass
man in einer Debatte alles auf eine ein-
zige Kernaussage zuspitzen und diese
in bildhafter Umgangssprache vortragen
kann. In eine Art Babysprache abzurut-
schen, sei ein großer Fehler. Außerdem
müsse man unbedingt darauf achten,
dass „einfach erklären“ nie „verfälschen“
bedeuten dürfe. Wichtig sei die gekonnte
Reduktion auf das Wesentliche. Hinter
jeder „Simplicity“ würde schließlich eine
anspruchsvolle Sache stecken.
Von Dueck selbst kann man übrigens ler-
nen, dass man Aufmerksamkeit (sowie
Begeisterung und Bewunderung der
Fans) dadurch erzeugt, dass man eigene
Schlagworte erfindet oder gängige Fach-
begriffe witzig für seine Sache umdeutet.
Ohne Worte wie „schwarmdumm“ oder
„Flachsinn“ wären Duecks Bücher viel-
leicht Ladenhüter.
Martin Pichler
R
Buchtipp.
Gunter Dueck: „Flachsinn
– Ich habe Hirn, ich wil hier raus“.
Campus Verlag GmbH, Frankfurt am
Main 2017, 262 Seiten, 24,95 Euro
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