wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 57

wirtschaft + weiterbildung
02_2016
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Matthias Horx „Neues Lernen“ als einen
Megatrend. Dabei stünden folgende As-
pekte im Vordergrund. Die zunehmende
Digitalisierung ermögliche einen brei-
teren und anderen Zugang zu Wissen.
„Das klassische Bildungssystem, in dem
wir Duckmäuser produzieren, ist veraltet
und passt nicht mehr zur modernen Rea-
lität, in der wir Selbstdenker, Querdenker,
Kreativköpfe brauchen“, so Burkhart. Au-
ßerschulisches und -universitäres Wissen
gewinne an Bedeutung.
Die Generation Y sei die erste Genera-
tion, die stark vom Internet geprägt sei.
Lernstoff müsse on demand verfügbar
sein und am besten auf jedem mobilen
Endgerät. Lernvideos und Online-Kurse,
sogenannte MOOCs, gewönnen immer
mehr an Bedeutung. On demand sei des-
halb besonders wichtig, weil Learning by
Doing auch immer relevanter werde. Die
Generation Y habe auch verstanden, dass
Lernen nicht nur im Rahmen einer Aus-
bildung stattfinde, sondern lebenslang
entscheidend sei, um im Arbeitsmarkt
wettbewerbsfähig zu bleiben.
„Es heißt ganz oft, die Generation Y hätte
überhöhte Ansprüche an Arbeit und Füh-
rung. Das stimmt nicht. Sie spricht le-
diglich aus, was sich auch alle anderen
Generationen wünschen“, betont Burk-
hart. „Die Generation Y ist ein allgemei-
nes Stimmungsbarometer. Wer auf junge
Menschen eingeht, macht sein Unterneh-
men zu einem attraktiven Arbeitsplatz.“
Gudrun Porath
Drei Fragen an den Neurobiologen Prof. Dr. Gerald Hüther
Kann man beim Lernen glücklich sein?
Prof. Dr. Gerald Hüther:
Jeder weiß, wie man glücklich
lernt und kann sich daran erinnern: Als Kind war man der
glücklichste Mensch der Welt, wenn man ein weiteres Wort
oder eine Bewegung gelernt hat. Wenn wir das aus der wis-
senschaftlichen Perspektive anschauen, heißt das, man
ist glücklich, wenn man durch einen eigenen Lernprozess
einen kohärenteren Zustand im Gehirn erreicht. Das Hirn
beginnt, die bereits angelegten eigenen Wissensinhalte
und Netzwerke zu erweitern, damit das Neue irgendwie
reinpasst. Und wenn es gelungen ist, das Neue in das Alte
zu inkorporieren, entsteht Kohärenz.
Wie kann man das glückliche Lernen in den
Schulalltag integrieren?
Hüther:
Auswendiglernen geschieht in der Schule unter
dem Druck, eine „Belohnung“ oder „Bestrafung“ zu erhal-
ten. Deswegen gleicht es in gewisser Weise einer Dressur
wie im Zirkus. Es bleibt zwar ein bisschen Wissen hängen,
aber es wäre schöner, wenn man es freiwillig täte. Das
Schlimmste, was unser gegenwärtiges Schulsystem unse-
ren Schülern antut, ist, dass sie durch die Fokussierung
auf die Durchschnittsnoten dazu gezwungen werden, ihre
Leidenschaft am eigenen Entdecken und Gestalten zu
unterdrücken. Wenn diese in der Schule verloren gegan-
gen ist, entstehen leidenschaftslose Menschen, die sich
später nicht richtig engagieren. Der Mensch muss sich
einen Bereich aufbauen, in dem er seine Lust am Lernen
unabhängig von Vorgaben entfalten kann. Für Kinder und
Heranwachsende wäre es toll, wenn sie sich Wissen selbst
Interview.
Neurobiologisch betrachtet, lernt man das am besten, was Freude bereitet. Wie
man nachhaltigen Lernerfolg sicherstellt, weiß Hirnforscher Professor Dr. Gerald Hüther. Er
spricht auf der Didacta 2016 („Forum Bildung“) am 16. Februar, 14.00 Uhr, Halle 6, E 50/F 51.
erschließen könnten. Lehrer sollten sie dabei unterstützen,
auch wenn sie sich an Lehrpläne halten müssen.
Welche Faktoren sind ausschlaggebend, um
lebenslanges Lernen zu gewährleisten?
Hüther:
Das Schlimmste, was passieren könnte, ist, dass
einem die Lust am Lernen vergeht. Solange diese Lust noch
da ist, bleibt jeder Mensch ein Lernender. Wenn er diese
Lust verloren hat, ist er möglicherweise ein Wissender, der
aber keine Entwicklungsperspektive mehr hat. Das bringt
uns zu der zweiten Fähigkeit, die auch niemand verlieren
sollte: Wissen von anderen zu übernehmen. Wir brauchen
andere Menschen, die wir mögen und von denen wir gerne
alles lernen, was sie wissen. Je mehr sie sich von uns unter-
scheiden, desto mehr können wir von ihnen lernen.
Interview: Michael Steiner
Foto: Pichler
Gerald Hüther.
Lernen heißt
auch, Wissen
von anderen zu
übernehmen.
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