personal- und organisationsentwicklung
32
wirtschaft + weiterbildung
05_2015
Beispiel Mitarbeiter eines Roche Call-
Centers inzwischen viele Kunden in un-
terschiedlichen Ländern zu betreuen.
Für die Teilnehmer der oben beschriebe-
nen Maßnahmen bieten wir nach circa
sechs Monaten einen halbtägigen Follow-
up-Termin zur weiteren Unterstützung
des Praxistransfers an, der dann sehr ziel-
gruppenspezifisch gestaltet werden kann.
Dort können sich die Teilnehmer im De-
tail mit einem konkreten Land oder einer
Region beschäftigen und die Ergebnisse
ihrer selbstgesteuerten Lernaktivitäten in
der Gruppe vertiefen.
Deutlich wurde, dass diese interkultu-
rellen Trainings vor allem dadurch er-
folgreich sind, dass den Teilnehmern die
Grundlagen so vermittelt werden, dass sie
eigenständig mit ihren Ergebnissen wei-
terlernen können.
Zweiter Maßnahmen-Bereich:
spezifische Qualifizierung
Anhand von zwei Projekten wollen wir
darstellen, wie wir Maßnahmen aus dem
zweiten, dem aufgaben- beziehungsweise
anlassspezifischen Bereich, in der Praxis
durchgeführt haben.
Projekt 1:
Deutsch-chinesisches Team-
building mit Onboarding
In einem virtuellen Quality-Team, das ge-
meinsam asiatische Lieferanten betreut,
sollte die Zusammenarbeit zwischen den
deutschen Teammitgliedern in Mannheim
und zwei neuen chinesischen Kollegen in
Shanghai optimiert werden. Ziel war es,
Missverständnisse in der virtuellen Kom-
munikation aufgrund interkultureller Un-
terschiede in einem Workshop auszuräu-
men. Ein Baustein des Workshops stand
somit schon fest: die interkulturelle Sensi-
bilisierung aller Teilnehmer. Dafür setzten
wir ein deutsch-asiatisches Trainerteam
ein. Die beiden Trainerinnen gaben den
Teilnehmern wissenschaftlich fundierte
Inputs zu deutsch-asiatischen Unter-
schieden und sprachen auch heikle in-
terkulturelle Themen einfühlsam an – wo
nötig auf der Metaebene, damit die bei-
den neuen chinesischen Teammitglieder
vor ihren deutschen Kollegen nicht das
Gesicht verloren. So erörterten die Traine-
rinnen beispielsweise typische deutsch-
asiatische Unterschiede bei der Planung
von Projekten oder Diskrepanzen bei der
Wahrnehmung von Konfliktsituationen
anhand ihrer konkreten Zusammenarbeit
im Trainerteam und konnten somit auf
praxisnahe Weise zeigen, welche Syner-
gien entstehen können, wenn offen und
auch humorvoll mit interkulturellen Un-
terschieden umgegangen wird.
Der zweite Baustein des Workshops war
das fachliche und zwischenmenschli-
che Onboarding der beiden Chinesen
mit zielführender Workshop-Moderation
und Teambuilding-Elementen, um trotz
großer räumlicher Distanz einen ersten
Schritt in Richtung gemeinsames Team
zu tun. Hier ging es etwa darum, sich zu
einzelnen Lieferanten auszutauschen,
gemeinsam Spielregeln zu definieren
sowie Prozesse und ein gemeinsames
Verständnis vom Umgang mit Verantwor-
tung zu entwickeln. „Die Herausforde-
rung bestand darin, dass die Deutschen
die Verantwortung loslassen können und
dass die Chinesen somit die Verantwor-
tung auch annehmen können und sich
bewusst machen, dass es bei bestimmten
Themen kein Backup mehr gibt“, formu-
lierte Auftraggeber Winfried Akermann,
Director Supplier Quality Diabetes Care,
dessen Bereich das Team unterstellt ist,
das Ziel des Trainings.
Dabei war es besonders wichtig, poten-
zielle Kritikpunkte konstruktiv anzuspre-
chen, die Erfahrungen der Zusammenar-
beit zu reflektieren und in positive, neue
Abläufe und Vereinbarungen zu wandeln.
Dies ist erstaunlich gut gelungen: Das
Team definierte wichtige Themen selbst,
setzte diese in Interessensgruppen in Ei-
genregie um und dokumentierte sie. Die
Onboarding-Phase mit dem interkultu-
rellen Training und vielen gemeinsamen
Erlebnissen am deutschen Standort hat
zudem Berührungsängste schwinden und
Gemeinsamkeiten entstehen lassen.
Im Follow-up sechs Monate später zeigte
sich, dass seit dem ersten Workshop viel
passiert war. Die chinesischen Mitarbei-
ter konnten dank des Onboardings und
des guten Beziehungsaufbaus nun ganz
konkret mit sachlich-fachlichen Fragestel-
lungen konfrontiert und herausgefordert
werden. Rückmeldung und konkrete Ar-
beitsplanung sowie Austausch über Lear-
nings aus den bisherigen Arbeitserfahrun-
gen waren in konstruktiver Atmosphäre
möglich. „Der erste Workshop handelte
vom kulturellen Miteinander und Heran-
tasten, der zweite war sehr konkret und
wir haben uns Gedanken über Teamrol-
len und pragmatische Prozesse gemacht“,
resümierten die chinesischen Kollegen.
„Das war hervorragend, denn jetzt sind
wir wirklich Teil des Teams.“
Projekt 2:
Vorbereitung auf
chinesische Auditoren
Ein anderes interkulturelles Projekt, das
auch auf konkrete Businessanforderun-
gen einer Abteilung zeitnah reagierte, be-
fasste sich mit der Vorbereitung auf eine
Inspektion chinesischer Gesundheitsbe-
hörden. Das war das erste Mal, dass in
Mannheim Auditoren aus China erwartet
wurden. Hierfür sollten die involvierten
Mitarbeiter gut vorbereitet werden. An
dem Audit sollten 100 Personen mit ganz
unterschiedlichen Funktionen teilneh-
R
Dr. Anja Schmitz
ist
Managerin
Senior Projects
Learning and Orga-
nizational Develop-
ment bei der Roche Diagnostics GmbH.
Zuvor war sie mehrere Jahre als Unter-
nehmensberaterin tätig.
Roche Diagnostics GmbH, Sandhofer
Straße 116, 68305 Mannheim
Tel. 0621 75973554
AUTOREN
Sonja Nitsch
ist Geschäftsführe-
rin der Twist Consul-
ting Group und dort
als Senior Beraterin
für nationale und internationale Per-
sonal- und Organisationsentwicklung
tätig.
Twist Consulting Group
Siegfriedstraße 8, 80803 München
Tel. 089 8905194-0