Verwalterbrief 5/2019 - page 10

deln. Seine Pflichten verletzt er aber, sodass
auch hier eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB
in Betracht kommt. Denn der Verwalter muss
bereits mit der Ladung, aber auch in der Ver-
sammlung, Hinweise, Auskünfte und Informa-
tionen geben, damit die Wohnungseigentümer
sachgerecht über den konkreten Gegenstand
beschließen können. Dem Verwalter obliegen
zwar keine Pflichten, rechtliche Hinweise zu
erteilen oder die Wohnungseigentümer zu
belehren. Notwendig sind aber Hinweise und
Informationen u. a. zu folgenden Punkten:
Beschlusskompetenz
Beschlussgegenstand
zu erreichende Mehrheit
Haftungsrisiken einzelner Wohnungseigen-
tümer bei einer vom Vorgesehenen abwei-
chenden, aber absehbaren Entwicklung
Beschlussfolgen (drohende Anfechtung, Fol-
genbeseitigungsansprüche, Gesetzesverstoß)
Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme
Stellungnahme und Abfassung eines kon-
kreten Beschlussantrags, der zur Abstim-
mung gestellt werden kann und bestimmt
genug ist (daran fehlte es im Fall)
Stimmrecht der Wohnungseigentümer und
Irrtümer hierüber
abzuwägende Punkte für die Ermessensent-
scheidung
Schilderung von Handlungsalternativen
Schilderung, was gilt, wenn über einen Ge-
genstand nicht beschlossen wird
Stellungnahme zum Anfechtungsrisiko
Gesetzeslage
4. Umformulierung von Beschluss-
anträgen der Wohnungseigentümer
Es gehört zu den Pflichten des gewerblich tä-
tigen Verwalters, einen Beschlussantrag, den
ein Wohnungseigentümer für die Tagesord-
nung angemeldet und selbst formuliert hat,
eigenständig auf seine Bestimmtheit hin zu
prüfen. Er muss den Wohnungseigentümern
insoweit also Hinweise geben, ob er selbst
diesen Beschlussantrag für ausreichend be-
stimmt hält. Ferner muss er den Beschlussan-
trag auf seine Durchführbarkeit und Vollstän-
digkeit hin prüfen.
2. Vorbereitung eines konkreten
Beschlusstextes
Jedem Verwalter muss klar sein, dass zu jedem
von ihm angekündigten Beschlussgegenstand
auch ein Beschluss gefasst werden kann. Diese
Beschlussfassung der Wohnungseigentümer ist
immer sorgfältig vorzubereiten. Der Verwalter
muss sich im Vorfeld der Versammlung also
genau überlegen, wie ein Beschluss zu einem
Beschlussgegenstand lauten könnte und sollte.
Diese Vorbereitung ist unabdingbarer Teil der
Pflichten eines gewerblich tätigen Verwalters.
Ein Verwalter muss wissen, wann ein Beschluss
unbestimmt ist. Ist es so, muss er den Woh-
nungseigentümern darüber berichten und vor
den Risiken unbestimmter Beschlüsse warnen.
Zwar mag man dem LG zustimmen, ein Ver-
walter handele letztlich wenigstens nicht grob
fahrlässig, wenn er den Wohnungseigentümern
einen Beschluss „durchgehen“ lässt, der nicht
ausreichend bestimmt ist. Indes ist die inhaltlich
ungenaue Formulierung von Beschlussanträgen
gerade ein anerkanntes Beispiel für eine Kos-
tenhaftung des Verwalters wegen groben Ver-
schuldens. Jedenfalls ist dieses Verhalten aber
grundsätzlich leichtfertig und also fahrlässig.
Bei einer leichten Fahrlässigkeit ist zwar nicht
der Anwendungsbereich von § 49 Abs. 2 WEG
eröffnet. Neben diesem ist aber immer auch
eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB nach Ab-
schluss einer Anfechtungsklage möglich. Die-
se greift schon bei leichter Fahrlässigkeit und
wird durch § 49 Abs. 2 WEG nicht gesperrt.
3. Beratung
Jeder gewerblich tätige Verwalter schuldet
den Wohnungseigentümern in Bezug auf ei-
nen Beschlussgegenstand eine Beratung. Ver-
letzt er diese Pflicht, mag der Verwalter, wie
es das LG annimmt, nicht grob fahrlässig han-
Geht es um eine Maßnahme, für die man
Mittel braucht – also grundsätzlich bei je-
dem Beschluss, bei dem ein Vertrag ge-
schlossen wird –, ist immer mit zu beden-
ken, ob es diese Mittel schon gibt, also,
ob sie z. B. der Instandhaltungsrückstellung
entnommen werden können oder im Üb-
rigen in die Wirtschaftsplanung eingestellt
sind oder ob durch eine Sonderumlage
oder einen Verbraucherkreditvertrag wei-
tere Mittel beschafft werden müssen. Liegt
es so, gehören natürlich auch diese wei-
teren Gegenstände auf die Tagesordnung.
So entspricht etwa eine Beschlussfassung
über eine Erhaltungsmaßnahme keiner
ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn nicht
auch beschlossen wird, wo die Mittel für
diese herkommen sollen.
HINWEIS: BESCHLUSS ÜBER
ERHALTUNGSMASSNAHME
Wie jeder Beschluss muss z. B. ein Erhal-
tungsbeschluss für seine Ordnungsmäßig-
keit „bestimmt“ sein. Dazu muss er, wird
kein zweistufiges Verfahren gewählt, u. a.
Folgendes erkennen lassen:
Was soll genau an welchem Bauteil ge-
macht werden?
Welche Kosten gibt es prognostisch?
Wie werden die Kosten aufgebracht?
(kann auch Gegenstand eines weiteren
Beschlusses sein)
HINWEIS: ERHALTUNGSBESCHLUSS
3. Anwendung der Grundsätze
V könnten danach – anders als vom AG ange-
nommen – nicht die Kosten des Rechtsstreits auf-
erlegt werden. Ein Vorsatz des V, die Wohnungs-
eigentümer zu schädigen, sei nicht erkennbar.
Auch eine grobe Fahrlässigkeit könne nicht be-
jaht werden. Eine solche setze voraus, dass der
Handelnde die erforderliche Sorgfalt nach den
gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem
Maße verletze und dasjenige nicht beachte, was
jedem hätte einleuchten und sich aufdrängen
müssen. Es müsse sich um eine auch subjektiv
schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung
handeln, wobei generell an einen erfahrenen
Berufsverwalter bei der Ausübung seiner Tätig-
keit höhere Anforderungen zu stellen seien als
an einen nicht professionell tätigen Verwalter
aus der Reihe der Wohnungseigentümer.
So liege es im Fall nicht. Das AG überdehne mit
seiner gegenteiligen Ansicht die Pflichten eines
gewerblich handelnden Verwalters. Denn in
Bezug auf die Frage der Bestimmtheit des Be-
schlusses sei es jedenfalls nicht als grob fahrläs-
sig anzusehen, wenn der Verwalter einen unbe-
stimmten Beschluss „fassen lasse“. Entgegen der
AG-Auffassung sei dem Verwalter „in der Regel“
auch keine „rechtliche Adhoc-Stellungnahme“
abzuverlangen, ob ein Beschluss nach den an-
erkannten Auslegungsgrundsätzen gerade noch
oder nicht mehr hinreichend bestimmt sei. Ein
solches Verhalten könne unter bestimmten Um-
ständen zwar den Vorwurf der Fahrlässigkeit be-
gründen, nicht aber den grober Fahrlässigkeit.
Das bedeutet für Sie:
1. Ankündigung eines konkreten
Beschlusstextes
Das AG hatte dem Verwalter vorgeworfen,
den konkreten Beschluss nicht bereits im
Einladungsschreiben angekündigt zu haben.
Diesen Vorwurf hatte es zu Unrecht erhoben.
Denn von Gesetzes wegen ist es gerade nicht
erforderlich, bereits mit der Ladung zu einer
Versammlung den genauen Inhalt eines beab-
sichtigten Beschlusses oder einen konkreten
Beschlusstext mitzuteilen. Eine „Vorformulie-
rung“ der geplanten Beschlüsse ist zwar mög-
lich, aber nicht erforderlich.
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Deckert/Elzer kompakt
Kündigt ein Verwalter bereits mit der Ladung
einen konkreten Beschluss an, muss er sich
bewusst sein, dass die Wohnungseigentümer
stets berechtigt sind, von solch einem ange-
kündigten (= vorgeschlagenen) Beschlussan-
trag abzuweichen, soweit sich dadurch der
Beschlussgegenstand nicht ändert und er
etwas „anderes“ wird. Auf diese Möglichkeit
sollte immer bei der Vorformulierung eines
Beschlusses hingewiesen werden.
HINWEIS: VORFORMULIEREN DES
BESCHLUSSTEXTES
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12
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