DER VERWALTERBRIEF 4/2017 - page 9

Deckert/Elzer kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung
des Monats
Anfechtungsklage und Berufung
Für den Beschluss, in einem Anfech-
tungsverfahren Berufung einzulegen
oder eine durch den Verwalter einge-
legte Berufung fortzusetzen und dafür
einen bestimmten Rechtsanwalt zu
beauftragen, gibt es keine Beschluss-
kompetenz.
AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v.
11.9.2015, 73 C 17/15
Der Fall:
Wohnungseigentümer K hatte mit einer
Anfechtungsklage vor dem Amtsgericht
Erfolg. Daraufhin beschließen die anderen
Wohnungseigentümer, die Beklagte im An-
fechtungsverfahren sind, den Verwalter zu
beauftragen, in ihrem Namen einen Rechts-
anwalt mit der Führung des Berufungsver-
fahrens zu mandatieren. Der Verwalter legt
aufgrund des Beschlusses für die beklagten
Wohnungseigentümer Berufung ein, über
die noch nicht entschieden ist.
Wohnungseigentümer K erhebt gegen den
Beschluss Anfechtungsklage. Er rügt in ers-
ter Linie, es gebe für die Frage der Einlegung
bzw. Durchführung eines Berufungsverfah-
rens keine Beschlusskompetenz.
Das Problem:
Zentrales Problem der Entscheidung ist die
Frage, ob es für die beklagten Wohnungsei-
gentümer einer Anfechtungsklage eine Be-
schlusskompetenz gibt, über die Berufung
zu beschließen, oder ob man den Verwalter
wenigstens insoweit anweisen kann.
So hat das Amtsgericht Berlin-Charlot-
tenburg entschieden:
Die Klage ist nach Ansicht des Amtsgerichts
begründet. Der angefochtene Beschluss sei
mangels Beschlusskompetenz nichtig.
Vertretungsmacht des Verwalters
Die aus § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG folgende Ver-
tretungsmacht des Verwalters sei grundsätz-
lich umfassend zu verstehen. Der Verwalter
habe „als geborener Verteidiger des Mehr-
heitswillens“ die übrigen Wohnungseigentü-
mer in einer Anfechtungsklage zu vertreten
und zu verteidigen. Welche Maßnahmen
er dabei im Einzelnen ergreife und ob er
Rechtsmittel einlege, sei seinem pflichtge-
mäßen Ermessen zu überlassen – solange er
die Wohnungseigentümer ordnungsgemäß
über den Rechtsstreit unterrichte und ihm
von den einzelnen Wohnungseigentümern
keine Weisungen erteilt werden bzw. einzel-
ne Wohnungseigentümer – was ihnen unbe-
nommen sei – erklärten, dass sie nicht vom
Verwalter vertreten werden wollen und den
Rechtsstreit, soweit es sie betreffe, selbst
führen möchten. Die einzelnen Wohnungsei-
gentümer seien also in ihrem Prozessverhal-
ten voneinander grundsätzlich unabhängig.
Keine Beschlusskompetenz für Weisung
Aus den Erwägungen zur Vertretungsmacht
des Verwalters im Rahmen einer Anfech-
tungsklage ergebe sich, dass § 27 Abs. 2
Nr. 2 WEG keine ungeschriebene Beschluss-
kompetenz für eine Weisung entnommen
werden könne. Würde etwa die Mehrheit
der Eigentümer beschließen, eine Berufung
zurückzunehmen, so könnte durchaus ein
einzelner Wohnungseigentümer, der den
Beschluss verteidigen wolle, die Berufung
fortsetzen. Er wäre an den Beschluss, der
den Verwalter anweise, eine Berufung zu-
Liebe Leserin,
lieber Leser,
es gibt im Wohnungseigentumsrecht leider
noch viele Bereiche, die ihrer höchstrichter-
lichen „Aufschlüsselung“ harren. Ein solches
Gebiet stelle ich heute in den Mittelpunkt der
Entscheidung des Monats. Es dürfte für jeden
Verwalter eine sehr hohe Bedeutung haben.
Es geht um die Frage, was gilt, wenn die An-
fechtungsklage eines Wohnungseigentümers
in erster Instanz – also vor dem Amtsgericht
– Erfolg hatte. Wie soll sich ein Verwalter in
dieser Situation nun verhalten? Soll er die
beklagten Wohnungseigentümer informieren
– und dann nichts mehr tun? Soll er vorsorg-
lich eine Berufung einlegen lassen? Oder soll
er eine außerordentliche Versammlung ein-
berufen? Und wenn ja, was ist dort eigentlich
beschließbar: Eine Weisung an den Verwalter,
die Einlegung/Ablehnung eines Rechtsmittels
– oder gar nichts? Mit diesen Fragen beschäf-
tigt sich die folgende Entscheidung. Sie sollte
jedem Verwalter bekannt sein.
Herzlichst
Ihr
Dr. Oliver Elzer
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Anfechtungsklage und Berufung
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12
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