DER VERWALTERBRIEF 4/2017 - page 4

Verwalterfalle: Inhaltliche
Bestimmtheit von Beschlüssen
RA Rüdiger Fritsch, Solingen
In letzter Zeit zeichnet sich eine für WEG-Verwalter verhäng-
nisvolle Entwicklung der Rechtsprechung ab. Die Frage der in-
haltlichen Bestimmtheit von Eigentümerbeschlüssen rückt mit
oftmals fatalen Folgen zunehmend in den Fokus gerichtlicher
Entscheidungen.
Bei Beschlussanfechtungen wird von den Gerichten oftmals weniger
der Frage nachgegangen, ob der angegriffene Beschluss den Grundsät-
zen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, also eventuell rechts-
widrig ist, sondern es wird untersucht, ob der Beschluss nicht bereits
aufgrund einer inhaltlich unzureichenden Formulierung nichtig ist. Diese
Vorgehensweise bietet für Kläger und Gerichte den Vorteil, dass es in
solchen Fällen auf die Entscheidung komplizierter materiell-rechtlicher
Fragen gar nicht mehr ankommt, weil der Beschluss bereits formal
unwirksam ist.
Dies oft mit der für den Verwalter unangenehmen Folge einer Kos-
tenhaftung nach § 49 Abs. 2 WEG. Nachfolgend wird anhand einiger
besonders praxisrelevanter Beispielsfälle erläutert, welche Gefahren
bei der Beschlussformulierung drohen – und wie man diese möglichst
vermeiden kann.
Als Fazit darf aber bereits hier vorweggenommen werden, dass der
Verwalter sich zukünftig bei der Beschlussformulierung mehr als bisher
um sprachliche Präzision bemühen muss.
1. Warum ist die inhaltliche Bestimmtheit von Beschlüssen so
wichtig?
Rechtsprechung und Lehre vertreten die Auffassung, dass aufgrund der Bin-
dungswirkung von Beschlüssen für den Rechtsnachfolger (§ 10 Abs. 4 WEG)
und der Möglichkeit, auch Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung
durch Mehrheitsbeschluss zu ändern (vgl. §§ 16 Abs. 3, 16 Abs. 4, 21 Abs.
7 WEG), der Regelungsgehalt von Beschlüssen eindeutig, klar und inhaltlich
hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein muss (vgl. BGH,
Urteil v. 15.1.2010, V ZR 72/09; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl. 2015, § 23
Rn. 54 ff., 162 ff.; Hügel/Elzer, WEG, 1. Aufl. 2015, vor §§ 23 ff., Rn. 62).
a) Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit
Beschlüsse müssen inhaltlich so bestimmt sein, dass die durch den
Beschluss beabsichtigten Wirkungen dessen reinem Wortlaut entnom-
men werden können, ohne dass äußere Umstände zu seiner Auslegung
herangezogen werden müssen. Ein Beschluss muss „aus sich heraus“
verständlich sein (vgl. BGH, Urteil v. 10.10.2014, V ZR 315/13; BGH,
Beschluss v. 10.9.1998, V ZB 11/98; Riecke/Schmid/Drabek, WEG, 4.
Aufl. 2015, § 23 Rn. 17).
Entscheidend ist der Wortlaut, wie er sich unter Außerachtlassung sub-
jektiver Wertungsumstände für einen unbefangenen „externen“ Dritten
darstellt, der nicht an der Eigentümerversammlung teilgenommen hat.
Insofern kommt es nicht darauf an, welche zusätzlichen Erläuterungen in
der Eigentümerversammlung gemacht wurden oder welche erläutern-
den Unterlagen vorlagen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.3.2001, 2
Wx 149/00; AG Hamburg-Blankenese, Urteil v. 24.6.2015, 539 C 31/14;
AG Kassel , Urteil v. 4.12.2014, 800 C 1010/14; AG Hannover, Urteil v.
11.11.2014, 484 C 5633/14).
b) Inbezugnahme von Anlagen
Da einerseits eine umfassende Beschreibung aller Regelungsinhalte
gefordert wird, dies aber andererseits den Umfang von Beschlüssen
unangemessen aufblähen würde, ist es zulässig, zur Konkretisierung
getroffener Regelungen auf ein außerhalb des Protokolls (besser: Be-
schlusswortlauts) befindliches Dokument Bezug zu nehmen.
Diese Anlagen müssen aber zweifelsfrei bestimmbar sein. Daher ist es
dringend geraten, im Beschlusswortlaut nicht nur ausdrücklich Bezug
auf das genau zu konkretisierende Dokument (u.a. Verfasser, Datum,
Angebots-Nr. etc.) zu nehmen, sondern dieses als Inhalt des Beschlus-
ses als Anlage zum Protokoll zu nehmen (vgl. BGH, Urteil v. 8.4.2016, V
ZR 104/15; AG Dortmund, Urteil v. 12.11.2015, 514 C 71/14; AG Dort-
mund, Urteil v. 5.11.2015, 513 C 22/15).
c) Folgen mangelnder Bestimmtheit
Ist die Formulierung des Beschlusses inhaltlich unklar oder widersprüchlich
und lässt sich dem Beschluss eine durchführbare Regelung nicht eindeu-
tig entnehmen, so ist dieser in der Regel nichtig (vgl. LG Berlin, Urteil v.
23.9.2014, 55 S 89/13; LG Hamburg, Urteil v. 28.3.2012, 318 S 45/11).
Wird die mangelnde Transparenz des Beschlusses im Rahmen der frist-
gerecht erhobenen Anfechtungsklage gerügt, kommt es auf die Diffe-
renzierung, ob der Beschluss, der an Mängeln der Klarheit und inhalt-
lichen Bestimmtheit leidet, nur rechtswidrig oder nichtig ist, nicht an
(vgl. LG München I, Urteil v. 13.1.2014, 1 S 1817/13).
Gem. § 49 Abs. 2 WEG kann das Gericht die Prozesskosten dem Verwal-
ter auferlegen, wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die
Tätigkeit des Gerichts durch den Verwalter veranlasst wurde und diesen
dabei ein grobes Verschulden trifft.
Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Verwalter grob fehlerhaf-
te Beschlussformulierungen verwendet (vgl. LG Bamberg, Beschluss v.
16.4.2015, 11 T 8/15; AG Hamburg, Urteil v. 13.7.2015, 102d C 126/13;
Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl. 2015, § 49 Rn. 4 d).
2. Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung
Die Genehmigung der Jahresabrechnung ist nur dann hinreichend be-
stimmt, wenn sie einen Bezug sowohl auf die Jahresgesamt- als auch
auf die jeweiligen Einzelabrechnungen klar erkennen lässt. Dies ist im
oben angeführten Beispiel nicht der Fall. Zudem ist unklar (insbeson-
dere bei mehreren gefertigten Versionen der Abrechnung), welches
Abrechnungswerk konkret genehmigt wurde (vgl. LG Gera, Urteil v.
16.2.2015, 5 S 23/14; AG Lüneburg, Urteil v. 29.3.2016, 39 C 295/15;
AG Dortmund, Urteil v. 12.11.2015, 514 C 71/14).
4
Verwalterthema
des Monats
Typische Problemfälle:
Beschlüsse über die Genehmigung von Abrechnung und Wirt-
schaftsplan
Beschlüsse über Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnah-
men
Beschlüsse zur Kostenverteilung
Beispiel: Mangelhafter Beschluss
„Die Eigentümer beschließen, die vorliegende Jahresabrechnung
2016 vorbehaltlich der noch ausstehenden Überprüfung der Heiz-
kostenabrechnung durch den Verwaltungsbeirat zu genehmigen.“
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12
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