Instandsetzung des Gemeinschafts-
eigentums ohne Beschluss
RA Rüdiger Fritsch, Solingen
Dass der Verwalter zur Veranlassung von Maßnahmen der In-
standhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigen-
tums einen ermächtigenden Beschluss der Eigentümerversamm-
lung benötigt, ist eine Binsenweisheit. Doch immer wieder gerät
der Verwalter in Situationen, in denen die Eigentümer von ihm
ein umgehendes Tätigwerden erwarten und keinerlei Verständ-
nis dafür aufbringen, dass eine außerordentliche Eigentümer-
versammlung einberufen werden soll.
Verwalter, die sich dann „breitschlagen“ lassen, erfahren oft,
dass eine Verkennung der wohnungseigentumsrechtlichen Kom-
petenzregelungen durchaus schmerzhafte (Haftungs-)Folgen ha-
ben kann.
1. Die wohnungseigentumsrechtliche Kompetenzverteilung bei
Instandsetzungen
Aus den Regelungen der § 21 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG i.V.m.
§ 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG folgt, dass der Verwalter nicht der gesetzli-
che Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft ist und daher zur
Vornahme von Rechtsgeschäften für die Gemeinschaft stets einer ge-
setzlichen oder rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung bedarf. Da sich
in den seltensten Fällen eine sachlich und betraglich unbeschränkte Be-
fugnis des Verwalters zur eigenständigen Vergabe von Instandsetzungs-
maßnahmen aus den Regelungen der Gemeinschaftsordnung ergibt,
muss sich der Verwalter also auch in dringenden Fällen grundsätzlich
durch Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung,
gegebenenfalls mit abgekürzter Ladungsfrist, eine Legitimation durch
Beschluss verschaffen.
2. Keine Herleitung gesetzlicher Instandsetzungskompetenzen
Dabei werden beim hier angesprochenen Praxisfall sämtliche Versuche,
eine gesetzliche Handlungskompetenz und Vertretungsmacht des Ver-
walters auch ohne ermächtigenden Eigentümerbeschluss zu konstruie-
ren, fehlschlagen.
Ein typischer Fall aus der Verwalterpraxis
Verwalter V beauftragt mit Beschluss der Eigentümerversammlung
den Bauunternehmer B mit der Abdichtung der durchfeuchteten
Kelleraußenwand.
Während der Arbeiten teilt B mit, dass, was zutrifft, die Draina-
ge des Objekts zu erneuern sei, was die Maßnahme allerdings um
8.000 EUR verteuert.
Da V wegen der unsicheren Wetterverhältnisse Eile geboten sieht,
erteilt er dem B mit Zustimmung des ihn zu raschem Handeln drän-
genden Verwaltungsbeirats den Zusatzauftrag und bezahlt die Rech-
nung vom Verwaltungskonto.
Später nimmt die WEG den V in Regress.
Recht
a) Keine Instandsetzungskompetenz aus §§ 27 Abs. 1 Nr. 2,
27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG
§ 27 Abs. 1 WEG, wonach der Verwalter die für die Instandsetzung des
Gemeinschaftseigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, re-
gelt lediglich die Aufgaben des Verwalters im Innenverhältnis und ver-
leiht weder die Befugnis, noch im Außenverhältnis Vertretungsmacht
zum Abschluss von Rechtsgeschäften namens der WEG (vgl. BGH, Ur-
teil v. 18.2.2011, V ZR 197/10; LG Düsseldorf, Urteil v. 2.10.2013, 25 S
53/13).
Die in § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG enthaltene gesetzliche Vertretungs-
macht umfasst allenfalls die eigenständige Veranlassung laufender
geringfügiger Maßnahmen, nicht aber solcher, die wesentlich, insbe-
sondere außerordentlich sind (vgl. Bärmann/Mer-le/Becker, WEG, 13.
Aufl. 2015, § 27 Rn. 214 ff.; Jennißen/Heinemann, WEG, 5. Aufl. 2017,
§ 27 Rn. 5 ff.).
b) Keine Instandsetzungskompetenz aus §§ 27 Abs. 1 Nr. 2,
27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG
Die sog. Notfallkompetenz des Verwalters ermächtigt diesen nur zur
Beseitigung einer akuten Gefahrenlage oder zur Verhinderung von Fol-
geschäden, nicht aber zur dauerhaften Behebung der Gefahren- oder
Schadensursache (vgl. BGH, Urteil v. 25.9.2015, V ZR 246/14; LG Mün-
chen I, Urteil v. 5.8.2010, 36 S 19282/09; Bärmann/Merle/Becker,
WEG, 13. Aufl. 2015, § 27 Rn. 69).
3. Keine Berufung auf die Zustimmung durch den
Verwaltungsbeirat
Dem Verwaltungsbeirat als rein fakultativem Organ der Wohnungsei-
gentümergemeinschaft kommen gem. § 29 WEG mangels besonderer
Ermächtigung durch Beschluss oder Vereinbarung keinerlei Weisungs-
rechte gegenüber dem Verwalter, sonstige Entscheidungsbefugnisse
oder ein Vertretungsrecht für die Gemeinschaft zu.
Der Verwalter kann sich deshalb auf erteilte „Weisungen“ oder „Zu-
stimmungen“ des Beirats nicht berufen; diese können der Wohnungsei-
gentümergemeinschaft nicht zugerechnet werden (vgl. OLG Düsseldorf,
Beschluss v. 17.7.2006, 3 Wx 241/05; LG München I, Urteil v. 7.4.2014,
1 S 19002/11).
4. Keine Herleitung vertraglicher Instandsetzungskompetenzen
Regelmäßig wird es dem Verwalter auch nicht gelingen, sich auf eine
verwaltervertragliche Ermächtigung zur Veranlassung von Instandset-
zungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu berufen.
Da die Wohnungseigentümergemeinschaft Verbraucherschutz genießt,
ist eine Delegation der Entscheidungskompetenz für Maßnahmen der
Instandhaltung und Instandsetzung auf den Verwalter (sowie den
Beirat) gem. §§ 305, 307, 305c BGB als unbillig benachteiligende, in-
transparente sowie überraschende Klausel im Rahmen eines formular-
mäßigen Verwaltervertrags unwirksam, da sie die gesetzliche Kompe-
tenzverteilung umgeht und ein unkalkulierbares finanzielles Risiko für
die Gemeinschaft enthält (vgl. BGH, Urteil v. 25.3.2015, VIII ZR 243/13;
OLG München, Beschluss v. 20.3.2008, 34 Wx 46/07; OLG Düsseldorf,
Beschluss v. 30.7.1997, 3 Wx 61/97).
Abgesehen davon wird von der neueren Rechtsprechung und Literatur
die Auffassung vertreten, dass im Rahmen des Verwaltervertrags der
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Typische Verwaltervertragsklausel
Der Verwalter ist berechtigt, insbesondere dringliche Maßnahmen
der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Ei-
gentums auf Kosten der WEG im Einvernehmen mit dem Beirat auch
ohne Beschluss zu vergeben, sofern das Auftragsvolumen im Einzel-
fall 8.000 EUR brutto nicht übersteigt.