Der Verwalterbrief 6/2017 - page 11

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Deckert/Elzer kompakt
hausteil eingeräumt. Die übrigen Wohnungs-
eigentümer seien vom Gebrauch des gemein-
schaftlichen Eigentums – dem Personenaufzug
und der Fläche, auf der er errichtet werde
– ausgeschlossen.
Ist es so, kollidiert die Rechtsprechung des
BGH, dass ein Sondernutzungsrecht nur ver-
einbart, aber nicht beschlossen werden dann,
mit dem Gesetz. Denn das Gesetz bejaht für
bauliche Veränderungen eine Beschlusskom-
petenz. Der BGH löst diese Konkurrenz – aus
meiner Sicht überraschend – zugunsten seiner
eigenen Rechtsprechung auf. Denkt man wie
der BGH, kann bei einer Modernisierung nichts
anderes gelten.
6. Mietrecht: Anspruch auf
Barrierefreiheit (§ 554a BGB)
Der BGH hat erwogen, ob im Wohnungseigen-
tumsrecht die mietrechtliche Vorschrift des §
554a Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar ist.
Nach dieser Norm kann ein Mieter unter näher
geregelten Voraussetzungen die Zustimmung
des Vermieters zur Vornahme einer die Barri-
erefreiheit sichernden baulichen Veränderung
der Mietsache verlangen.
Diese Analogie hat der BGH abgelehnt. Eine
analoge Anwendung des § 554a Abs. 1 BGB
auf Wohnungseigentümer verbiete sich schon
deshalb, weil es an einer planwidrigen Rege-
lungslücke fehle. Der Gesetzgeber habe bei
der WEG-Reform 2007 ausführlich begründet,
warum er die Aufnahme einer besonderen Re-
gelung zur Barrierefreiheit in das Wohnungsei-
gentumsgesetz als entbehrlich ansah.
7. WEG-Reform
Der Bundesrat hat ein Gesetz zur Änderung
des WEG und des BGB zur Förderung der Barri-
erefreiheit und Elektromobilität vorgelegt (BT-
Drucks. 18/10256; dazu etwa Häublein, Berli-
ner Anwaltsblatt 2016, S. 334 und Happ, DWE
2016, S. 136, 140). Ziel des Gesetzentwurfs ist
u. a. eine Anpassung im Wohnungseigentums-
recht, damit Menschen mit Behinderungen
und ältere Menschen in ihrem Alltag nicht auf
unzumutbare Barrieren in ihren Wohnhäusern
treffen. Dieser Entwurf wird in 2017 nicht mehr
umgesetzt werden. Es bleibt aber die Entwick-
lung abzuwarten. Denn der jetzige – vom BGH
„zementierte“ – Zustand ist unbefriedigend.
8. Verhaltensempfehlungen an Verwalter
!
Weiterführende Informationen:
Anspruch auf bauliche Veränderung
2711857
Bauliche Veränderung (FAQs)
1519452
WEG-Rechtsprechung
kompakt
Baurechtswidriger Balkon ist auf Kosten
der Gemeinschaft zu entfernen
(AG Langenfeld, Urteil v. 23.11.2016, 64 C 49/14)
Der Abriss einer vor Aufteilung errichteten bau-
rechtswidrigen Balkonanlage stellt keine Maß-
nahme der Instandhaltung und Instandsetzung
dar, sondern eine solche der Herstellung eines
dem öffentlichen Baurecht entsprechenden
Zustands der Wohnanlage. Die Verpflichtung
trifft daher sämtliche Wohnungseigentümer in
der Gemeinschaft.
!
Weiterführende Informationen:
Instandhaltung und Instandsetzung (WEG)
636749
Errichtung eines zweiten Rettungswegs
stellt keine Instandsetzung nach
§ 16 Abs. 4 WEG dar
(AG Langenfeld, Urteil v. 23.11.2016, 64 C 23/16)
Die Errichtung eines zweiten Rettungswegs
im Bereich des Sondereigentums eines Woh-
nungseigentümers durch Einbau eines Fens-
ters aufgrund behördlicher Anordnung stellt
eine Maßnahme zur Fertigstellung des Baus
im Rahmen der Ersterstellung dar. Bei einer
solchen nach öffentlich-rechtlichen Vorschrif-
ten erforderlichen Maßnahme und deren Kos-
ten handelt es sich nicht um eine Instandset-
zung im Sinne des § 16 Abs. 4 WEG.
!
Weiterführende Informationen:
Instandhaltung und Instandsetzung (WEG)
636749
Fluchtweg
636526
Kostenverteilung: Bauliche Veränderung
2711902
Keine Modernisierung nach § 22 Abs. 2
WEG, wenn Maßnahme nur einer oder
einigen Einheiten zugutekommt
(LG Frankfurt/Main, Urteil v. 13.1.2017, 2-13
S 186/14)
Eine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchs-
werts bzw. eine Verbesserung der allgemei-
nen Wohnverhältnisse i. S. d. § 22 Abs. 2 Satz
1 WEG i. V. m. § 555b BGB muss sich stets
auf die gesamte Wohnungseigentumsanlage
beziehen. Für eine optische Beeinträchtigung
nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG kommt es nicht
darauf an, dass eine Wahrnehmbarkeit von der
Wohnung des nicht zustimmenden Wohnungs-
eigentümers aus besteht.
!
Weiterführende Informationen:
Bauliche Veränderung: Anspruch auf
2711857
Modernisierung (WEG)
1717904
Die Sichtweise des BGH führt nicht dazu,
dass man einem Sondernutzungsberech-
tigten einer Terrassen- und Gartenfläche
nicht die Errichtung eines Wintergartens
genehmigen könnte – hat er doch an der
entsprechenden Fläche bereits ein Allein-
gebrauchsrecht (gegebenenfalls überse-
hen von Dötsch, jurisPR-MietR 9/2017).
HINWEIS: WINTERGARTEN AUF TERRASSEN-
ODER GARTENFLÄCHE
Hat ein Wohnungseigentümer sein Sonderei-
gentum vermietet, muss der Mieter seinen
Anspruch aus § 554a Abs. 1 BGB gegenüber
seinem Vermieter durchsetzen. Der muss
dann die Rechte seines Mieters gegen die
anderen Wohnungseigentümer durchsetzen.
Reichten die Rechte des Mieters gegenüber
dem Vermieter weiter als die des Vermieters
gegenüber den anderen Wohnungseigentü-
mern, hat der Mieter das Nachsehen (siehe
auch Riecke, IMR 2017, S. 146).
HINWEIS: VERMIETETES WOHNUNGSEIGENTUM
1. Ein Wohnungseigentümer kann einen
Anspruch auf eine bauliche Veränderung
haben. Der Verwalter sollte die Fälle ken-
nen, die als grundsätzlich geklärt gelten
können. Er sollte auch wissen, welche
Punkte miteinander abzuwägen sind.
2. Ferner sollte jeder Verwalter wissen,
dass ein Wohnungseigentümer in aller
Regel keinen Anspruch auf den Einbau
eines Personenaufzugs hat.
3. Jeder Verwalter sollte auch wissen,
dass ein Wohnungseigentümer keinen
Anspruch auf eine Modernisierung hat.
Eine solche kann also nicht verlangt,
indes mit den notwendigen Stimmen
beschlossen werden.
4. Ist eine bauliche Veränderung damit
verbunden, dem bauwilligen Wohnungs-
eigentümer an einem Bauteil des ge-
meinschaftlichen Eigentums ein Allein-
gebrauchsrecht einzuräumen, ist der
Beschluss ungeachtet des § 22 Abs. 1 WEG
mangels Beschlusskompetenz nichtig.
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