Der Verwalter-Brief 5/2016 - page 9

Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Jahrhundertentscheidung des BGH aus
dem Jahr 2000 sorgt noch immer dafür, dass
bedenkliche Erstattungsbeschlüsse gefasst
werden, um im Nachhinein aus gutgemeinter
Solidarität für „ausgleichende Gerechtigkeit“ zu
sorgen. Wie das besprochene Urteil zeigt, kann
dies gründlich schiefgehen. Vorliegend hatten
die Eigentümer 1984 beschlossen, dass die
Instandhaltung von Fenstern und Balkontüren
immer zu Lasten des jeweiligen Eigentümers
gehen sollten. So geschah es dann auch jahr-
zehntelang. In 2013 kam dann der Erstattungs-
beschluss, der für Gerechtigkeit sorgen sollte.
Die Eigentümer beschlossen mehrheitlich, dass
die Gemeinschaft den Eigentümern, die auf
eigene Kosten die Fenster ausgetauscht hatten,
diese Kosten anteilig erstatten. Das Gericht
vertrat die Ansicht, dass die Globalität und die
Großzügigkeit in der Quote, mit der hier die Er-
stattung gewährt werden sollte, als nicht mehr
ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend
anzusehen sein. Dies zeigt, dass von solchen
und ähnlichen pauschalierten Ausgleichsbe-
schlüssen jedenfalls heute aus meiner Sicht
möglichst Abstand genommen werden sollte.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Kostenerstattung für Fensteraustausch
hat Grenzen
Entscheidung
des Monats
Kostenerstattung für Fenster-
austausch hat Grenzen
Eigentümern, die aufgrund eines (nich-
tigen) Beschlusses auf eigene Kosten
Fenster ausgetauscht haben, darf die
WEG grundsätzlich Kosten erstatten.
Eine nahezu vollständige Erstattung
nach fast 30 Jahren geht aber zu weit.
(AG Offenbach, Urteil v. 16.11.2015,
310 C 93/13)
Der Fall:
Eine Wohnungseigentümerin wendet sich
gegen einen Beschluss über die Erstattung
von Kosten für den Austausch von Fenstern.
Im Jahr 1984 hatten die Eigentümer be-
schlossen, dass die Instandhaltungen von
Fenstern und Balkontüren immer zu Lasten
des jeweiligen Eigentümers gehen sollten.
Daran haben sich die Eigentümer auch ge-
halten und nach und nach die Fenster und
Türen in fast allen Wohnungen ausgetauscht,
jeweils auf eigene Kosten. Die letzten Arbei-
ten wurden 2011 durchgeführt.
Im April 2013 beschlossen die Eigentümer
mehrheitlich, dass die Gemeinschaft den Ei-
gentümern, die auf eigene Kosten Fenster
ausgetauscht hatten, diese Kosten anteilig
erstattet. Dabei wurde berücksichtigt, dass
Eigentümer oft keine Belege mehr besitzen
und die vor längerer Zeit aufgewendeten
Kosten deshalb nicht mehr beziffern kön-
nen. Zur Berechnung des Ausgleichs hat der
Verwalter deshalb bei einem Fensterbauer
einen Kostenvoranschlag für den Austausch
der jeweiligen Fenster eingeholt.
Die Erstattungsbeträge wurden laut Be-
schluss zeitlich gestaffelt:
Austausch ab 2008: Vollständige Erstattung
der Kosten, Austausch zwischen 2007 und
2003: 95 Prozent Erstattung, Austausch zwi-
schen 2002 und 1998: 90 Prozent Erstattung,
Austausch vor 1998: 85 Prozent Erstattung.
Das Problem:
Das AG Offenbach hatte zu entscheiden, ob
und inwieweit die Erstattung von Aufwen-
dungen, die Eigentümer im Vertrauen auf
einen (nichtigen) Beschluss getätigt haben,
durch die Gemeinschaft ordnungsgemäßer
Verwaltung entspricht.
So hat das AG Offenbach entschieden:
Der Beschluss über die Erstattung der Kosten
für den Fensteraustausch widerspricht ord-
nungsgemäßer Verwaltung.
Da die Fenster zum Gemeinschaftseigen-
tum gehören, ist der Beschluss aus dem
Jahr 1984, der die Eigentümer jeweils selbst
zum Austausch der Fenster in ihrer Wohnung
verpflichtet, nichtig, sodass der Fensteraus-
tausch Sache der Gemeinschaft gewesen
wäre. Grundsätzlich sei nicht zu beanstan-
den, wenn die Gemeinschaft den Eigentü-
mern Kosten erstattet.
Zu beanstanden ist allerdings, dass es hier
keinerlei Grenzziehung für die Erstattungs-
fähigkeit in die Vergangenheit hinein gibt.
Ausschlaggebend für eine Grenze kann zwar
nicht die gesetzliche Verjährungsfrist von 3
Jahren sein, denn in dieser Zeit stellt be-
reits das Gesetz einen Erstattungsanspruch
zur Verfügung, sodass es einer gesonderten
Beschlussfassung nicht bedarf. Es erscheint
aber nicht gerechtfertigt, die Kosten auch
dann zu erstatten, wenn der Fensteraus-
tausch bei Beschlussfassung fast 30 Jahre
zurückliegt und wenn dann auch noch ein
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12
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