Der Verwalter-Brief 12-1/2016-2017 - page 9

Deckert/Elzer kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Versammlungsleitung: Unterbrechung
der Versammlung
Entscheidung
des Monats
Versammlungsleitung: Unter-
brechung der Versammlung
Der Verwalter hat zwar ein Ermessen,
die Versammlung vorübergehend zu
unterbrechen. Die Unterbrechung für
ein Mandantengespräch zwischen den
von einer Anfechtungsklage betroffe-
nen Wohnungseigentümern und ihrem
Prozessbevollmächtigten ist aber nur
bei Vorliegen besonderer Umstände
ermessensfehlerfrei.
BGH, Urteil v. 8.7.2016, V ZR 261/15
Der Fall:
Im Jahre 2013 bestellen die Wohnungsei-
gentümer den Verwalter V. Wohnungsei-
gentümer K hält diesen Beschluss für nicht
ordnungsmäßig und greift ihn im Wege der
Anfechtungsklage an. Die Klage hat in erster
Instanz Erfolg. Das Amtsgericht erklärt den
Beschluss für ungültig. Diese Entscheidung
ist nicht rechtskräftig, da gegen sie Beru-
fung eingelegt worden ist.
Im März 2014 findet vor diesem Hintergrund
eine weitere Versammlung statt. Einer ihrer
Gegenstände ist die Frage, wie in diesem
Rechtsstreit weiter vorgegangen werden
soll, ein anderer, ob man V im Wege des
Zweitbeschlusses erneut bestellt. Zunächst
berichtet V als Versammlungsleiter über den
Stand des Rechtsstreits. Sodann ruft V den
Anwalt P in den Versammlungsraum. Anwalt
P, der im Rahmen der Anfechtungsklage des
K bis auf zwei sämtliche anderen Wohnungs-
eigentümer vertritt, soll eine Gelegenheit
haben, mit den von ihm vertretenen Woh-
nungseigentümern ein Mandantengespräch
zu führen. Da Anwalt P dieses Gespräch als
vertraulich ansieht, fordert er K und die bei-
den Wohnungseigentümer, die er nicht ver-
tritt, zum Verlassen des Versammlungsraums
auf. Daraufhin unterbricht V die Versammlung
und verlässt selbst den Raum. Auch K und
die beiden anderen Wohnungseigentümer
verlassen – allerdings unter Protest – den
Versammlungsraum. Im Anschluss an das
Mandantengespräch wird die Versammlung
in Anwesenheit der zuvor aus dem Raum ge-
schickten Wohnungseigentümer sowie des V
fortgeführt. Nach einer weiteren Diskussion
wird V als Verwalter erneut bestellt.
Auch gegen diesen Beschluss geht K im
Wege der Anfechtungsklage vor. Zur Begrün-
dung führt er an, V habe in der Vergangen-
heit seine Pflichten als Verwalter verletzt.
Das Amtsgericht weist die Klage ab. Im
Berufungsverfahren macht K aufgrund ei-
nes Hinweises des Landgerichts erstmals
als Beschlussmangel geltend, er sei zu Un-
recht von der Versammlung ausgeschlossen
worden. Das Landgericht weist die Berufung
dennoch zurück. Zwar sei der Beschluss for-
mell fehlerhaft. K‘s Mitwirkungsrechte und
die Mitwirkungsrechte der beiden anderen
Wohnungseigentümer seien in erheblicher
Weise verletzt worden, weil sie vom Willens-
bildungsprozess zur Wiederbestellung – ge-
tarnt als Unterbrechung zum Zwecke eines
Mandantengesprächs – ausgeschlossen wor-
den seien. Dieser Fehler sei aber nicht inner-
halb der Anfechtungsfrist gerügt worden und
könne daher nicht berücksichtigt werden. Die
Wiederbestellung widerspreche im Übrigen
aber nicht den Grundsätzen ordnungsmäßi-
ger Verwaltung. Und ein Nichtigkeitsgrund
liege trotz des „böswilligen Teilnahmeaus-
schlusses“ nicht vor. Mit der Revision verfolgt
K seinen Klageantrag weiter.
Liebe Leserin,
lieber Leser,
in der Regel leitet der Verwalter die Versamm-
lung der Wohnungseigentümer. Manchmal ist
unklar, ob und wann er einen Rechtsanwalt in
die Versammlung bitten kann und was dann
gilt. In der Entscheidung, die ich Ihnen dieses
Mal vorstellen möchte, ging es um genau
diese Fragen. Die Besonderheit lag darin, dass
der Rechtsanwalt im Rahmen einer Anfech-
tungsklage nur einige Wohnungseigentümer
vertrat und allein mit diesen beraten wollte.
Da bei diesen Punkten, bei denen es natürlich
auch um Taktik geht, der klagende Wohnungs-
eigentümer nur stören würde, unterbrach der
Verwalter die Versammlung, damit sich der
Rechtsanwalt und die beklagten Wohnungs-
eigentümer ungestört unterhalten konnten.
Der Bundesgerichtshof musste beantworten,
ob die Unterbrechung zu diesem Zweck ord-
nungsmäßiger Verwaltung entsprach. Seine
Antwort und seine Überlegungen sollte jeder
Verwalter kennen und sofort in seine Praxis
umsetzen.
Herzlichst
Ihr
Dr. Oliver Elzer
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