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Deckert/Elzer kompakt
bar. Eine nicht ordnungsmäßige Versamm-
lungsleitung kann sich aber auf die in der
Versammlung gefassten Beschlüsse gleichsam
„niederschlagen“ und zu einer erfolgreichen
Anfechtung führen – mit der Folge, dass regel-
mäßig der Verwalter die Kosten des Rechts-
streits zu tragen hat.
Im Fall wäre es aller Voraussicht nach so ge-
kommen – hätte der klagende Wohnungsei-
gentümer den Anfechtungsgrund „fehlerhaf-
te Versammlungsleitung“ nur rechtzeitig in
den Prozess eingeführt. Allein hierin liegt der
Grund, warum der Verwalter nochmal mit ei-
nem „blauen Auge“ davongekommen ist.
6. Verhaltensempfehlungen an Verwalter
a) Jeder Verwalter muss sich bewusst sein,
dass er im Zusammenhang mit der Versamm-
lung bei einer ganzen Reihe von Punkten ein
Ermessen hat, wenn die Wohnungseigentü-
mer nichts anderes bestimmen. Dies betrifft
u.a. folgende Punkte:
An welchem Tag und zu welcher Uhrzeit ist
zur Versammlung zu laden?
An welchen Ort und in welche Versamm-
lungsstätte ist zu laden?
Wann sollten die Wohnungseigentümer ge-
laden werden?
Welche Gegenstände sollte die Versamm-
lung haben?
Wie sind die Gegenstände im Einladungs-
schreiben zu bezeichnen?
Sind dem Einladungsschreiben Unterlagen
beizufügen?
Welche Form wird für das Einladungsschrei-
ben gewählt?
b) Für eine Versammlungsleitung, die einer
ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht und
ermessensfehlerfrei ist, muss der Verwalter
u.a. darauf achten,
dass die Versammlung formell eröffnet, or-
dentlich durchgeführt, gegebenenfalls – das
ist der Gegenstand der in diesem Monat vor-
gestellten Entscheidung – zeitweise unterbro-
chen und formell wieder geschlossen wird;
dass die Teilnahme- und Stimmberechtigun-
gen jedes Einzelnen geprüft werden;
dass für jede Beschlussfassung über einen
Beschlussantrag die Beschlussfähigkeit der
Versammlung geprüft wird;
dass alle Sachen erschöpfend erörtert und
diskutiert werden (Diskussionsleitung); hier-
zu gehören etwa die Erteilung des Wortes,
der Aufruf der Redner etc.;
dass die einzelnen Tagesordnungspunkte
– grundsätzlich nach ihrer durch die Einla-
dung bestimmten Reihenfolge – ohne Un-
terbrechung zur Beschlussfassung gebracht
werden. Ein neuer Tagesordnungspunkt
kann erst aufgerufen werden, wenn der
vorhergehende Punkt erledigt ist. Das Wie-
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deraufgreifen eines bereits erledigten Ta-
gesordnungspunktes ist nur zulässig, wenn
die Entscheidung über die Neuabstimmung
die – gesetzlichen und satzungsmäßigen
– Verfahrensvorgaben einhält und die Zweit-
abstimmung die Rechte der Wohnungsei-
gentümer auf gleichberechtigte Teilhabe an
der Willensbildung wahrt;
dass, vorbehaltlich einer anderweitigen ver-
einbarten oder jederzeit beschließbaren Re-
gelung, die jeweils Berechtigten grundsätz-
lich ein angemessenes Rederecht erhalten;
dass Beschlussanträge von ihm selbst, aber
auch von Dritten, hinreichend „bestimmt“
und sachgerecht formuliert werden;
dass über sämtliche Beschlussgegenstände
durch ein geeignetes Verfahren abgestimmt
wird (Abstimmungsmodus);
dass die Zahl der zu einem Beschlussantrag
abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen sowie
der Stimmenthaltungen sowie die Abstim-
mungsergebnisse festgestellt und verkün-
det werden; im Einzelfall hat er die Stimm-
abgaben namentlich zuzuordnen und zu
dokumentieren;
dass die Ordnung auf der Versammlung auf-
rechterhalten bleibt.
c) Soweit der Verwalter ein Ermessen hat,
muss er sämtliche Punkte, die miteinander in
Abwägung zu bringen sind, ermitteln und in
ein angemessenes Verhältnis stellen.
d) Um sich nicht angreifbar zu machen, tut der
Verwalter gut daran, die Gründe, die für sein
Tun leitend waren, transparent zu machen. Ein
geeigneter Ort hierfür ist die Niederschrift.
e) Als Amtsinhaber muss der Verwalter die
Versammlung fair und neutral leiten, sämt-
lichen Wohnungseigentümern grundsätzlich
gleich begegnen und muss diese jeweils so-
weit wie möglich „respektvoll“ behandeln.
!
Weiterführende Informationen:
Durchführung der Eigentümerversammlung
(Checkliste)
2561818
WEG-Rechtsprechung
kompakt
Eigentümerversammlung: Lediglich
begrenztes Anwesenheitsrecht eines
Nichteigentümer-Beirats
(AG Idstein, Urteil v. 9.7.2015, 32 C 7/15)
Dem Verwaltungsbeirat, der nicht Wohnungs-
eigentümer ist, steht im Rahmen der Woh-
nungseigentümerversammlung nur ein be-
grenztes Teilnahmerecht zu, nämlich soweit
sein spezifischer Aufgabenbereich im Hinblick
auf Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung be-
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troffen ist. Nimmt er über diesen Bereich an
der Versammlung teil, sind die dann gefassten
Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen den
Grundsatz der Nichtöffentlichkeit anfechtbar.
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Weiterführende Informationen:
Eigentümerversammlung: Durchführung der
Versammlung
HI2659769
Nichtöffentlichkeit
HI636911
Teilung kann auch erfolgen, wenn die
gemeinschaftliche Heizung in einer
Sondereigentumseinheit installiert ist
(OLG Bremen, Beschluss v. 28.4.2016,
3 W 28/15)
Der Teilung eines Grundstücks in zwei Wohnein-
heiten steht nicht § 5 WEG entgegen, wenn in
dem Raum, der nach dem Aufteilungsplan ein
im Sondereigentum stehendes Badezimmer
ist, zugleich die gemeinschaftliche Heizungs-
anlage untergebracht ist. Den schutzwürdigen
Belangen der anderen Sondereigentümer wird
durch die Gestattungspflicht in § 14 Nr. 4 WEG
Rechnung getragen. Diese kann durch Verein-
barung oder in der Teilungserklärung erweitert
werden.
!
Weiterführende Informationen:
Begründung des Wohnungseigentums
HI636274
Allgemeinstromversorgung eines
Kabelanschlusses
(AG Recklinghausen, Urteil v. 5.4.2016,
90 C 74/15)
Ein Begehren auf Abtrennen einer Kabelemp-
fangsanlage vom Allgemeinstrom kann auch
dann treuwidrig sein, wenn lediglich eine
Wohnung durch die Kabelempfangsanlage
versorgt wird.
!
Weiterführende Informationen:
Kabelanschluss im Wohnungseigentum
HI1114403
Antenne (WEG)
HI636176
Beseitigungsansprüche: Nur „An-
sich-Ziehen“ beschließen und keine
Vollrechtsabtretung
(AG Ratingen, Beschluss v. 2.3.2016,
8 C 294/15)
Ein Beschluss, wonach die individuellen An-
sprüche der einzelnen Wohnungseigentümer
gegenüber einem Wohnungseigentümer etwa
auf Rückbau einer baulichen Veränderung auf
die Wohnungseigentümergemeinschaft über-
tragen werden, ist nichtig.