Der Verwalter-Brief 7-8/2015 - page 9

Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Verwalterbestellung
ohne Alternativangebote
Entscheidung
des Monats
Verwalterbestellung ohne Alter-
nativangebote
Auch vor der erstmaligen Bestellung
eines Verwalters müssen mehrere
Angebote eingeholt werden. Wurde der
Verwalter ohne Vorlage von Alterna-
tivangeboten bestellt, widerspricht der
Bestellungsbeschluss ordnungsgemä-
ßer Verwaltung.
(LG Frankfurt/Main, Urteil v. 7.1.2015,
2-09 S 45/14)
Der Fall:
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft,
in der bislang kein Verwalter bestellt war,
hatte eine Wohnungseigentümerin eine
Eigentümerversammlung einberufen, um
einen Verwalter zu bestellen. Das Angebot
eines Verwalters hatte sie eingeholt. In der
Einladung forderte sie die Miteigentümer
auf, gegebenenfalls Alternativangebote vor-
zulegen.
In der Versammlung bestellten die Eigen-
tümer auf Grundlage des einzigen vorlie-
genden Angebots einen Verwalter, ohne
dass Alternativangebote eingeholt worden
waren. Ein Wohnungseigentümer hat den
Bestellungsbeschluss angefochten.
Das Problem:
Das LG Frankfurt/Main hatte zu entscheiden,
ob es bei der erstmaligen Bestellung eines
Verwalters der Einholung mehrerer Angebo-
te bedarf.
So hat das LG Frankfurt/Main entschieden:
Die Anfechtungsklage hat Erfolg. Die Wahl
des Verwalters entsprach bereits deshalb
nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil
die Wohnungseigentümer darauf verzichtet
haben, Alternativangebote anderer Verwal-
ter einzuholen. Damit haben sie ihren Be-
urteilungsspielraum überschritten, weil sie
ihre Auswahlentscheidung auf einer unzu-
reichenden Tatsachengrundlage vorgenom-
men haben.
Vor der erstmaligen Bestellung eines Ver-
walters müssen Alternativangebote einge-
holt und diese an die Wohnungseigentümer
übersandt werden. Denn nur dadurch kann
den Eigentümern aufgezeigt werden, wel-
che Unterschiede zwischen den Angeboten
bestehen, und woran sie bei rein rechneri-
scher Betrachtung mit den verschiedenen
Verwaltern sind. Außerdem treten Schwä-
chen in der Leistungsbeschreibung nur durch
die Einholung von Alternativangeboten zu-
tage. Erst durch deren Vorlage können die
Wohnungseigentümer eine sachgerechte
Entscheidung zur Verwalterwahl treffen und
den ihnen insoweit zustehenden – weiten –
Beurteilungsspielraum sachgerecht ausüben.
Fehlt es hingegen wie hier an Alternativan-
geboten, erfolgt die Auswahlentscheidung
auf einer unzureichenden Tatsachengrundla-
ge, so dass die Wohnungseigentümer ihren
Beurteilungsspielraum überschritten haben.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die
Eigentümer aufgefordert worden waren,
Alternativangebote vorzulegen. Die rei-
ne Aufforderung genügt nicht, denn wenn
diese folgenlos bleibt, wird der Zweck der
Alternativangebote, Stärken und Schwächen
der Leistungsangebote aufzuzeigen, nicht
erreicht. Die Eigentümer hätten daher in der
Versammlung bestimmen müssen, wie eine
hinreichende Beurteilungsgrundlage für
Liebe Leserin, lieber Leser,
bei anstehenden Verwaltererst- bzw. Neube-
stellungen müssen nach h. M. und verfestigter
BGH-Rechtsprechung grundsätzlich mehrere
Kandidaten bzw. Alternativangebote den
Eigentümern rechtzeitig vor der Beschluss-
fassung zur Kenntnis und Diskussion gebracht
werden. Denn nur dann besteht auch Beurtei-
lungsspielraum, eine sachgerechte Entschei-
dung treffen zu können. Hierauf können die
Eigentümer auch nicht verzichten. Kleinstge-
meinschaften stehen dabei allerdings häufig
vor dem Problem, überhaupt auch nur einen
beruflich erfahrenen Fremdverwalter zu ange-
messenen Konditionen zu finden. Steht jetzt
auf Initiative eines engagierten Eigentümers
trotz intensiver Bemühungen nur ein Vertrags-
angebot zur Verfügung, stellt sich für mich die
Frage, ob es richtig sein kann, dass ein positi-
ver Beschluss bereits oder gar ausschließlich
aus formellen Gründen wegen fehlender
Alternativangebote für ungültig erklärt wird.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
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