Der Verwalter-Brief 11/2015 - page 9

Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Laden ist keine Gaststätte
Deckert erklärt
Laden ist keine Gaststätte
Eine Teileigentumseinheit, die laut
Teilungserklärung als Laden dient, darf
grundsätzlich nicht als Gaststätte ge-
nutzt werden.
(BGH, Urteil v. 10.7.2015, V ZR 169/14)
Der Fall:
Eine
Wohnungseigentümergemeinschaft
verlangt von der Eigentümerin einer Teilei-
gentumseinheit, eine in der Einheit befind-
liche Gaststätte nicht länger als 1 Uhr in der
Nacht geöffnet zu lassen. Die Anlage liegt
im Saarland. Dort müssen Läden an Werkta-
gen um 20 Uhr schließen, während Gaststät-
ten auch nachts geöffnet sein dürfen.
In der Einheit, die in der Teilungserklärung als
„Ladenraum“ bezeichnet wird, wird seit 1989
eine Gaststätte betrieben. Diese ist seit 2007
bis in die frühen Morgenstunden geöffnet.
Im Mai 2011 beschlossen die Eigentümer
bestandskräftig, dass „die derzeit vorhan-
denen Gaststätten und Restaurantbetriebe
bis 1 Uhr nachts geöffnet sein dürfen“. Die
Hausverwaltung wurde beauftragt und be-
vollmächtigt, dies gerichtlich durchzusetzen.
Die WEG will die Teileigentümerin verurtei-
len lassen, die Gaststätte nicht nach 1 Uhr
nachts zu betreiben und offen zu halten. Das
Landgericht war der Meinung, eventuelle
Unterlassungsansprüche seien verwirkt.
Das Problem:
Der BGH hatte darüber zu entscheiden, wel-
che rechtlichen Folgen sich aus der Duldung
einer Nutzung ergeben, die der Teilungser-
klärung widerspricht.
So hat der BGH entschieden:
Die Teileigentümerin darf die Gaststätte in
der Teileigentumseinheit nicht nach 1 Uhr
nachts geöffnet halten.
Selbst wenn Unterlassungsansprüche hin-
sichtlich der Nutzung als Gaststätte vor 1 Uhr
nachts wegen jahrzehntelanger Duldung ver-
wirkt sein sollten, ist die Eigentümerin nicht
so zu stellen, als diene ihre Teileigentumsein-
heit als Gaststätte, die bis in die Morgenstun-
den geöffnet sein darf. Die Verwirkung eines
Unterlassungsanspruchs wegen der zweck-
widrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit
schützt deren Eigentümer nämlich nur davor,
dass er das bislang geduldete Verhalten än-
dern oder aufgeben muss, vermittelt ihm
aber nicht die Rechtsposition, die er hätte,
wenn die Nutzung von der Teilungserklärung
gedeckt wäre. Insbesondere begründet eine
Verwirkung nicht das Recht, neue nachteilige
Veränderungen vorzunehmen.
Um neue, eigenständige Störungen geht
es hier, weil die Gaststätte vor 2007 nicht
in den Nachtstunden betrieben worden ist.
Die Ausweitung der Öffnungszeiten über 1
Uhr nachts hinaus begründet neue Unterlas-
sungsansprüche, die frühestens 2007 ent-
standen sind. Insoweit kommt Verwirkung
schon deshalb nicht in Betracht, weil es an
einer langjährigen Duldung fehlt.
Hinzu kommt, dass eine Teileigentumsein-
heit, die nach der Teilungserklärung als La-
den dient, grundsätzlich nicht als Gaststätte
genutzt werden darf. Zwar kann sich eine
nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlos-
sene Nutzung als zulässig erweisen, wenn
sie bei typisierender Betrachtungsweise
nicht mehr stört als die vorgesehene Nut-
zung. Davon kann hier schon deshalb keine
Rede sein, weil Läden nach saarländischem
Landesrecht – anders als Gaststätten – nachts
geschlossen sein müssen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Laden ist nun mal keine Gaststätte. Der
BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in
dem eine in der Teilungserklärung als „Laden“
bezeichnete Einheit seit 1989 als Gaststätte
betrieben wurde. Das ging auch solange gut,
bis im Jahre 2007 die Öffnungszeiten bis in
die frühen Morgenstunden verlängert wurden.
Hierauf fassten die Eigentümer 2011 den auch
unangefochten gebliebenen Beschluss, dass
die Gaststätte nur bis 1 Uhr nachts betrieben
werden darf und wollten das auch rechtlich
durchgesetzt wissen.
Der Teileigentümer wehrte sich u.a. mit dem
Einwand der Verwirkung. Immerhin war der
Betrieb der Gaststätte seit über 20 Jahren ge-
duldet worden. Diesen Einwand lässt der BGH
aber so nicht gelten. Er hebt darauf ab, dass
ja nicht die Nutzung als Gaststätte untersagt
werden solle, sondern nur die Ausweitung
der Öffnungszeiten. Darüber hinaus stellt der
BGH klar, dass selbst eine Verwirkung dem
Teileigentümer nicht dieselbe Rechtsposition
verschaffen könne, als wenn besagte Nutzung
von einer Vereinbarung oder Teilungserklärung
gedeckt wäre.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
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