Der Verwalter-Brief 11/2015 - page 10

10
Deckert kompakt
Schließlich ist die Teilungserklärung auch nicht
durch die Duldung der Nutzung als Gaststätte
stillschweigend dahingehend geändert worden,
dass die Einheit nunmehr als Gaststätte dient.
Das bedeutet für Sie:
1. Anfängliche Nutzungsregelungen in
der Teilungserklärung
Nutzungsregelungen, die in der Teilungser-
klärung als Inhalt des Sondereigentums fest-
geschrieben sind, können nachträglich grund-
sätzlich nur mit Zustimmung aller Eigentümer
geändert werden. Die Änderung bedarf der
Eintragung im Grundbuch, wenn insoweit Wir-
kung auch für und gegen Rechtsnachfolger
erreicht werden soll. Überdies stehen jegliche
individuell erwünschten Nutzungsänderungen
unter dem Vorbehalt etwa erforderlicher be-
hördlicher Genehmigung (bzw. entsprechen-
der Negativbescheide oder Dispense).
Räumlichkeiten, die in der Teilungserklärung
etwa als „Speicher/Spitzboden“, „Hobbyraum“,
„Keller“, „Lager“, „Praxis“, „Büro“ und eben
auch „Laden“ ausgewiesen sind, sind selbst
ohne gesetzlich klare Nutzungsdefinitionen
stets so zu nutzen, wie dies allgemein aner-
kannten Üblichkeiten entspricht. Bei anderen,
meist weitergehenden Nutzungen ist in ob-
jektiv-typisierender Betrachtungsweise darauf
abzustellen, ob eine konkrete Nutzung zu Be-
einträchtigungen anderer Eigentümer über ein
eventuell zu duldendes Maß hinaus führt oder
zumindest neuerliche Störungen erwarten lässt.
Allenfalls im Ausnahmefall können wirtschaftli-
che Aspekte (so etwa eine bisher längerfristige
Unvermietbarkeit einer einschränkend zweck-
bestimmten Einheit) eine Rolle spielen.
Ist im Einheits-Kurzbeschrieb nach formeller
Teilungserklärung allerdings allgemeiner von
„Gewerberäumlichkeiten“ oder „Geschäftsräu-
men“ die Rede, muss grundsätzlich auch eine
weitergehende Nutzung eines solchen Teilei-
gentums - wie etwa eine übliche berufliche
Nutzung - akzeptiert werden, im Regelfall je-
doch nicht eine Wohnungsnutzung. Auch eine
Gemeinschaftsordnung als Bestandteil der
Teilungserklärung kann einem Teileigentümer
solche weitergehenden Nutzungsmöglichkei-
ten über einen formellen Beschrieb hinaus
eröffnen.
Demgegenüber stellen Eintragungen zum
Nutzungszweck in einem Aufteilungsplan im
Regelfall keine allgemeinverbindliche Zweck-
bestimmung dar. Ein Aufteilungsplan dient
nur in zeichnerischer Form der eindeutigen
sachenrechtlichen Bestimmung von Sonder-
und Gemeinschaftseigentum einschließlich
der Abgrenzung dieser Elemente zueinander.
Von gewollter Vereinbarungsform könnte al-
lenfalls bei Bezeichnung von Räumlichkeiten
des Gemeinschaftseigentums im Plan aus-
gegangen werden, wenn also dort z. B. von
„Heizzentrale“, „Wasch- oder Trockenraum“,
„Fahrradabstellraum“ usw. die Rede ist.
2. Zweckbestimmung eines Laden-
Teileigentums und behördliche
Ladenschlusszeiten
Wird nun entgegen anfänglicher Zweckbestim-
mung ein in der Teilungserklärung als „Laden“
zweckbestimmtes Teileigentum als Restaurant
mit Öffnungszeiten bis in die Nacht hinein ge-
nutzt, sollten die restlichen Eigentümer bzw.
die Gemeinschaft unter Hinweis auf die damit
gegebenen vermehrten Störungen gegen-
über eingeschränkter Ladennutzung möglichst
rasch opponieren. Ein „Laden“ kann grundsätz-
lich nur im Sinne eines Einzelhandelsgeschäfts
mit üblichem Kundenverkehr genutzt werden,
überdies unter Berücksichtigung der üblichen
örtlich geltenden Ladenschlusszeiten – also
nicht auch als Gaststätte.
Die Ladenschlusszeiten wurden allerdings in
den letzten Jahren liberalisiert. Ob für die woh-
nungseigentumsrechtlich zulässige Nutzung
auf den Zeitpunkt der Rechtslage bei der Be-
gründung von Wohnungseigentum/Teileigen-
tum abzustellen ist oder auf das aktuell gel-
tende, liberalisierte Ladenschlussrecht, konnte
der BGH offen lassen. Die Gemeinschaft hatte
nämlich 2011 bestandskräftig in vertretbarer
großzügiger Weise dem Ladeneigentümer ge-
stattet, sein Ladeneigentum auch als Restau-
rant mit Öffnungszeit bis 1 Uhr nachts weiter-
führen zu dürfen. Lediglich eine Nutzung bis
in die frühen Morgenstunden (wie seit 2007
praktiziert) soll er nach dem Willen der ande-
ren Eigentümer unterlassen.
3. Verjährung und Verwirkung von
Unterlassungsansprüchen
Selbst wenn die vereinbarungswidrige Nutzung
eines Sonder- oder Teileigentums langjährig
geduldet wurde, kann sich der unberechtig-
te Nutzer nicht auf Verjährung des Unterlas-
sungsanspruchs berufen. Die widerrechtliche
Nutzung wiederholt sich nämlich stets, so dass
die Verjährung immer von neuem beginnt.
Der BGH musste sich allerdings vorliegend
auch mit der weit schwierigeren Frage einer
möglichen Verwirkung nach Grundsätzen von
Treu und Glauben beschäftigen. Insoweit sind
ein Zeit- und ein Umstandsmoment zu berück-
sichtigen.
Hier verneinte der BGH eine Verwirkung der
Unterlassungsansprüche mit der Argumenta-
tion, dass der beklagte Teileigentümer nicht
so zu stellen sei, als diene sein Teileigentum
(auch) als Gaststätte. Geschützt sei er nur hin-
sichtlich der zuletzt 2011 genehmigten Nut-
zungsduldung durch die restlichen Eigentümer,
nicht allerdings hinsichtlich neuer und qualitativ
eigenständiger Störungen seit 2007, also einer
Betriebsführung der Gaststätte bis in die frühen
Morgenstunden. Wohnungseigentumsrechtlich
ist also nach wie vor von allein gebotener La-
dennutzung auszugehen, wobei im Saarland
jedenfalls Läden (im Gegensatz zu Restaurants)
zur Nachtzeit geschlossen sein müssen.
Insgesamt lässt die Entscheidung des BGH die
Tendenz erkennen, Verwirkungseinwendun-
gen gegenüber Ansprüchen auf Nutzungs-
unterlassung in Fällen solcher und ähnlicher
störender Nutzungsausweitungen gegenüber
eindeutiger Zweckbestimmung von Sonderei-
gentum zu entkräften.
Ähnlich argumentierte auch die vorausgehen-
de Entscheidung vom 8.5.2015 (BGH, V ZR
178/14) im Falle jahrelang widerspruchslos
vermieteter Hobbyräume zu Wohnzwecken.
Bei anschließender Neuvermietung selbst zum
gleichbleibenden Wohnen sei von einer Zäsur
auszugehen, die einer Verwirkung entgegen-
stehe. Insoweit kann man auch anderer Auf-
fassung sein, blieb es dort doch auch bei glei-
cher, bisher geduldeter (Wohn-)Nutzung. Darf
also ein Teileigentümer nicht ebenfalls darauf
vertrauen, dass eine Gemeinschaft auch wei-
terhin eine gleichbleibende Nutzung (anders
als im Laden-/Gaststättenfall) tolerieren wer-
de, selbstverständlich unter dem Vorbehalt,
dass einer solchen Nutzung nicht öffentliches
Recht entgegensteht?
Es deutet sich in der Rechtsprechung des BGH
an, dass selbst nach jahrzehntelang wider-
spruchslos geduldeter vereinbarungswidriger
Nutzung von Teileigentum bei nachfolgen-
dem Mieterwechsel im Sinne sich ändernder
Geschäftsgrundlage vormals zu verneinende
(verwirkte) Unterlassungsansprüche „wieder-
aufleben“. Meines Erachtens müsste hier in
jedem Einzelfall darauf abgestellt werden, ob
die neue Nutzung gegenüber der bisherigen
zu vermehrten Störungen führt bzw. solche
neuen Störungen zumindest aller Wahrschein-
lichkeit nach zu erwarten sind.
Eine stillschweigende Duldung durch die rest-
lichen Eigentümer soll allerdings nach BGH
auch die Kenntnis einer rechtswidrigen bishe-
rigen Nutzung voraussetzen; von einer solchen
Kenntnis müsste m. E. bei allen Eigentümern
nach „mitgekaufter“ Teilungserklärung aus-
zugehen sein. Unterstellt man eine solche
Kenntnis, könnten auch Zeit- und Umstands-
moment für eine Verwirkung von späteren
Unterlassungsansprüchen sprechen.
Wäre von einer Anspruchsverwirkung aus-
zugehen, sollten auch Rechtsnachfolger im
Eigentum nicht neuerlich Rechte auf bereits
verwirkte Unterlassungsansprüche wieder-
erlangen, zumal sie bei Erwerb des Eigen-
tums von der tatsächlichen Nutzungssituation
Kenntnis besitzen dürften.
!
Weiterführende Informationen:
Unterlassungsansprüche
637307
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12
Powered by FlippingBook