Abschluss eines Darlehensvertrags:
Ordnungsmäßigkeit
Dr. Oliver Elzer, Berlin
Darf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Darle-
hensvertrag schließen und wenn ja, unter welchen Vorausset-
zungen? Diese Frage beschäftigt Verwalter und Gerichte seit
Jahren. Nachdem der BGH im Jahre 2012 bereits die Beschluss-
kompetenz für einen „Kreditbeschluss“ bejaht hatte, haben die
Bundesrichter nun Richtlinien für die Ordnungsmäßigkeit einer
Kreditaufnahme aufgestellt.
Das Problem
In einer Wohnungseigentumsanlage mit 201 Wohnungseigentums-
rechten beschließen die Wohnungseigentümer in 2013, die Fassade zu
dämmen. Die mit ca. 2 Mio. EUR veranschlagten Kosten sollen auf 2
Wegen aufgebracht werden: Zum einen durch einen Rückgriff auf die
Instandhaltungsrückstellung in Höhe von 0,9 Mio. EUR. Zum anderen soll
bei der KfW-Bank ein Förderkredit über 1.3 Mio. EUR zu einem Zinssatz
von 0,00 % und einer Laufzeit von 10 Jahren aufgenommen werden.
Gegen diesen Beschluss geht ein Wohnungseigentümer vor.
Die Entscheidung des BGH
Mit Erfolg! Die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits
könne
al-
lerdings ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Ob dies der Fall sei,
sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der
allseitigen Interessen zu bestimmen. Im Fall sei die Ordnungsmäßigkeit
des Beschlusses zu verneinen.
Das Wohnungseigentumsgesetz enthalte keine Anhaltspunkte, dass den
Wohnungseigentümern die Möglichkeit einer Kreditaufnahme „durch die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ nur in besonders gelagerten
Ausnahmefällen zu Gebote stehen solle. Allerdings müsste das beson-
dere Haftungsrisiko berücksichtigt werden. Gebe es Zahlungsausfälle bei
Wohnungseigentümern, müssten die daraus resultierenden Fehlbeträge
durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer
oder durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden. Eine solche Nach-
schusspflicht könne zwar auch entstehen, wenn ein Vorhaben durch
eine Sonderumlage finanziert werde und sich diese bei einzelnen Woh-
nungseigentümern als uneinbringlich erweise. Da eine Sonderumlage
von den aktuellen Wohnungseigentümern aufzubringen sei, werde aber
meist hinreichend sicher bekannt sein, ob mit einem Zahlungsausfall
zu rechnen sei; auch könne jedenfalls die Durchführung von Maßnah-
men, die Aufschub dulden, davon abhängig gemacht werden, dass die
beschlossene Sonderumlage von allen Wohnungseigentümern gezahlt
werde. Bei einem Darlehen lasse sich das Risiko des Ausfalls einzelner
Wohnungseigentümer dagegen
nur sehr begrenzt abschätzen
. Zu-
verlässige Prognosen über die Bonität der Wohnungseigentümer seien
schon wegen der meist langen Laufzeit des Darlehens nicht möglich;
darüber hinaus müsse stets damit gerechnet werden, dass es zu Eigen-
tümerwechseln in dieser Zeit komme. Angesichts dieses Haftungsrisikos
sei bei der Entscheidung über die Finanzierung einer Maßnahme durch
ein hohes langfristiges Darlehen
Zurückhaltung
geboten.
Ob ein Kreditbeschluss
ordnungsmäßiger
Verwaltung entspreche, las-
se sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des
Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der be-
troffenen Wohnungseigentümer feststellen. Dabei seien insbesondere
folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: Es komme wesentlich auf den
Zweck
des Darlehens an, wobei in erster Linie an Instandhaltungs- bzw.
Modernisierungsmaßnahmen zu denken sei. Je
dringlicher
eine Maß-
nahme sei, desto eher träten andere Nachteile einer Finanzierung durch
Darlehen bei der Abwägung zurück. Von Bedeutung sei ferner die Mög-
lichkeit, die notwendigen Mittel durch
Rückgriff auf die Instandhal-
tungsrücklage
und
Erhebung einer Sonderumlage
aufzubringen. In
diesem Zusammenhang seien den mit einer Darlehensaufnahme ein-
hergehenden Belastungen und Risiken die Vor- und Nachteile einer Fi-
nanzierung der Maßnahme mittels Sonderumlage gegenüber zu stellen.
Eine Darlehensfinanzierung werde insbesondere in Betracht kommen,
wenn die Erhebung einer Sonderumlage die einzelnen Wohnungseigen-
tümer finanziell stark belastete oder gar die Leistungsfähigkeit einkom-
mensschwächerer Wohnungseigentümer überfordere. Relevant seien
zudem die Höhe des Darlehensbetrages im Verhältnis zu der Anzahl
der Wohnungseigentümer, die Kreditkonditionen, die Laufzeit des Dar-
lehens und die Rückzahlungsbedingungen. Eine mehrheitlich beschlos-
sene Kreditaufnahme müsse allerdings nicht zwingend eine Option für
die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und
den auf sie entfallenden Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung
des Darlehensbetrages einzuzahlen.
Auch die
Beschlussfassung
müsse „gewissen Anforderungen“ genü-
gen. Der Beschluss müsse Angaben über die zu finanzierende Maßnah-
me, die Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes
bzw. des nicht zu überschreitenden Zinssatzes enthalten und erkennen
lassen, ob die Tilgungsraten so angelegt seien, dass der Kredit am Ende
der Laufzeit getilgt ist. Ferner müsse vor der Beschlussfassung wegen
des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzel-
ner Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende
Nach-
schusspflicht
der Wohnungseigentümer Gegenstand der Erörterung in
der Wohnungseigentümerversammlung gewesen sein. Dies sei in der
Niederschrift zu dokumentieren
. In
diesem
Punkt entspreche der
angegriffene Beschluss keiner ordnungsmäßigen Verwaltung. Denn der
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Verwalterthema
des Monats
„Die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Ge-
meinschaft der Wohnungseigentümer kann ordnungsmäßiger Ver-
waltung entsprechen.“
BGH, Urteil v. 25.9.2015, V ZR 244/14