Der Verwalter-Brief 3/2015 - page 9

Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Vergemeinschaftung versus
individuelle Rechtsverfolgung
Entscheidung
des Monats
Vergemeinschaftung versus
individuelle Rechtsverfolgung
Haben die Wohnungseigentümer
beschlossen, Ansprüche wegen der
Störung des Gemeinschaftseigentums
gemeinschaftlich durchzusetzen, kön-
nen einzelne Eigentümer ihre Rechte
insoweit nicht mehr individuell verfol-
gen.
(BGH, Urteil v. 5.12.2014, V ZR 5/14)
Der Fall:
In einer Wohnungseigentumsanlage wurde
in einer Wohnung gewerbliche Prostitution
ausgeübt. Um dem Einhalt zu gebieten, be-
schlossen die Eigentümer mehrheitlich:
„Die Wohnungseigentümer
beschließen,
dass die ihnen aus ihrem Eigentum zuste-
henden Beseitigungs- und Unterlassungsan-
sprüche wegen der gewerbsmäßigen Prosti-
tution im Objekt (…) gemeinschaftlich durch
den Verband (…) geltend gemacht werden
sollen. Die Verwaltung wird beauftragt, ei-
nen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen
Durchsetzung der Beseitigungs- und Unter-
lassungsansprüche (…) zu beauftragen.“
Im Anschluss wurden aber keine Maßnah-
men ergriffen. Nun verlangt ein einzelner
Eigentümer, dass es der Eigentümer der
betreffenden Wohnung unterlassen muss,
diese zur Ausübung der Prostitution zu nut-
zen. Er stützt seine Klage auf Störungen des
gemeinschaftlichen Eigentums durch den
bordellartigen Betrieb, namentlich Lärmbe-
lästigung und Verschmutzung von Treppen-
haus und Fluren.
Das Problem:
Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein ein-
zelner Eigentümer seine Unterlassungsan-
sprüche individuell durchsetzen kann, wenn
zuvor die Gemeinschaft beschlossen hat,
die Ansprüche gemeinschaftlich geltend zu
machen.
So hat der BGH entschieden:
Die Klage des Eigentümers ist unzulässig.
Aufgrund des gefassten Beschlusses ist
allein die Eigentümergemeinschaft dafür
zuständig, die Unterlassungsansprüche gel-
tend zu machen.
Wird das Gemeinschaftseigentum beein-
trächtigt, stehen darauf bezogene Besei-
tigungs- und Unterlassungsansprüche im
Grundsatz den einzelnen Wohnungseigentü-
mern zu und können durch diese vor Gericht
geltend gemacht werden. Dennoch sind
solche Ansprüche gemeinschaftsbezogen.
Deshalb können die Wohnungseigentümer
beschließen, dass die Ansprüche gemein-
schaftlich geltend gemacht werden sollen.
Hierdurch wird eine alleinige Zuständigkeit
der Gemeinschaft begründet, die die ein-
zelnen Wohnungseigentümer davon aus-
schließt, ihre Ansprüche individuell gericht-
lich geltend zu machen.
Ein entscheidender Gesichtspunkt ist inso-
weit, dass die Ausübungsbefugnis des Ver-
bandes dem Willen der Mehrheit entspricht.
Unterlassungsansprüche können auf unter-
schiedliche Weise durchgesetzt werden,
etwa indem – als milderes Mittel – nur die
Einhaltung bestimmter Auflagen verlangt
wird. Dem Verband obliegt es von der Be-
schlussfassung an, die mehrheitlich gewoll-
te Lösung durchzusetzen. Das schützt auch
den Schuldner davor, mehrfach und mögli-
cherweise mit unterschiedlicher Zielsetzung
in Anspruch genommen zu werden.
Liebe Leserin, lieber Leser,
wem steht die Befugnis zu, Abwehransprü-
che gegen einen Störer in der Gemeinschaft
gerichtlich geltend zu machen? Mit dieser
Frage hat sich der BGH in einem besonderen
Fall auseinandergesetzt. Nachdem die Ge-
meinschaft beschlossen hatte, einen Unter-
lassungsanspruch wegen störender Nutzung
eines Wohnungseigentums gemeinschaftlich
geltend zu machen - allerdings dann aber kei-
ne weiteren Maßnahmen ergriff -, klagte ein
einzelner Eigentümer. Ohne Erfolg, denn der
BGH sprach ihm schon die Klagebefugnis ab
mit der Begründung, dass mit dem Beschluss
die alleinige Zuständigkeit der Gemeinschaft
begründet wurde. Dieses Urteil greife ich ger-
ne auf, um auf die Frage der Klagebefugnis in
diesem bisher umstrittenen Fall einzugehen.
Es bietet aber auch Gelegenheit, sich ein paar
grundsätzliche Gedanken darüber zu machen,
wie mit solchen „Störungen“ am besten um-
gegangen werden sollte.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
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