Der Verwalter-Brief 3/2015 - page 5

Die Zusammenstellung dieser Risikobereiche kann durch unterschiedli-
che methodische Ansätze erfolgen. Das oben bereits erwähnte „Brain-
storming“ ist dabei nur eine, wenn auch sehr bekannte und leicht
anzuwendende Methode aus dem Bereich der Kreativitätstechniken
(Mindmap, Ursache-Wirkungsdiagramm, Meta Plan).
Sollten Sie bereits ein Qualitätsmanagement- oder Organisationshand-
buch besitzen, können Sie natürlich auch dieses als Grundlage zur Risi-
koermittlung benutzen.
Unter Verwendung der gleichen Techniken arbeiten Sie sich nunmehr
weiter in die Details vor. Also werden zu jedem Risikobereich Einzelrisi-
ken ermittelt und zusammengestellt:
Risikobereiche Einzelrisiken
Neubauobjekt
WEG in die Ver-
waltung inte-
grieren
Haftungsrisiken durch unzureichende Aufnah-
me der technischen Gebäudeausstattung
Haftungsrisiken infolge nicht übernommener
Gewährleistungsansprüche
Mehrarbeiten, Nacharbeiten durch fehlerhafte
/ verspätete Eingabe der Objektdaten in die
EDV
Objektbegehung
durchführen
Haftungsrisiken durch nicht durchgeführte
Objektbegehungen
Haftungsrisiken durch nicht dokumentierte
durchgeführte Objektbegehungen
Haftungsrisiken durch nicht vollständig durch-
geführte Objektbegehungen
Gewährleistung
verfolgen
Haftungs- / finanzielle Risiken infolge nicht
durchgeführter Abnahmen zum Ende der
Gewährleistungsfrist
Gesetzliche
Anforderungen
in Bezug auf die
unternehmeri-
sche Tätigkeit,
das Unterneh-
men
Haftungsrisiken durch unzureichende Maßnah-
men im Datenschutz
Haftungsrisiken durch fehlende Arbeitssicher-
heitsbetreuung
Haftungsrisiken durch Nichteinhaltung der
gesetzlichen Anforderungen (Arbeitsstätten-
verordnung, Bundesurlaubsgesetz, …)
Risiken bewerten
Als Ergebnis dieser Arbeit werden Sie einen möglicherweise sehr um-
fangreichen Risikokatalog erhalten, der aber bereits auf die Besonder-
heiten Ihrer Verwaltung zugeschnitten ist. Sie sollten sich vom Umfang
jedoch nicht demotivieren lassen. Bei näherer Betrachtungsweise wer-
den Sie feststellen, dass ein nicht unwesentlicher Teil dieser Risiken
möglicherweise einen eher nachgeordneten Stellenwert hat. Aber auch
hier sollten Sie systematisch vorgehen. Empfehlenswert ist, hier das
Vorgehen aus der FMEA (Fehlermöglichkeit und Effektanalyse) anzu-
wenden. Diese Methode wird vor allem in der Industrie zur vorbeugen-
den Fehlererkennung und -vermeidung erfolgreich angewendet. Grund-
sätzlich werden hier 3 Bereiche betrachtet und je nach Ausprägung mit
einer Zahl zwischen 1 und 10 bewertet.
Diese Bereiche sind:
1. Auftrittswahrscheinlichkeit (AW)
(wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Risiko wirklich ein-
tritt)
2. Entdeckungswahrscheinlichkeit (EW)
(wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Risiko früh identifiziert
und noch rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden können)
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3. Effekt/Auswirkung (EA)
(wie sind die Auswirkungen für den Fall, dass das Risiko eintritt)
Vergeben Sie jeweils einen Wert zwischen 1 und 10. Die Zahl ist umso
höher, desto schlechter dies für Sie ist. Wenn also ein Risiko so sicher
wie das „Amen in der Kirche“ eintreten wird, vermutlich nicht oder
sehr spät entdeckt wird und die Folgen für Sie (annähernd) katastro-
phal sind, dann vergeben Sie dreimal die 10 und multiplizieren Sie die
Zahlen miteinander. Im schlechtesten Fall wird das Ergebnis, die soge-
nannte Risikoprioritätszahl (RPZ) 10 X 10 X 10 = 1.000 und im besten
Fall 1 betragen.
Risiken beherrschen
Im nächsten Schritt werden Sie sich selbstredend den Risiken zuwen-
den, die eine sehr hohe RPZ erzielen. Als Anhalt sollten Sie sich min-
destens all den Risiken widmen, die eine RPZ > 180 erzielen. Für die-
se Risiken sind Gegenmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Die
möglichen Gegenmaßnahmen sind so vielfältig wie die Risiken selbst
und können hier nicht behandelt werden. Sie werden jedoch feststel-
len, dass die bereits behandelten Themen zum Prozessmanagement
gleichzeitig aktives Risikomanagement darstellen. Je ausgeprägter also
Ihre Maßnahmen hier bereits sind, desto schneller wird Ihr Risikokata-
log abgearbeitet sein.
Nachdem Sie Gegenmaßnahmen erarbeitet und eingeführt haben, füh-
ren Sie die angesprochene Bewertung erneut durch. Sofern die RPZ
nun kleiner 80 ist, kann das Risiko als beherrscht oder zumindest als
akzeptabel betrachtet werden.
Zur Unterstützung all dieser Tätigkeiten bietet sich natürlich ein Tabel-
lenkalkulationsprogramm an. Im Einzelfall kann auch die Erstellung
eines Risikomanagementberichts sinnvoll sein, sei es, dass Sie in die
Situation kommen, Ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht nachweisen
zu müssen oder dass Sie Ihr Unternehmen verkaufen wollen.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Initialisierung der Risikoma-
nagementprozesse einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Je sorgfältiger
Sie jedoch vorgehen, desto einfacher haben Sie es beim nächsten Mal.
Denn die Beibehaltung und jährliche Überprüfung ist genauso wichtig
wie alle bisherigen Tätigkeiten. Gerade als Verwalter wissen Sie, wie
schnell sich die Faktoren ändern, die Ihre Verwaltertätigkeit bestimmen.
Mit aktivem Risikomanagement sind Sie in jedem Fall deutlich besser
für die künftigen Herausforderungen gerüstet. Oder würden Sie mit ei-
nem Schiff den Ozean überqueren wollen, dessen Kapitän ausschließ-
lich die Sonne zur Navigation verwendet, keine Seekarten besitzt und
keine Wettervorhersage hört?
Jörg Wirtz ist
Geschäftsführer
der InRaCon
GmbH und
berät speziell
Immobilienver-
waltungen bei
der Optimie-
rung ihrer Prozesse und bei der
Zertifizierungsvorbereitung (u. a.
ISO 9001, GEFMA 700ff., TÜV-ge-
prüfte Immobilienverwaltung).
DER AUTOR
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