Der Verwalter-Brief 3/2015 - page 11

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Deckert kompakt
werden, allerdings mit Kosten-Nebenent-
scheidung je nach Einzelfall und bisherigem
Klagevortrag zugunsten des Individualklägers
(sicher noch strittig). Für eine verpflichtende
Klagerücknahme der seinerzeit berechtigt er-
hobenen Individualklage mit für den Kläger
negativer Kostenfolge sehe ich keinen Zwang.
Führt hingegen die nachfolgend erhobene
gemeinschaftliche Klage aus nicht nur sachli-
chen, gleichliegenden Gründen nicht zum Er-
folg, kann das eigenständige individuelle Ver-
fahren aus meiner Sicht wieder aufgenommen
und fortgeführt werden.
3. Exkurs: Zu widerrechtlicher Nutzung
von Wohnungseigentum allgemein
Wohnungseigentum ist im Gegensatz zu Teilei-
gentum mangels anderweitiger, gesonderter
Vereinbarungsregelungen (insbesondere in
anfänglicher Gemeinschaftsordnung) allein zu
üblichen Wohnzwecken nutzbares Sonderei-
gentum. Das bedeutet, dass jeder Miteigen-
tümer von Anfang an darauf vertrauen kann,
dass eine solche zweckbestimmte Nutzung
allseits respektiert und eingehalten wird. Nur
vereinzelt finden sich in der Rechtsprechung
gewisse Ausnahmen von diesem Grundsatz
unter Hinweis auf mögliche Duldungs- und
Rücksichtnahmepflichten im Sinne der §§ 14
und 15 WEG, wenn etwa ein Wohnungseigen-
tum bei überwiegend verbleibender Wohnnut-
zung räumlich und zeitlich eingeschränkt auch
gewerblich bzw. beruflich genutzt wird. So kön-
nen Nachteilswirkungen im Einzelfall rechtlich
unbedeutend sein und auch Duldungspflichten
der restlichen Eigentümer begründen, wenn
etwa Bastel- oder Heimarbeiten zwecks Ne-
benverdienst in Wohnungen stattfinden, ge-
ringfügige Büroarbeiten, gelegentliche Ein-
ladungen von Freunden und Bekannten im
Sinne von Kosmetik-, Tupperware- oder Des-
sous-Partys zur Provisionserzielung usw. Grö-
ßere Werbehinweise am Haus sind allerdings
unzulässig. Gestattet wurden vereinzelt sogar
weitergehende Nutzungen tagsüber in einer
Wohnung, z. B. Kinderbetreuung in geringem
Umfang oder Heilpraktiker-, Physiotherapie-
und Massagearbeiten bei überschaubarer aus-
gewählter, seriöser Patientenzahl.
Entscheidend ist in all diesen Sonderfällen
(teil-)beruflicher Nutzung eines Wohnungs-
eigentums, ob eine solche Nutzung andere
Eigentümer in objektivierender/typisierender
Betrachtungsweise mehr stören könnte als
etwa eine übliche Wohnnutzung, etwa durch
eine Großfamilie mit mehreren Kindern.
Überschreitet die konkrete berufliche/gewerb-
liche Nutzung die Grenze anzuerkennender Dul-
dungspflichten und kommt es tatsächlich auch
zu übermäßigen und unzumutbaren Störungen
anderer Eigentümer/Bewohner und damit zu
Wertbeeinträchtigungen anderen Sonderei-
gentums und des Gemeinschaftseigentums,
können sich rasch Ansprüche auf Unterlassung
und Beseitigung rechtfertigen lassen. Dies ist
sicher der Fall, wenn ein Wohnungseigentum
etwa vom Eigentümer ausschließlich vollberuf-
lich als Arzt-, Rechtsanwalts- oder Steuerpraxis
eigen- oder fremdgenutzt wird.
Von widerrechtlicher Nutzung ist ohne Frage im
Regelfall auch dann auszugehen, wenn in der
Wohnung gewerbliche Prostitution stattfindet.
Ohne auf Fragen der Sittenwidrigkeit eingehen
zu müssen, ist eine solche Nutzung bereits
wohnungseigentumsrechtlich zweckwidrig.
Dass eine solche Nutzung Beeinträchtigun-
gen für anderes Sondereigentum und anteilig
miterworbenes Gemeinschaftseigentum zur
Folge hat, ist allgemeine Erfahrungstatsache
(sicher auch der Gerichte), ohne langatmige
Beweisdiskussionen führen zu müssen. Erfreu-
licherweise gelangen solche widerrechtlichen
Nutzungen gerade in anonymen Großwohnan-
lagen selten vor Gericht, da sie nach Bekannt-
werden und außergerichtlichen Abmahnungen
in der Regel sehr schnell meist von Wohnungs-
mietern und Untermietern/-innen(!) beendet
werden.
!
Weiterführende Informationen:
Unterlassungsansprüche
637307
WEG-Rechtsprechung
kompakt
Das verwirrende „Vorschalterfordernis“
bei baulichen Veränderungen
(LG Düsseldorf, Urteil v. 18.6.2014, 25 S 125/13)
Soweit die Zustimmung des Verwalters vor der
Durchführung einer baulichen Veränderung er-
forderlich ist, handelt es sich in aller Regel je-
doch lediglich um ein sog. „Vorschalterforder-
nis“. Die Zustimmung des Verwalters ersetzt
nicht die Genehmigungsbeschlussfassung der
Wohnungseigentümer.
!
Weiterführende Informationen:
Bauliche Veränderung: Grundsätze
636256
Feststellung und Verkündung des
Beschlussergebnisses sind Wirksamkeits-
voraussetzungen
(LG Bamberg, Beschluss v. 22.4.2014,
1 S 20/13 WEG)
Feststellung und Verkündung des Beschluss-
ergebnisses in der Wohnungseigentümerver-
sammlung sind notwendige Wirksamkeitsvo-
raussetzungen einer Beschlussfassung. Teilt
der Verwalter als Vertreter der übrigen Mitei-
gentümer nicht mit, wie er für diese abstimmt,
kommt hinsichtlich der einzelnen abzustimmen-
den Punkte keine Willensbildung zustande.
!
Weiterführende Informationen:
Beschluss
636307
Nichtbeschluss
636909
Verwalterentlastung in aller Regel
bei Ansprüchen gegen den Verwalter
unrechtmäßig
(AG Bensheim, Urteil v. 28.2.2014, 6 C 582/13)
Ein Beschluss über die Entlastung des Woh-
nungseigentumsverwalters ist nicht mit den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung
vereinbar, wenn Ansprüche gegen den Ver-
walter erkennbar in Betracht kommen. In
einem derartigen Fall ist eine Entlastung nur
ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn beson-
dere Gründe vorliegen, die einen Verzicht auf
die möglichen Ansprüche rechtfertigen.
!
Weiterführende Informationen:
Entlastung von Verwalter und Beirat
636464
Veräußerungszustimmung
(LG Köln, Beschluss v. 8.9.2014, 29 T 96/14)
Ist nach einer Vereinbarung der Wohnungsei-
gentümer die Zustimmung des Verwalters zur
Veräußerung einer Sondereigentumseinheit
erforderlich, kann der Verwalter vom veräu-
ßernden Wohnungseigentümer die Vorlage
aussagekräftiger Einkommensnachweise des
Erwerbers und auch einer Schufa-Auskunft
verlangen, so im Zeitpunkt des Zustimmungs-
ersuchens bereits konkret absehbar ist, dass
infolge notwendiger Sanierungsmaßnahmen
in Millionenhöhe erhebliche finanzielle Belas-
tungen auf die einzelnen Wohnungseigentü-
mer zukommen werden.
!
Weiterführende Informationen:
Veräußerungszustimmung
637319
Veräußerungszustimmung bei
Veräußerung an Ehegatten
(KG, Beschluss v. 20.5.2014, 1 W 234/14)
Ausnahmen von einem nach § 12 Abs. 1 WEG
vereinbarten Zustimmungserfordernis (hier für
eine Veräußerung an den Ehegatten) bedürfen
des Nachweises in der Form des § 29 Abs. 1 S.
2 Grundbuchordnung.
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