Mietpreisbremse: Gesetzlich
nicht geregelte Folgen
Dr. Dr. Andrik Abramenko, Idstein
I. Das Problem
Die Folgen der Mietpreisbremse (seit 1.6.2015 in Kraft) lassen sich an-
hand des Gesetzestextes und der Gesetzesmaterialien des MietNovG
keineswegs vollständig übersehen. Ausdrücklich geregelt ist nur die
Teilunwirksamkeit des Mietvertrags, soweit dort eine über §§ 556d Abs.
1, 556e BGB hinausgehende Miete vereinbart ist
1
. Anhand der Geset-
zesmaterialien ist immerhin noch nachvollziehbar, dass der Mieter den
überhöhten Teil der Miete gar nicht mehr zahlen muss
2
. Einer vorheri-
gen Rüge bedarf es dabei nicht. Die Regelungen zur Mietpreisbremse
haben aber, wie im Folgenden skizziert werden soll, noch zahlreiche
weitere, weder im Gesetzestext noch in den Materialien angesprochene
Folgen, die die Praxis zu berücksichtigen hat.
II. Mietüberhöhung im Räumungsprozess
1. Relevanz für jegliche Zahlungs- und Räumungsklagen
Eine unliebsame Folge der Mietpreisbremse wird es für Vermieter sein,
dass sie künftig auch in jedem Zahlungs- oder Räumungsprozess zur
Rechtsverteidigung herangezogen werden kann, sofern die Wohnung
in einem der Gebiete liegt, für die eine Rechtsverordnung nach § 556d
Abs. 2 BGB existiert. Dann kann der Mieter stets einwenden, dass der
nicht gezahlte Teil der Miete wegen Teilunwirksamkeit des Mietvertrags
gar nicht geschuldet ist
3
. Nach allgemeinen Beweislastregeln hat dann
der Vermieter darzulegen und zu beweisen, dass sein Mietvertrag wirk-
sam und die geforderte Restmiete daher geschuldet ist.
2. Fehlendes Verschulden bei Zahlungsverzug
Selbst wenn dem Vermieter dieser Nachweis gelingt, kann die Räu-
mungsklage unbegründet sein. Der Mieter kann sich u. U. gleichwohl
darauf berufen, dass seine Nichtzahlung auf fehlendem Verschulden
beruht, weshalb die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB
unwirksam ist. Denn die ortsübliche Vergleichsmiete, die auch für die
Überhöhungsgrenze nach § 556d Abs. 1 BGB maßgeblich ist, lässt sich
jedenfalls in Gebieten ohne Mietspiegel oft nicht einfach ermitteln,
was sogar die Gesetzesmaterialien betonen
4
. Unter solchen Umständen
kann aber der Fehlvorstellung über die zulässige Miete ein schuldloser
Rechtsirrtum zugrunde liegen
5
.
3. Eigene vertragliche Regelungen zur Rüge
Diese Folgen sind für den Vermieter umso unerfreulicher, als der Mieter
die Zahlung der (vermeintlich) überhöhten Miete ohne vorherige Rüge
nach § 556g Abs. 2 BGB einstellen kann. Dem kann der Vermieter jedoch
dadurch begegnen, dass er vertraglich auch in diesem Fall auf einer Rü-
6
Recht
gepflicht nach dem Vorbild des § 556g Abs. 2 BGB besteht. Hierin liegt
keine Abweichung zulasten des Mieters von den §§ 556d ff. BGB, die ge-
mäß § 556g Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam wäre. Denn die Folgen eines
Verstoßes gegen die Mietpreisbremse sind durch das MietNovG gerade
nicht abschließend geregelt. Folglich können Vereinbarungen zu Fragen,
die das Gesetz offenlässt, nicht von zwingendem Recht abweichen. Ein
Rügeerfordernis in Anlehnung an § 556g Abs. 2 BGB wird man selbst
in Formularmietverträgen vereinbaren können. Dies wäre nicht überra-
schend, wie gerade die Diskussion um die Reichweite des § 556g Abs. 2
BGB jenseits des gesetzlichen Zusammenhangs zeigt. Ebenso wenig läge
hierin ein Verstoß gegen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung. Im-
merhin sieht die einzige gesetzlich geregelte Folge eines Verstoßes ge-
gen die §§ 556d Abs. 1, 556e BGB eine Rüge ausdrücklich vor.
III. Schadensersatzansprüche
1. Praktische Bedeutung
Neben dem Rückforderungsanspruch kommen, wie schon die Geset-
zesmaterialien betonen
6
, Schadensersatzansprüche wegen der Verlet-
zung vorvertraglicher Pflichten aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB in
Betracht. Die für vorvertragliche Pflichtverletzungen typischen Schäden
wie der Nichtabschluss eines anderen Vertrags zu günstigeren Konditio-
nen werden aus der Forderung einer überhöhten Miete allerdings kaum
jemals resultieren. Von Interesse ist der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1,
311 Abs. 2 BGB für den Mieter gleichwohl im Hinblick auf den Schaden
der überhöhten Miete. Insoweit geht der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1,
311 Abs. 2 BGB allerdings nicht über den Bereicherungsanspruch aus §§
556g Abs. 1 Satz 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB hinaus, da auch er der
vorherigen Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB bedarf. Denn nach § 556g Abs.
2 Satz 1 BGB kann der Mieter von dem Vermieter „eine nach den §§
556d und 556e nicht geschuldete Miete nur zurückverlangen, wenn er
einen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Unterkapitels gerügt hat.“
Die Rüge muss also nicht nur dann erfolgen, wenn die Rückzahlung
auf Bereicherungsrecht gestützt wird, sondern vor jeder Rückforderung,
gleich aus welchem Rechtsgrund
7
, was auch Schadensersatzansprüche
aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB umfasst. Dies ergibt sich letztlich
auch aus dem Gesetzeszweck. Die Rüge soll den Vermieter ja nach dem
ausdrücklichen Bekunden des Gesetzgebers vor unerwarteten Rückfor-
derungen, evtl. sogar erst nach Ende des Mietverhältnisses, schützen.
Dies ist nur dann gewährleistet, wenn die Rüge für jede Rückforderung,
unabhängig von der Anspruchsgrundlage, gilt.
2. Entreicherung
Eigenständige Bedeutung kann Schadensersatzansprüchen aus §§ 280
Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB aber im Zusammenhang mit der Entreicherung
zukommen
8
. Die Rückforderung überzahlter Mieten ist ja nicht als ei-
genständiger schuldrechtlicher Anspruch, sondern als Bereicherungsan-
spruch ausgestaltet
9
. Folglich könnte sich der Vermieter darauf berufen,
dass sich die überzahlte Miete nicht mehr in seinem Vermögen befin-
det. Erkennt man dem Mieter aber neben den Bereicherungs- noch
Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zu, entfällt
diese Verteidigungsmöglichkeit, wenn dem Vermieter bei der Vereinba-
rung einer überhöhten Miete zumindest leichte Fahrlässigkeit zur Last
fällt. Denn gegen Schadensersatzansprüche greift der Einwand der Ent-
reicherung nicht durch. Trotz identischen Umfangs stehen §§ 280 Abs.
1, 311 Abs. 2 BGB also nicht in einfacher Anspruchskonkurrenz zu den
gesetzlich vorgesehenen Bereicherungsansprüchen, sondern schließen
eine empfindliche Lücke des MietNovG.
1
Lützenkirchen/Abramenko, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 556g Rn. 4 f.
2
Blank, WuM 2014, 654; nach Börstinghaus, DWW 2014, 208 wird diese Möglichkeit der
schlichten Nichtzahlung für die Praxis sogar bedeutsamer als die Rückforderung.
3
Ähnlich Fleindl, WuM 2015, 227, aber für eine hohe Darlegungslast des Mieters.
4
S. etwa BT-Drucks. 18/3121, S. 29 u. 33; ähnlich jetzt Flatow, WuM 2015, 193 f.
5
LG Berlin, WuM 1983, 343.
6
S. Fn. 4.
7
Ebenso Fleindl, WuM 2015, 215 u. 226.
8
Hierzu eingehend Lützenkirchen/Abramenko (Fn. 1), § 556g Rn. 9.
9
Zur Problematik des Rückgriffs auf Bereicherungsrecht s. Lützenkirchen/Abramenko (Fn. 1),
§ 556g Rn. 8.