Personalmagazin 11/2018 - page 62

PROF. DR. HEIKO WECKMÜLLER lehrt HR-Management am
Rhein-Ahr-Campus der Hochschule Koblenz.
PROF. DR. TORSTEN BIEMANN hat den Lehrstuhl für ABWL,
Personalmanagement und Führung an der Universität Mann-
heim inne.
PROF. DR. FRIEDEMANN KAINER hat den Lehrstuhl für bürger-
liches Recht, deutsches und europäisches Wirtschafts- und
Arbeitsrecht an der Universität Mannheim inne.
MAX MÜHLENBOCK ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Lehrstuhl von Professor Torsten Biemann.
Sie wollen es genauer wissen?
In der Personalmagazin-App finden
Sie alle Fragen und Antworten aus
dem großen HR-Wissenstest.
hen. Wenn sich eine Meinung einmal durchgesetzt hat, scheint
es schwer, diese wieder zu revidieren.
Der Ruf nach belastbaren Fakten in der Praxis ist zunehmend
an die Auswertung unternehmensspezifischer Daten gebunden.
Allerdings erfordert die Interpretation von HR-Analytics-Ergeb-
nissen Kenntnisse statistischer Methoden. Bei eigenständiger
Durchführung der Analysen innerhalb der HR-Abteilung müssen
Softwarekenntnisse hinzukommen. Beide – Methoden- und Soft-
warekenntnisse – sind aktuell nur rudimentär ausgeprägt, wie
die Ergebnisse des Wissenstests belegen (siehe Grafik „Verbrei-
tung statistischer Verfahren“). Datenanalysen durch HR-Manager
sind heute maximal Korrelationsanalysen mit Excel. Damit läuft
faktenbasiertes Management Gefahr, Scheinkorrelationen auf-
zuliegen – ein häufiges Problem, das unter anderem der oben
angeführten fehlerhaften Bewertung geschlechtergemischter
Teams zugrunde liegt.
Die Differenzierung zwischen Korrelation und Kausalität ist
vielfach entscheidend für die Bewertung der Effektivität von
Personalmaßnahmen. Und gerade hier zeigen sich Defizite: 70
Prozent glauben, dass alleine schon große Stichproben genügen,
um Kausalaussagen abzuleiten. Bei Querschnittsdaten wie Er-
gebnissen von Mitarbeiterbefragungen basieren Kausalaussagen
aber immer auf einer bewussten Setzung; die Daten selbst treffen
keine Aussage zur Kausalität. Dies ermöglichen Experimente
– wobei nur 53 Prozent der Befragten den Laborexperimenten
diese Eigenschaft zusprechen.
Den „Science Practice Gap“ verkleinern
Wenn HR die Hoheit über Datenauswertung und -interpretation
nicht an andere Bereiche wie IT abtreten will, ist der Aufbau ent-
sprechender Kompetenzen erfolgskritisch. Alternativ ergibt sich
hier auch die Möglichkeit einer Kooperation zwischen HR-Ab-
teilungen und Forschungseinrichtungen an Hochschulen.
Nach unserem Verständnis handelt es sich bei allgemeinen
wissenschaftlichen und unternehmensspezifischen Analysen
um komplementäre und nicht alternative Erkenntnisquellen,
die zur Entscheidungsfindung herangezogen werden sollten.
Hochschulen können in Kooperationsprojekten deshalb helfen,
etwaige Datenwidersprüche aufzulösen, unternehmensspezifi-
sche Daten methodisch sauber auszuwerten und unternehmens-
interne Experimente korrekt aufzusetzen. Dies würde einerseits
die HR-Funktion stärken und andererseits den schon lange be-
klagten „Science Practice Gap“ verkleinern.
2010, die Metaanalyse von Keith L. Zabel und Kollegen von 2017
wie auch die deutschlandspezifische Studie auf Basis des sozioöko-
nomischen Panels des Instituts der Deutschen Wirtschaft von 2014.
Praktiker müssen die Faktenbasis reflektieren
Warum halten sich diese Vorurteile beharrlich und was kann
man dagegen tun? Eine Antwort auf diese Frage kann der Wis-
senstest selbst nicht liefern, aber die wirtschaftspsychologischen
Ergebnisse der Entscheidungslehre bieten Anhaltspunkte. Den
drei Aussagen ist gemein, dass uns hier intuitive, auf Berufser-
fahrung basierende Urteile in die Irre führen. Der Auszubildende,
der heute Morgen auf sein Smartphone starrte, statt mich mit
einem ordentlichen Handschlag zu begrüßen, beeinflusst zum
Beispiel die Einschätzung. Die Wirtschaftspsychologie hat zu-
letzt zahlreiche Bewertungsverzerrungen, sogenannte „Biases“
identifiziert, durch die intuitive Entscheidungen – bei beschreib-
baren Situationen – unterlegen sind.
Personalpraktiker sind deshalb angehalten, ihre Entschei-
dungsgrundlage kritisch zu reflektieren: „Auf welcher (Fakten-)
Basis treffe ich gerade dieses Urteil?“ Auch Forschungsergebnisse
sollten nicht unreflektiert auf das eigene Unternehmen übertra-
gen werden. Allerdings sollten Praktiker die Forschungsergeb-
nisse kennen und nur dann entgegen der wissenschaftlichen
Evidenz entscheiden, wenn beschreibbare unternehmens- und
situationsspezifische Gründe dies rechtfertigen. Medienvertre-
ter sollten verführerischen Argumentationsmustern, die hohe
Aufmerksamkeit und Aufregung versprechen, widerstehen. Die
exotische, demMainstream widersprechende Einzelstudie sollte
zumindest in den Gesamtkontext des Forschungsgebietes ein-
geordnet werden. Vertreter der Wissenschaft sind aufgerufen,
frühzeitig zu aufkommenden Trendthemen Stellung zu bezie-
Arbeitnehmer der Generation Y haben grundlegend andere
arbeitsbezogene Einstellungen und Wertvorstellungen als
Arbeitnehmer der Vorgängergeneration.
Das ist falsch. Das wussten 23 Prozent der Testteilnehmer.
Die außerordentliche Kündigung muss nicht schriftlich
begründet werden.
Das ist richtig. Das wussten 35 Prozent der Testteilnehmer.
Das 4-Ebenen-Modell nach Kirkpatrick unterscheidet Wissen,
Können, Motivation und Potenzial der Trainingsteilnehmer.
Das ist falsch. Das wussten 25 Prozent der Testteilnehmer.
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