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TITEL
_PERSONALPLANUNG
personalmagazin 05/17
zungen ableiten sowie Handlungsfelder
bestimmen, beispielsweise Maßnahmen
zu Rekrutierung und Weiterbildung. Ein
wichtiges Thema war die eigenständige
Anwendung des Starter-Sets – schließ-
lich sollen die Unternehmen in die Lage
versetzt werden, ihren Personalbedarf
ohne fremde Hilfe, etwa durch Berater,
strategisch zu planen.
Für das Modehaus Marx sind neun
Jobfamilien relevant, wie sich heraus-
stellte, darunter Einkauf, Modeberatung,
Kasse, Dekoration, Einkauf, Buchhal-
tung und Änderungsschneiderei. Als
Planungshorizont wurden fünf Jahre
bestimmt. In diesem Zeitraum kann sich
viel ändern, wie Kaltenkirchen erläutert:
„Es gibt spezifische Trends im Textilein-
zelhandel, die unseren Personalbedarf
quantitativ und qualitativ prägen wer-
den. Beispielsweise kommen zukünftig
mehr digitale Medien im Verkaufsraum
zum Einsatz, etwa Kundeninformati-
onssysteme. Die müssen unsere Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter bedienen
können.“ Die Arbeit mit dem KMU-Pla-
nungsrechner ergab, dass die Mitarbei-
terzahl im Modehaus Marx insgesamt
steigen muss, wenn das Unternehmen
seine Marktstellung halten will. Der
Verkauf benötigt mindestens drei zu-
sätzliche Vollzeitäquivalente (FTE), in
der Dekoration muss die Mitarbeiterzahl
von zwei auf drei steigen.
Anstoß zur Selbstreflexion
Ein weiteres Ergebnis aus dem Projekt
war, dass in der Altersstruktur kom-
plett die Mitte fehlt. Das Modehaus
Marx beschäftigt viele Auszubildende
und Nachwuchskräfte sowie 50-plus-
Mitarbeiterinnen. Dazwischen klafft
ein Loch. „Wenn die älteren Mitarbei-
terinnen irgendwann auf einen Schlag
in Rente gehen, haben wir ein richtiges
Problem“, sagt Kaltenkirchen. „Dies in
nackten Zahlen präsentiert zu bekom-
men, war für mich ein Aha-Erlebnis.“
Die „nackten Zahlen“ beruhen darauf,
dass der KMU-Planungsrechner jeden
Beschäftigten mit Namen, individuel-
ler Wochenarbeitszeit, FTE-Kapazität,
Geburtstag und Jobfamilie erfasst und
anhand von Erfahrungswerten das vo-
raussichtliche Ausscheiden, etwa zum
Renteneintritt, ermittelt. Kaltenkirchen
will gegensteuern, indem sie künftig
verstärkt Bewerberinnen zwischen 30
und 40 Jahren einstellt, auch wenn dies
andere Probleme mit sich bringe, weil
Frauen in diesem Alter oft kleine Kin-
der haben und deshalb zeitlich weniger
flexibel sind.
„Ich denke, dass die Bedarfsprogno-
sen, die wir im Projekt erstellt haben,
valide sind“, sagt Kaltenkirchen. „Über-
zeugt hat mich, dass wir uns alles in
Workshops selbst erarbeitet haben. Na-
türlich wäre dies auch ohne das Projekt
und die Beratung durch das IBE möglich
gewesen, aber wer findet dafür im Ta-
gesgeschäft schon die nötige Motivation
und Zeit? So war das Projekt für mich ein
willkommener Anstoß zur Selbstreflexi-
on und strategischen Ausrichtung, nach-
dem ich 20 Jahre lang Personalplanung
eher aus dem Bauch gemacht habe.“
Unterstützung im „War for Talents“
Das „Starter-Set Strategische Personal-
planung – geeignet für KMU“ wird un-
entgeltlich bereitgestellt, was in dieser
Zielgruppe sicher kein zu vernachlässi-
gender Aspekt ist. Das Paket enthält ne-
ben dem KMU-Planungsrechner einen
webbasierten „Check: Strategische Per-
sonalplanung“ zum Einstieg ins Thema
Handbuch für Personalverantwortliche,
eine Präsentation zur internen Doku-
mentation im Betrieb, einen Ratgeber
für Betriebsräte sowie ein Trainingskon-
zept zur Schulung von Betriebsräten.
Der Name „Starter-Set“ lässt schon ver-
muten, dass es den Initiatoren auf eine
Verstetigung der Arbeit mit den Mate-
rialien ankommt. So müssen die Per-
sonaldaten im KMU-Planungsrechner
sorgfältig gepflegt werden, weil sonst
die Prognosen nicht mehr stimmen. Im
Modehaus Marx übernimmt die Perso-
nalbuchhaltung diese Aufgabe. Verein-
bart ist, dass sie bei jedem Mitarbeiter-
zu- oder -abgang die Daten aktualisiert.
Dass das BMAS mit erheblichem
Zeit- und Kostenaufwand ein derart
ausgefeiltes HR-Instrument für den
Mittelstand entwickelt hat, hängt mit
dem hohen Stellenwert zusammen, den
Berlin dem demografischen Wandel
beimisst, wie BMAS-Referatsleiter An-
dré Große-Jäger im Interview in dieser
Personalmagazin-Ausgabe erläutert. „In
den nächsten 15 Jahren werden mehr als
zwei Millionen Fachkräfte in Engpass-
berufen in Rente gehen“, erläutert Pro-
fessorin Jutta Rump, die das IBE leitet.
„Insbesondere KMU sind davon betrof-
fen. Für sie gewinnt die Thematik noch
stärker an Brisanz, als es bei großen
Playern der Fall ist. Denn im Gegensatz
„Betriebe erhalten mit unseren Instru-
menten einen ersten Überblick über die
Schritte einer Personalplanung.“
Jutta Rump, Institut für Beschäftigung und Employability IBE
LINK-TIPP
Mehr Informationen zum BMAS-Projekt
und Zugang zum Starter-Set unter