PERSONALquarterly 3/2018 - page 52

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_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 03/18
Arbeitszufriedenheit erforschen
Befragungen und Experimente sind vorrangig die Methoden, mit denen Juniorprofessor
Adrian Chadi an der Uni Konstanz dem Verhalten im Arbeitsleben auf die Spur kommt.
Ruth Lemmer,
Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg
W
ie wirkt sich der Mindestlohn auf die Arbeits-
einstellung von Beschäftigten aus? Wird die
gesetzlich vorgeschriebene Entgelthöhe zum
ungünstigen Signal für die Arbeitsmoral, weil
eine Das-steht-mir-zu-Haltung gefördert wird? Diese Fragen
treiben Adrian Chadi gerade um. In der Laborsituation stu-
dentischer Unijobs konnte der Wissenschaftler diesen Zu-
sammenhang nicht belegen. Vielmehr wirkte die Erhöhung
des Stundenentgelts erst einmal motivierend. Das Warum ist
noch nicht geklärt, das Thema bleibt für den 38-Jährigen, der
seine überraschenden Ergebnisse auf Konferenzen vorträgt
und diskutiert, relevant.
Chadi forscht und lehrt seit dem vergangenen Wintersemes­
ter an der Universität Konstanz. Als Juniorprofessor Personal-
ökonomik/Personalwirtschaft schätzt er die interdisziplinäre
Ausrichtung des wirtschaftswissenschaftlichen Forschungs-
umfelds am Bodensee. Sie passt perfekt zu seinem akade-
mischen Lebensweg. Geboren in Berlin, wuchs Adrian Chadi
in Schermbeck auf – am ländlich-grünen Rande des Ruhrge-
biets. Zum Studium der Wirtschaftsinformatik ging er 2000 an
die Universitäten Duisburg-Essen und Münster. Zuerst schloss
Chadi mit dem Bachelor oft Science in Information Systems
ab, dann sattelte er mit dem BWL-Schwerpunkt Personal den
Diplom-Kaufmann auf. Und um die Gesamtwirtschaft aus allen
Perspektiven zu beleuchten, promovierte der wissenschaftliche
Mitarbeiter und Studienkoordinator 2011 an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster in Volkwirtschaftslehre zumDr.
rer. pol. – sein Thema: Policy Implications from Labour Mar-
ket Research Based on Analysis of Individual Life Satisfaction
Data. Zum ersten Mal hat er sich in dieser Zeit intensiv mit
dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) auseinandergesetzt,
dessen Daten die Basis seiner Dissertation wurden. Arbeits-
markt- und Zufriedenheitsforschung sowie Personalökonomik
blieben auch seine Schwerpunkte, als Adrian Chadi 2012 an
die Universität Trier wechselte. Am Institut für Arbeitsrecht
und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union (IAAEU)
beschäftigte sich der Jungwissenschaftler zum Beispiel empi-
risch mit dem Zusammenhang von Arbeitsplatzwechsel und
Arbeitszufriedenheit. Klares Ergebnis: Ein neuer Job macht
glücklich, sofern der Wechsel initiativ und freiwillig bewerk-
stelligt wird. Dieser Honeymoon dauert zwei bis drei Jahre an,
bevor der Arbeitnehmer wieder auf sein Normalniveau opti-
mistischer oder pessimistischer Haltung zurückkehrt. Wer al-
lerdings die Arbeitsstelle wechselt, weil er von Arbeitslosigkeit
bedroht ist, erlebt diese Hochphase nicht, denn die Unsicher-
heit prägt die Emotionen und verhindert es, sich überschäu-
mend auf den neuen Job einzulassen.
Sinnlose Arbeit erzeugt negative Gefühle und demotiviert
Das gefühlte Tief und das Hoch im Arbeitsleben hatte Adrian
Chadi gepackt. Mit einem Forscherteam an der Uni Trier un-
tersuchte er den Aspekt der Sinnhaftigkeit in einem konkreten
Arbeitsprozess. Das Experiment hatte also eine reale Basis: Ge-
schäftsberichte – jahrelang gesammelt – wurden von über 100
Hilfskräften inventarisiert. Die Sammlung blieb lückenhaft.
Die Forscher informierten eine Gruppe zufällig ausgewählter
Hilfskräfte darüber, dass kaum Interesse an der Verwendung
des Unternehmensarchivs bestehe, was deutlich geäußerte ne-
gative Gefühle erzeugte. Einer zweiten Gruppe wurde diese
Information vorenthalten. Bei einer anschließenden Arbeits-
aufgabe reagierte die erste Gruppe weitaus weniger motiviert.
Dies wurde messbar kompensiert, als die Geschäftsberichte
später doch noch genutzt wurden. Sinnhafte Arbeit beeinflusst
demnachMotivation und Emotion und steht so als erfolgreiches
Beispiel für nichtmonetäre Anreize im Arbeitsleben.
An sich selbst kann der Forscher die nichtmonetären Motiva-
tionsschübe beim Wechsel der Arbeitsstelle auch beobachten.
Ein halbes Jahr pendelt er nun von seinem Wohnort Trier nach
Konstanz – seit April seltener, denn er ist zum ersten Mal Va-
ter geworden und wird erst im Wintersemester wieder lehren.
Die junge Familie verknüpft Elternzeit und wissenschaftliches
Arbeiten. Volkswirtin Cornelia Chadi promoviert an der Uni
Trier, Adrian Chadi hat SOEP-Datenberge vor sich, um der Fra-
ge nachzugehen, wie sich das Verhalten von Mitarbeitern bei
Erkrankungen verändert: Arbeiten sie nach? Bleiben sie, wenn
sie gesund sind, länger?
Der Wissenschaftler ist ein großer Anhänger von Befra-
gungsdaten, die der Forschung helfen, bestimmte Wirkungen
von Maßnahmen auf Menschen besser erklären zu können.
„Befragungsdaten haben zwar auch ihre Schwächen, aber das
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