Immobilienwirtschaft 6/2019 - page 59

In einer Immobilie wird zwar mehr und mehr vernetzt – aber nicht unbedingt miteinander.
Der Grund: Im Haus arbeiten Systeme unterschiedlichster Hersteller. Nach wie vor fehlen
allgemein akzeptierte Standards und Protokolle. Eine Lösung scheint nicht in Sicht.
liegt jetzt mit „TS 103 645“ ein Standard
des internationalen Normungsgremiums
ETSI vor, der Herstellern eine Richtli-
nie an die Hand gibt. Wichtige Punkte
des Rahmenwerks: Hersteller sollen für
Datensicherheit sorgen und dafür, dass
Smart-Home-Geräte auch dann nutzbar
bleiben, wenn ein Update eingespielt wird
oder das Netzwerk beziehungsweise das
Internet nicht erreichbar sind. Kein Hei-
zungshersteller, kein Vermieter will, dass
die eigenen Kunden im Kalten sitzen, nur
weil das Update nicht geklappt hat oder
ein Stecker wackelt. Außerdem empfiehlt
die ETSI: Nutzt offene, Peer-reviewed
Standards. Denn geschlossene Systeme,
die darauf vertrauen, dass niemand die
Schwachstellen findet, weil man nicht ins
System schauen kann, scheitern meist.
Ob es jemals den einen Standard zur
Heimvernetzung und -automation geben
wird, ist derzeit noch fraglich. Beides je-
doch wird künftig die Immobilienbewer-
tung stark beeinflussen. Die Richtlinie fur
elektrische Anlagen in Wohngebauden
etwa wurde derart angepasst, dass es Plus-
punkte für Smart-Home-Installationen
gibt. Das Smart Home steigert also den
Wert einer Immobilie, so man denn auf
die richtige Kombination aus Hard- und
Software-Technologie und interoperablen
Standards gesetzt hat.
bereits von einer Reihe an Herstellern zur
Steuerung von Steckdosen und Licht, für
Sensoren, Rauchmelder und teilweise für
Sicherheitssysteme eingesetzt. Ärgerlich
für die Kunden war jedoch lange, dass
etwa Gigaset-Module nicht von einer
AVM-Basis gesteuert werden konnten
und andersherum. Nun ist das möglich.
Mittlerweile hat die Branche erkannt:
Mit Insellösungen ist weder den Kunden
noch den Herstellern geholfen – denn es
hat sich bislang weder ein offizieller noch
ein Hersteller-Standard durchgesetzt. Es
wird auf Kooperationen gesetzt wie bei
der Kommunikationsschnittstelle EE-
BUS. Der EEBUS soll vor allem imBereich
Energie zumEinsatz kommen, ist interna-
tional anerkannt standardisiert, offen ein-
sehbar und wird bereits von zahlreichen
Herstellern wie Viessmann und Danfoss
unterstützt. Mit Qivicon versucht unter
anderemdie Deutsche Telekomeine Platt-
form für die Überbrückung von Vernet-
zungstechnologien zu etablieren. Bosch
will mit seiner „IoT Gateway Software“
ganz Ähnliches und geht noch etwas wei-
ter. Die Software soll als Dreh- und An-
gelpunkt dienen für Geräte, Protokolle,
Technologien und Cloud-Anbindungen.
Mit der Wahl des Systems für Eigen-
heime und Wohnhäuser einhergehen
muss auch eine Betrachtung aus der
Perspektive IT-Sicherheit. Nicht erst seit
2016 unter anderem tausende gekaper-
te Smart-Home-Geräte für Angriffe auf
Kernbestandteile des Internets an der
Ostküste der USA missbraucht wurden,
ist klar, dass selbst vermeintlich rechen-
schwache Technik wie beispielsweise
Webcams oder vernetzte Glühlampen in
Massen zu sehr schlagkräftigenWaffen im
Cyberspace werden können. Die Gefahren
von Manipulationen des smarten Zuhau-
ses und Ausspähung nicht zu vergessen.
Lange wurde in Fachgremien diskutiert,
wie die Cyber- und Betriebssicherheit
verbessert werden könnte. Seit März 2019
Für Neubauten und bei umfang-
reichen Sanierungen empfehlen sich da-
gegen kabelgebundene Lösungen. Diese
benötigen meist weniger Energie. Sie bie-
ten auch eine höhere Betriebssicherheit,
da sie unempfindlich gegen Störstrahlung
sind. Dabei unterscheiden sich Lösungen,
die auf wenige einzelne Adern setzen, wie
DALI oder KNX, von denen, die auf acht-
adrige Netzwerkkabel (Ethernet) aufset-
zen. Ethernet ist dabei etwas aufwändiger
und teurer in der Installation, erlaubt aber
im Betrieb mehr Flexibilität, weil über
Ethernet zahlreiche Signale von kleinsten
Daten-Paketen bis zuVideo-Signalen (wie
HDMI) gesendet werden können.
Eher ein Nischendasein führt bislang
die Powerline-Technik, bei der Signale
auf die Stromleitung aufmoduliert wer-
den. Die Elektroverkabelung ersetzt so
die Neuverkabelung.
Die Hard- und Software­
kombination sollte
interoperabel sein
Die Wahl der Verbindungstechnik
ist eng gekoppelt an das eigentliche Sys-
tem, das Hausautomatisierung und Smart
Home realisiert, wie es beispielsweise bei
EnOcean oder auch Loxone der Fall ist.
Andere wie beispielsweise die Hersteller­
allianz „Connected Comfort“, an der sich
unter anderem Hausausrüster Gira oder
der Heizungsspezialist Vaillant beteiligen,
setzen auf etablierte Technologien auf –
in diesem Fall KNX. Problematisch bei
solcherart Lösungen ist, dass viele nicht
interoperabel arbeiten. Doch auch wo
Interoperabilität gegeben ist, ist es leider
nicht damit getan, auf technische Stan-
dards zu setzen. Beispiel DECT ULE: Der
auf dem für Funktelefone entwickelten
Standard DECT basierende energieeffizi-
ente Ableger wurde in der Vergangenheit
«
Jan Rähm, Berlin
Jan Rähm,
Wissenschafts- und
Technikjournalist für
öffentlich-rechtliche
Hörfunksender sowie
Tageszeitungen und
Fachmagazine
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