Immobilienwirtschaft 2/2019 - page 63

Realisierung solcher Projekte. Dabei wird
zuerst der Stromanschluss betrachtet und
wie dieser eventuell ertüchtigt werden
müsste. Allein schon aufgrund der Leis­
tungsstärke empfiehlt er etwa bei Einzel-
handelsimmobilien keine Supercharger
wie die von Tesla. „Die Kunden wollen in
der Regel nur kurz einkaufen. Da reichen
Wallboxen oder einfache Ladesäulen aus“,
so Langer. Hinter dieseHardwaremuss ein
Abrechnungssystem gelegt werden, etwa
mit Kunden- oder Bonuskarte, QR-Codes
oder Websites und Apps. Diese Services
könnten von externen Dienstleistern
übernommen werden.
Ein Business Case muss all diese
Faktoren betrachten und erklären, ob
beispielsweise der Kunde die Hardware
selbst betreibt oder dies an einen Dritten
auslagert. Eine allgemeingültige Antwort,
so Langer, gibt es nicht. BeimEigenbetrieb
sollte man aber beachten, dass man die
rechtliche Seite absichern, den Strom
einkauf und die Abrechnung organisieren
sowie die Ladesäulen warten muss.
«
Frank Urbansky, Leipzig
Herr Braun, wie schätzen Sie die
derzeitige Situation der E-Mobi-
lität ein?
Es ist ein zentrales Thema, das
endlich Fahrt aufnimmt am Markt.
Wir forschen bereits seit zehn Jahren.
Damals gab es mit den Modell-
regionen E-Mobilität einen ersten
Hochlauf. Seither haben sich bereits
viele Fragen geklärt. Allerdings: Noch
herrscht wenig Verständnis, wie man
E-Mobilität in Richtung Wertschöp-
fung weiterdenkt.
Wie könnte denn diese Wert-
schöpfung auch für die Betreiber
von Immobilien aussehen?
In
aktuellen Projekten analysieren wir
beispielsweise, wie viel Ladeleistung
erforderlich ist, wer diese bezahlt
und wie daraus ein Mehrwert für
nachhaltige Mobilität entsteht. Die
große Chance meines Erachtens ist,
E-Mobilität als integralen Baustein
und neues Geschäftsmodell für das
Wohnen von morgen zu verstehen,
nicht nur als Kostentreiber. Dann
kann die Immobilie von morgen
einen signifikanten Beitrag zur Ver-
kehrswende leisten.
Welche Komponenten sind dafür
nötig?
Zum Beispiel muss das
Zweitfahrzeug der Bewohner in einer
modernen Immobilie nicht mehr
im Eigenbesitz sein, sondern eine
geteilte Dienstleistung. Zudem kann
man weitere Formen der Mobilität,
also auch E-Bikes, E-Scooter oder E-
Lastenräder anbieten. Damit kann ich
Mobilität verkaufen. Denn es ist ein
Irrglaube, die Investitionskosten für
die E-Mobilität nur über den Strom-
verkauf finanzieren zu können.
Welche Kosten wären das?
Für
eine Wallbox zahlen Sie circa 2.000
Euro, für einen Ladepunkt mit
Pufferspeicher schnell 10.000 Euro
oder mehr. Je nach Ladeleistung
kann es auch sein, dass Sie in einem
Quartier dafür eine Mittelspannungs-
Trafostation errichten müssen, um
den Bedarf an Ladestrom zukünftig
abdecken zu können. Dann kommen
Sie in ganz andere Investitions­
bereiche, die aber bei den Stromver-
sorgern liegen. Umso wichtiger sind
Win-win-Geschäftsmodelle.
Und woraus ergibt sich für die
Immobilienbetreiber ein Ge-
schäft?
Das Geschäft entsteht bei
den kundennahen Dienstleistungen,
also Mobilität statt nur Strom. Ener-
gieversorger sind deshalb meist Part-
ner der Immobilienentwickler, wenn
es um solche E-Mobilitäts-Konzepte
geht. Dabei steht sich die Branche
oft selbst im Weg. Denn viele Ent-
wickler meinen, dass sich ein Projekt
ohne ausreichend Tiefgaragenstell-
plätze nicht verkaufen lässt. Aber
hier beobachten wir ein Umdenken,
auch weil Stadtbewohner immer
eher bereit sind, auf ein eigenes
Auto zu verzichten. Sharing-Konzepte
ermöglichen einen kleineren Stell-
platzschlüssel, somit weniger Kosten
für Bau und Technische Gebäude­
ausrüstung. In München wurden
schon erste Gebiete mit einem
Stellplatzschlüssel von 0,3 festgelegt,
in Frankfurt sogar mit 0,0. Das schafft
mehr Raum für die Vermarktung der
Immobilie und wohnnaher Services
wie Mobilität. Und mit Einsparungen
aufgrund weniger Stellplätze können
Sie einen Business Case berechnen,
in dem Immobilienbetreiber mit
E-Mobilität inklusive Fahrzeugkosten,
Betrieb und Wartung eigentlich Geld
verdienen können. Hinzu kommt als
Zukunftsthema noch die Nutzung der
E-Mobile als Pufferspeicher, etwa bei
Mieterstromprojekten.
„Immobilie von morgen kann signifikanten
Beitrag zur Verkehrswende leisten“
INTERVIEW
MIT STEFFEN BRAUN
Steffen Braun, Leiter des
Forschungsbereichs „Urbane
Systeme“, Fraunhofer-Institut
für Arbeitswirtschaft und
Organisation IAO in Stuttgart
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