Immobilienwirtschaft 5/2019 - page 64

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
ENERGETISCHE SANIERUNG & BIM
händisch abgleicht.“ So wurde es etwa
am Münchener Flughafen gehandhabt,
um insbesondere die Einsätze der Mitar­
beiter des Facility Managements besser zu
koordinieren. Der Aufwand rechne sich.
Kemper nennt auch das Beispiel Kloster
Eberbach, dessen Bestandsdaten unter
der Leitung von Prof. Dr. Ehrenheim von
der TH Mittelhessen komplett digitali­
siert wurden. Der hohe Aufwand dafür
rechnete sich allerdings bloß, weil er zu
großen Teilen von Studenten bewältigt
wurde. Diese höheren Kosten durch die
Datenerfassung und die Erstellung des
Modells stehen auf der Soll-Seite. Doch
sie können durch ein energieeffizienteres
Gebäude zumindest ausgeglichenwerden.
„BIM selbst schafft zwar keine höhere
Leistungsphasen 5 bis 7 etwa hätte man
schon in Phase 3 mit erledigt. Lars Koelln,
Geschäftsführer von Core architecture,
sieht bei den Architekten nicht mal einen
höheren Planungsaufwand. „Wer das sagt,
hat einen Innovationsstau in seinem Un­
ternehmen“, so der Hamburger Architekt.
Alle arbeiteten heute schon mit BIM-fä­
higer Software, mit der sich auch der Be­
stand nachmodellieren lasse. „Der Benefit
in der Planung von Bestandsprojekten aus
der Methodik des Building Information
Modeling ist um ein Vielfaches höher“, so
Koelln.
Die bisherigen BIM-Möglichkeiten
für den Bestand hält Kemper noch für aus­
baufähig. „Durch das Scannen erhält man
eine Punktwolke und die Gebäudehülle.
Das ersetzt nicht die Bestandserkundung,
die für eine nachtragssichere Planung
wichtig ist“, so Kemper. Doch findet die
Methode durchaus Anwendung, wie die
CG-Gruppe mit ihrer Tochtergesellschaft
Diplan für BIM-Projekte am SLT107-To­
wer in Stuttgart deutlich macht.
Hoher Personalaufwand
rechnet sich oft nur mit
billigen Arbeitskräften
Kemper sieht viele Wege zur Nutzbar­
machung von BIM und CAFM. „Ein Mit­
telweg ist sicher, dass man den 3D-Scan
mit statischen und Revisionsunterlagen
Foto: privat
Frau von Hagel, ist der Auf­
wand für BIM im Bestand nicht
zu groß?
Das kommt auf das
Gebäude an. Wenn man mit BIM
beginnt, geübt ist und die Vorteile
erkennt, wird man den Schritt
zurück nicht mehr gehen. Denn
man erhebt nur einmal Massen
und Qualitäten des Bauwerkes und
muss sie nicht drei- oder viermal
berechnen. Dazu bedarf es aber
mehr Vorarbeit.
Welche Vorteile bringt BIM bei
der Planung der Energieeffizi­
enz einer Immobilie?
In allen
energierelevanten Bereichen wie
Licht, Heizung, Kühlung, Lüftung
hat man den Vorteil, sofort mit den
neuesten Technologien zu arbei­
ten. Experten können Handwerker
für den Einbau vor Ort per VR-Brille
anleiten. Die Handwerker sind ja
zurzeit gut ausgelastet, sodass
sie wenig Zeit für Schulungen in
die neue Technik investierten. Die
VR-Brille ermöglicht Schulung und
Umsetzung vor Ort während der
Montage.
Wie wird heute BIM durch
Bauherren, Planer, Archi­
tekten, Bauleiter und Gewerke
angenommen?
Es gibt durchweg
noch deutliche Vorbehalte. Doch
es gibt kein Zurück mehr. Erst
wehrt man sich und hat große
Bedenken, was an Verlusten auf­
treten könnte. Die meisten sagen
aber schon heute, dass sie da
nicht drumherum kommen. Denn
große Bauherren suchen sich
dann andere Planer und Archi­
tekten, die BIM beherrschen, und
beauftragen letztendlich diese aus
dem europäischen Ausland oder
den USA. In Großbritannien wurde
schon vor Jahren eine Task Force
auf Regierungs
ebene eingerichtet
mit mehreren hundert Leuten,
die die nationale BIM-Strategie
entwickelten.
Sollte BIM auch bei Bestands­
sanierungen eingesetzt
werden?
Ja. Denn meist sind ja
verwertbare Daten nur rudimentär
vorhanden und bedingt einlesbar.
Das Gebäude kann jedoch mittels
Lasertechnik gescannt werden. Die
gescannten Daten übertragen Sie
in ein 3D-Modell und haben eine
Grundlage zur Planung. Mit allen
baulichen Maßnahmen präzisieren
Sie sukzessive das BIM-Modell. Es
gibt keinen Grund, das nicht zu
tun, denn das lohnt sich.
Wo lohnt sich denn das Anwen­
den von BIM auf den Bestand?
Das Facility Management kann
daraus ganz konkrete Ausschrei­
bungen, auch für Haustechnik,
ableiten. Zudem wird das Moni­
toring für die Gebäude deutlich
verbessert und vereinfacht, denn
man arbeitet mit einem digitalen
Zwilling. Das wiederum ermög
licht auch Planern und Architekten
etwa Transportwege zu planen
oder Platz für Wartungsarbeiten.
Das verringert Materialverlust und
Fehllieferungen. Sie können die
Daten auch übertragen. Das ist für
die Wohnungswirtschaft sehr prak­
tisch, wenn etwa mehrere Blocks
ähnlicher Bauart saniert werden
müssen. Und bei Umbaumaß­
nahmen etwa für Büros kann
das Facility Management, das ja
weiß, dass die Leute alle drei Jahre
umgesetzt werden, Räume virtuell
vergrößern oder verkleinern. Es
kann damit wesentlich besser
gestalten.
INTERVIEW
MIT ANNETTE VON HAGEL
BIM im Bestand erleichtert Ausschreibungen
Annette von Hagel, Architektin (TU Darmstadt), Facility Managerin, PKS-Kommunikations- und Strategie-
beratung, BIM-Arbeitskreis „Großprojekte“ des BMVI, Expertengruppe BIM der Bundesarchitektenkammer
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