IMMOBILIENWIRTSCHAFT 12/2016 01/2017 - page 11

11
1
2-01.2017
für Flüchtlinge weitergebraucht werden
können.“ Hauptauftraggeber der 162
größtenteils mittelständischen Mitglieds­
unternehmen sind Kommunen.
Auch Tiefbau, Wirtschaftsbau und
öffentliche Vorhaben entwickeln sich po­
sitiv. Hier macht sich die Trendwende in
der Infrastrukturpolitik bemerkbar; das
Bundesverkehrsministeriumwill deutlich
mehr Geld als bislang in die Sanierung von
Straßen und Schienen stecken. Und ob­
wohl in vielen Landes- und kommunalen
Behörden Fachkräfte zum Bearbeiten von
Projekten fehlen, zeigt dieNeuausrichtung
der Politik nach den Worten von Unter­
nehmern erste Wirkungen. „Das Pro­
gramm beginnt amMarkt anzukommen“,
bestätigt etwa das Vorstandsmitglied der
Strabag AG, Marcus Kaller. „Unsere Or­
derbücher sind voll.“ Der Schwerpunkt
dürfte in denWest-Bundesländern liegen,
in denen sich Sanierungsfälle gestaut ha­
ben. Die Branche blickt zudem gespannt
auf die weitere Diskussion um eine Bun­
desautobahngesellschaft, mit der der Bund
Bauvorhaben zentral steuern, vergeben
und damit Prozesse standardisieren und
beschleunigen will.
Die Aufbruchstimmung wirkt dabei
sowohl bei Mittelstands- und Familien
unternehmen als auch bei Konzernen
nach – Züblin etwa, dieHoch- und Ingeni­
eurbautochter der Strabag-Gruppe, freut
sich über mehrere Großaufträge aus der
ersten Jahreshälfte. Externe Schocks wie
die US-Präsidentenwahl oder der Brexit
beeinträchtigten die Unternehmensplä­
ne kaum, sagt Vorstandsmitglied Ulrich
Weinmann. Auch die ACS-Tochter Hoch­
tief, die sich von mehreren Beteiligungen
getrennt hat und auf das klassische Bau­
geschäft konzentriert, vermeldete zuletzt
steigende Gewinne undAuftragseingänge.
TRENDS IN DER PERIPHERIE
Bei kleineren
Baufirmen gerade in ländlichen, peripher
gelegenen Gegenden machen sich zu­
gleich längerfristige Trends bemerkbar.
Der Chef der RST-Gruppe inThale, Wolf­
gang Finck, berichtet etwa vomBaubedarf
vor allem wegen Modernisierungen im
Eigenheim und durch den Generatio­
nenwechsel: Kinder zögen mit ihren eige­
nen Familien in die Häuser ihrer Eltern
(die sich im Alter eher verkleinern) und
passten das Haus ihren eigenen Vorstel­
lungen an. „Bei uns haben sich Weg- und
Zuzug mittlerweile ausgeglichen“, sagt
Finck über die Situation in der Kleinstadt
am Ostrand des Harzes.
Die Wissenschaftlerin Dr. Brigitte
Loose vom Leibniz-Institut für Wirt­
schaftsforschung Halle (IWH) bestätigt
die regionale Sicht. „Der Baubranche in
Ostdeutschland geht es sehr gut.“ Wer
nicht in den Westen pendelt und sich
dort höhere Löhne sichert, konzentriert
sich auf Aus- und Neubauten. Sie be­
merkt gar Unternehmer und Fachkräfte,
die sich wieder in ihren Heimatgegenden
ansiedeln. „Die Gewinne und Gehälter in
der Branche sind im Vergleich gar nicht
schlecht, entsprechend hat der Bau nach
der Flaute um die Jahrtausendwende he­
rum wieder an Attraktivität gewonnen“,
sagt Loose.
Dabei wächst der Fachkräftebedarf
– Bauindustrie-Sprecher Stiepelmann
spricht von einem „leergefegten Markt
für Bauingenieure“. Unternehmen behel­
fen sich mit internen Fort- undWeiterbil­
dungen und stocken ihre Ausbildungska­
pazitäten auf. „Wir müssen unser moder­
nes Image jungen Leuten näherbringen“,
erklärt Strabag-Vorstand Kaller. Hilfe
verspricht er sich von der Digitalisierung.
„Bauen heißt nicht mehr unbedingt, die
Schaufel zu schwingen, sondern elektro­
nische Prozesse zu verstehen.“
NOCH KEINE DIGITALE PLANUNG
Die
Herausforderung könnte zur Win-win-
Situation werden: Junge Menschen und
dabei vermehrt Frauen interessiert ein
zukunftsorientierter Beruf mit vielfältigen
Vertiefungsmöglichkeiten. Und dieUnter­
nehmen brauchen die junge Generation,
umdenWandel zu bewerkstelligen. „Klas­
sische Bauunternehmen sind bei Innovati­
onen eher zurückhaltend und machen bis
heute auch wenig in der Digitalisierung“,
bilanziert Roland-Berger-Partner Dr. Kai-
Stefan Schober. In einer Studie hat die
Unternehmensberatung festgestellt, dass
weniger als sechs Prozent der Bauunter­
nehmen digitale Planungsinstrumente
vollständig nutzen und 100 Prozent glau­
ben, ihre Digitalisierungspotenziale nicht
ausgeschöpft zu haben. Schober ist zuver­
sichtlich, dass sich das auf absehbare Zeit
ändern wird – nicht wegen, sondern dank
des Fachkräftebedarfs.
«
Kristina Pezzei, Berlin
SUMMARY
»
Mit
290.000 fertiggestellten Wohnungen
rechnet der Hauptverband der
Deutschen Bauindustrie in diesem Jahr.
»
Die durchschnittliche Wohnfläche
pro Kopf könnte bis
2030 auf 47 Quadratmeter steigen.
»
Der Schwerpunkt
dürfte in den West-Bundesländern liegen.
»
Auf dem Land
gibt es steigenden Baubedarf vor allem wegen Modernisierungen.
»
Gerade
klassische Bauunternehmen
sind bei Innovationen eher zurückhaltend.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,...84
Powered by FlippingBook