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2-01.2017
EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
sie sind nicht leicht zu finden, die Helden dieser Zeit. Sie sind cool und
so gewollt normal, dass man oft zwei Mal hingucken muss, um sie zu
identifizieren. Der hypererfolgreiche CEO eines Start-ups, intelligent
und schnell, hat kaum einen Fetzen konformistischer Kleider am Leib,
als er spricht. Er weidet sich gegenüber dem normal gekleideten, oft
krawattierten Publikum an seinem Anderssein. Die IT-Profis, die JLL
eingestellt hat, müssen keine Krawatte tragen – betonen die Verant-
wortlichen. Das hört sich ja schon fast so an, als ob der, der eine trägt,
einen Einstellungsnachteil hat.
Eben noch war der Kunde mein Held, jetzt ist es der IT-Boss. Der
treibt den Kunden vor sich her, zwingt ihn in die Cloud, denn er weiß,
was richtig ist. Wer dort nicht hingeht, ist „dem Untergang geweiht“,
sagt etwa IT-Experte Joe Weinman, noch so ein Held. Helden kennen
die Richtung, wissen, was gut ist und was böse endet. Sind oft ITler,
doch ... irgendwo, fast am Ende der Welt, fand ich noch ein paar ande-
re. Dort bei der WL-Bank. Die haben eine coole Strategie entwickelt:
Geschäftsbanken, die ihr Geld da deponieren, zahlen dafür nur 0,2
Prozent Strafzinsen, statt 0,4 bei der EZB. Die Banken kommen gerne.
Das Geld nutzt WL für die Vergabe zinsloser Kredite an Kommunen.
Die kommen auch gerne. Heldenhafte Kreativität in zinsarmen Zeiten.
Und die Helden tragen, glaube ich, wirklich noch Krawatten ...
Die sollten Sie sowieso niemals wegschmeißen! Wandel bestimmt den
Zeitgeist. Wenn sich die Welt um einen herum immer schneller verän-
dert, wenn das Risiko im Beharren liegt, wozu dann mit aus der Mode
gekommenen Kleidungsstücken hadern? Neues wird kommen, Altes
wird wiederkommen. Und wir alle werden den nächsten Krawatten-
boom noch erleben.
Ihr
„Meist sind sie IT-ler.
Und die sind schwer zu
erkennen. Sie sehen so
normal aus heut-
zutage. Nur eins steht
fest: Sie tragen keine
Krawatte. Oder doch?“
Dirk Labusch
, Chefredakteur
Wie Helden aussehen