Immobilienwirtschaft 10/2016 - page 30

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
BREXIT
schaften, die anders als die ausländische
Konkurrenz ihr Kapital fast nur in deut-
sche Objekte investieren.
MÄRKTE MIT SPEZIELLEN EIGENARTEN
„Die
Gewerbeimmobilienmärkte fast aller eu-
ropäischen Länder haben ihre speziellen
Eigenarten“, weiß Immobilienaktienana-
lyst Ulf van Lengerich von der Solventis
Wertpapierhandelsbank. „Wer dort aktiv
ist, sollte diese kennen, was den meisten
Gewerbeimmobilien-AGs hierzulande zu
aufwändig ist.“ Im internationalen Ver-
gleich sind sogar die Großen unter ihnen
eher kleine Fische: Das addierte Portfo-
lio der Top Five summiert sich auf 11,5
Milliarden Euro. Das ist kaum mehr als
ein Viertel von dem, was Europas Num-
mer eins, der französisch-niederländische
REIT Unibail-Rodamco, mit fast 40 Mil-
liarden Euro allein auf die Waage bringt.
In Frankfurt sind deutsche Immobi-
lien-AGs hingegen durchaus eine ernst
zu nehmende Investorengruppe – zum
Beispiel die Alstria Office REIT-AG. Die
Hamburger sind hier bei Büroimmobi-
lien eine gewichtige Größe – Anteil am
Alstria-Immobilienportfolio: 15 Prozent
– was einemWert von rund 500Millionen
Euro entspricht.
„Alstria sieht sich als langfristig ori-
entierter Investor, der die gesamte Wert-
schöpfungskette im Lebenszyklus einer
Immobilie nutzt“, betont Ralf Dibbern,
Head of Investor Relations des Hambur-
ger Büroinvestors. Durch die Übernahme
der DeutschenOffice imvergangenen Jahr
konnte Alstria das Immobilienvermögen
auf über drei Milliarden Euro verdoppeln.
„Wenn sich Akquisitionsmöglichkeiten
bieten, die den Unternehmenswert stei-
gern, sind wir jederzeit handlungsbereit“,
so Dibbern. In Frankfurt beträgt die Leer-
standsquote bei Büroimmobilien von Als-
tria zurzeit 15 Prozent. Könnte der Brexit
mithelfen, diese schnell zu senken?
„Positive Effekte für den Frankfurter
Immobilienmarkt durch den Brexit sind
momentan noch nicht konkret festzustel-
len“, sagt Dibbern. In ersten Reaktionen
nach dem britischen Votum für einen EU-
Austritt hieß es, dass vor allem Banken bis
zu 200.000 Arbeitsplätze von London in
andere Länder verlagern könnten. „Be-
vor sich daraus ein konkretes Nachfrage-
potenzial mit Blick auf Frankfurt ableiten
lässt, muss geklärt sein, wie die EU und
das Vereinigte Königreich künftig ihre
wirtschaftlichen Beziehungen gestalten“,
sagt Dibbern. Ähnlich äußert sich Aydin
Karaduman, Vorstandschef der DIC Asset
AG (verwaltetes Vermögen: 1,2Milliarden
Euro), die seit drei Jahren im Immobilien-
fondsgeschäft aktiv ist: „Einige Anfragen
gab es zwar, doch brexitbedingte Mietver-
träge sind nochnicht geschlossenworden.“
Rund 25 Prozent des eigenen Immobilien-
portfolios von zweiMilliardenEuro sind in
Hessen – etwa in der Rhein-Main-Region
– lokalisiert.
Ein Großteil davon steckt in Büro-
objekten, meist nicht in den Top-, son-
dern in entwicklungsfähigen Nebenlagen
Frankfurts. Auch wegen beträchtlicher
Sanierungen bei einigen Gebäuden ist der
Leerstand mit über 20 Prozent beträcht-
lich. Ohnehin befindet sich DIC im Um-
bruch: Bis Ende 2017 wird die Projektent-
wicklung komplett aufgegeben, bis Ende
2016 soll das Fondsgeschäft von 1,2 auf 1,6
Milliarden Euro ausgebaut und bis 2018
das eigene Immobilienportfolio gestrafft
werden. So soll die Zahl der Objekte – vor-
wiegend Büros und Einzelhandelsimmo-
bilien – von rund 120 auf weniger als 100
reduziert werden.
KEINE SPEKTAKULÄREN ÜBERNAHMEN
Die
Hamborner REIT AG investiert ebenfalls
vorwiegend in Büro- und Einzelhandels
immobilien – regionaler Schwerpunkt:
Hochschulstädte wie Freiburg, Münster
und Tübingen. In Frankfurt sind die Duis-
burger vereinzelt mit Investments präsent,
allerdings nur imCore-Segment –Objekt-
Leerstandsquote: lediglich 1,4 Prozent.
„Der Brexit wird für uns daher keine
Rolle spielen“, erklärt Hamborner-REIT-
Vorstand Hans Richard Schmitz stolz.
Fast nur in ostdeutsche Büro-, Einzel-
handels- und Hotelimmobilien investiert
die TLG Immobilien AG. 40 Prozent der
Anlagen konzentrieren sich auf Berlin.
„Deutschlands Hauptstadt könnte wie
Frankfurt ein möglicher Brexit-Profiteur
sein“, sagt TLG-Immobilien-Vorstand
Niclas Karoff. Start-ups, FinTechs und
Dienstleister hält er für die heißesten As-
piranten, die es nach Berlin ziehen könnte.
Beim gegenseitigen Ausloten von
Syn
ergien haben es Gewerbeimmobilien-
AGs derzeit nicht eilig. „Spektakuläre
Übernahmen gab es 2016 anders als bei
den Wohnimmobilien-AGs – Branchen-
primus Vonovia wird die österreichische
Conwert Immobilien übernehmen – bis-
lang nicht“, weißGeorg Kanders, Immobi-
lienaktienanalyst des Bankhauses Lampe.
Grund: Firmenprozesse lassen sich nicht
so leicht duplizieren und standardisieren
wie bei Wohnimmobilien-Bestandshal-
tern. Hamborner-REIT-Vorstand Schmitz
bestätigt: „Gewerbeimmobilien-AGsmüs-
sen in der Strategie und im Geschäftsmo-
dell sehr gut zueinander passen, damit so
ein Deal passt.“
«
Norbert Jumpertz, Staig
Im internationalen Vergleich sind selbst die
großen deutschen Gewerbeimmobilien-AGs
eher kleine Fische. Die Top Five zusammen
machen nur ein Viertel von Europas Nummer
eins, der REIT Unibail-Rodamco, aus.
TOP SEVEN
DER DEUTSCHEN
GEWERBEIMMOBILIEN-AGS
Quelle: Solventis Wertpapierhandelsbank (Stand: 30.06.2016)
* Wert des Immobilienportfolios (Eigenbestand) in Mrd. Euro
Wert
*
in Mrd. Euro
1.
Deutsche Euroshop
3,8
2.
Alstria REIT-AG
3,4
3.
DIC Asset AG
2,0
4.
TLG Immobilien
2,0
5.
Hamborner REIT AG
1,0
6.
VIB Vermögen
1,0
7.
Demire
0,9
1...,20,21,22,23,24,25,26,27,28,29 31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,...116
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