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Investment & Entwicklung
i
kolumne
vertikale Wohnsiedlung verwandelt. Es gab eine öffentliche Kü-
che, in der Gäste und Teams gekocht haben. An einem großen
Tisch wurde gemeinsam gegessen, Wohn- und Arbeitsbereiche
wurden provisorisch in das bestehende Haus gebaut. Auf dem
Dach gab es eine Sauna und sogar ein kleines Schwimmbecken,
in dem man sich die Füße kühlen konnte.
Das Erarbeitete wurde auch gleich der Öffentlichkeit vorge-
stellt. Die Gruppe hat die Frage gestellt, wo und wie Menschen
zusammenkommen. Und wie kann die europäische Idee von So-
lidarität ins Heute übersetzt werden? Ist das eine Idee nur für eine
Ausstellung oder kann das Prinzip des lebendigen Miteinanders
auch auf den größeren Maßstab übertragen werden?
Kommunikation statt Einzelbüros
ImBürobau ist das Prinzip
bereits bekannt. Schon lange geht es da nicht mehr umZellenbü-
ros für eine, zwei oder drei Personen. Auch hier geht es darum,
wie Architektur aus Einzelkämpfern Teams formen kann.
Stark beeindruckt hat mich Ines Müller, die in der High-
Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln das Quartiersmanagement
verantwortet: eine Siedlung aus den 1970er Jahren, aus der, spä-
testens wenn die Kinder zur Schule kommen, die Familien abwan-
dern und dadurch eine kontinuierliche Entwicklung nach unten
stattgefunden hat. Seit Ende der 1990er Jahre hat die Berliner
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Gebiete identifiziert, die
auf der Kippe stehen und die über ein Quartiersmanagement
gestärkt werden sollen. Mittlerweile gibt es 34 solcher Gebiete.
A
us Frankreich kommen aufrüttelnde Nachrichten aus den
Banlieues von Paris, in denen Jugendliche allein gelassen
und ohne Hoffnung erwachsen werden. In den USA lesen
wir von Boroughs, zum Beispiel in Los Angeles, in denen die
öffentliche Verwaltung ganze Stadtteile in zentraler Lage quasi
aufgegeben hat. Aber so weit müssen wir gar nicht gehen. Auch
der Berliner Bezirk Neukölln ist zum Synonym für gescheiterte
Integration, Parallelgesellschaften und Jugendkriminalität gewor-
den. Ein Bezirk mit 41 Prozent Migrationsanteil, in dem viele der
Kinder von Hartz IV leben; ein Stadtteil, der durch den Hilferuf
von Lehrern der Rütlischule und durch den Salafistenbrennpunkt
Al-Nur-Moschee bundesweit bekannt wurde. Manchmal sind es
nur die ganz kleinen Dinge, die eine lawinenartige Entwicklung
nach unten auslösen.
Matthias Schuler von Transsolar hat mir die folgende Ge-
schichte erzählt: Vor etwa 60 Jahren hätten jeden Sommerabend
in New Orleans alle Häuser zur Kühlung offen gestanden, die
Familien hätten auf der Terrasse gesessen. Dann seien die Klima-
anlagen eingeführt worden; die Leute hätten sich in ihre Häuser
verkrochen – und was geschah? Die Kriminalität explodierte,
weil die sozialen Kontakte und mit ihnen die soziale Kontrolle
verloren ging.
Es geht aber auch anders. Mein Lieblingsprojekt auf der 10.
Architekturbiennale in Venedig war der französische Pavillon,
den der Architekt Patrick Bouchain mit 25 Kollegen mit Leben
gefüllt hat. Unter dem Titel „Metavilla“ wurde das Haus in eine
Nachbarschaft neu denken
Foto: Dirk Weiß