Immobilienwirtschaft 3/2015 - page 22

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Investment & Entwicklung
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Titelthema
vermietungsstand heran. In der Praxis
liegen die Vorvermietungsquoten im
Bürobereich zurzeit bei etwa 40 bis 70
Prozent. Der Kreditgeber erwartet einen
Eigenkapitalanteil zwischen 25 und 40
Prozent der Investitionssumme, wobei
sich die Größen gegenseitig beeinflus-
sen: Je niedriger die Vorvermietung,
desto mehr Eigenkapital wird die Bank
verlangen – und umgekehrt. Über die
Vorvermietungsquote hinaus spielen für
die Eigenkapitalanforderungen auch die
Bonität des Projektentwicklers oder Cost-
Overrun-Garantien, bei denen beispiels-
weise eine dritte Partei das Kostensteige-
rungsrisiko trägt, eine Rolle. Wenn nötig
arbeiten Projektentwickler derzeit auch
mit Mezzanine-Kapital. Bei Bauvorhaben
im hohen zweistelligen oder dreistelligen
Millionenbereich ist ein Eigenkapitalein-
satz zwischen 25 und 50 Millionen Euro
erforderlich. Dies ist für einige Projektent-
wickler eine erhebliche Herausforderung
und macht unter Umständen den Einsatz
vonMezzanine-Kapital notwendig. Aller-
dings betrifft dies nicht mehr als ein Drit-
tel der Fälle. Aus Sicht der Bank macht
es wenig Unterschied, ob der Projektent-
wickler Eigenmittel oder zusätzlich auch
Mezzanine-Kapital einbringt. Auf das Ri-
siko der Bank hat die Zusammensetzung
des Eigenkapitals nur geringen Einfluss.
Spekulative Projekte bleiben Ausnah-
men
Rein spekulative Projektentwick-
lungen ohne Vorvermietung bleiben die
Ausnahme. Sie werden in der Regel nur
finanziert, wenn der Entwickler mindes-
tens 50 Prozent Eigenkapital einbringt
und die Aussichten für eine Vermietung
der Immobilie aus Bankensicht sehr gut
sind. Wird eine spekulative Projektent-
wicklung beispielsweise bei einer Markt-
miete von 20 Euro pro Quadratmeter
und Monat mit 50 Prozent Eigen- und
50 Prozent Fremdkapital finanziert, dann
könnte der Kredit auch noch in einer ex-
I
mmobilien und 100-Prozent-Finan-
zierungen sind Stichworte, die inzwi-
schen wieder häufiger in Verbindung
gebracht werden. EinigeMarktteilnehmer
fragen sich bereits, inwieweit die Situation
heute mit der im Jahr 2006 vergleichbar
ist. Um es kurz zu machen: Bislang sind
keine Parallelen zur Zeit vor der Finanz-
krise erkennbar, jedenfalls nicht bei der
Finanzierung von Gewerbeimmobilien.
In diesem Segment stehen Komplettfi-
nanzierungen nach wie vor nicht auf der
Agenda. Allerdings treibt der boomende
Markt dieNachfrage nach Finanzierungen
von Projektentwicklungen. Analysen von
BulwienGesa (siehe Seiten: 24-25) zufolge
nehmen diese in deutschen A-Städten seit
Jahren kontinuierlich zu. Mit rund 3.300
Projekten liegt die Zahl heute fast doppelt
so hoch wie im Jahr 2008, als es noch rund
1.650 waren.
Keine Komplettfinanzierungen
bei Gewerbeimmobilien in Sicht
Die Finanzierungsbedin-
gungen für Projektentwick-
ler in Deutschland sind
derzeit günstig – sofern sie
Banken von sich und ihrem
Projekt überzeugen können.
Zwar werden inzwischen
durchaus auch Core-Plus-
Projekte finanziert, doch die
Banken agieren weiterhin
konservativ (siehe auch
Interview Seite 26).
Diesem Trend folgend konzentriert sich
ein Großteil der Finanzierungen auf die
so genannten A-Städte, die sich vor allem
auch durch eine hohe Liquidität und eine
starke Nachfrage von anderen Stand-
orten abheben. Projektentwicklungen
außerhalb der „Top 7“ werden zurzeit
ebenfalls finanziert, allerdings sind die
Anforderungen an das Eigenkapital und
denVorvermietungsstand in der Regel hö-
her. In jedem Fall – und unabhängig vom
Standort – werden vor der Vergabe eines
Kredits für eine Büroentwicklung sowohl
die Marktsituation als auch die Lage und
die Drittverwendungsfähigkeit der Immo-
bilie umfassend durchleuchtet, um künf-
tige Entwicklungen so weit wie möglich
zu antizipieren. So basiert beispielsweise
die Analyse der Marktsituation nicht nur
auf Angebot und Nachfrage am Standort,
sondern auch auf der Anzahl der erteil-
ten Baugenehmigungen und der im Bau
befindlichen Projekte. Auch Prognosen
zur Entwicklung der Bürobeschäftigung
werden einbezogen. Und bei der Dritt-
verwendungsfähigkeit gilt: Bankenwollen
nicht Mietverträge beleihen, sondern pri-
mär Immobilien. Der Auszug eines Mie-
ters und die folgende Neuvermietung der
Flächen sind Szenarien, die dabei immer
einkalkuliert werden müssen.
Für die Finanzierungsentscheidung
sind jedoch nicht nur objektbezogene
Kriterien relevant. Auch der Projektent-
wickler selbst wird eingehend geprüft.
Dabei sind dessen Bonität, Know-how
und Erfahrung zentrale Eigenschaften.
Ein Developer, der keine Erfahrung mit
vergleichbaren Büroobjekten hat, ist aus
Bankensicht ein „K.o.-Kriterium“. Dassel-
be gilt für eine zu geringe Eigenmittelaus-
stattung oder eine nicht nachvollziehbare
Kalkulation des Projektentwicklers.
Vorvermietungsstand und Eigenka-
pitaleinsatz zentral
Zur Risikobeur-
teilung zieht die Bank zudem den Vor-
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