Die Wohnungswirtschaft verfügt über große
Erfahrungswerte und ist deshalb in der Lage,
überforderte Nachbarschaften zu stabilisieren.
Dabei möchte ich einige Punkte ansprechen,
die wir dann vielleicht in der Diskussion vertie-
fen werden. Das ist zunächst die zunehmende
Aggression in unserer Gesellschaft. Wir erleben
eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber
Aggressionen, einen Verlust an Miteinander und
eine zunehmende Vereinzelung. Nachbarschaft
hat keinen Wert mehr, anders als zu der Zeit, in
der wir groß geworden sind.
Diese Entwicklung wird durch die Digitalisierung
beschleunigt. Digitalisierung hat einen gesell-
schaftlichen Effekt, der für uns noch gar nicht
richtig greifbar ist. Wir fangen erst an, uns damit
auseinanderzusetzen, welche Konsequenzen
z.B. die Künstliche Intelligenz hat. Künstliche
Intelligenz wird dazu führen, dass bestimmte
Aufgaben und Jobs wegfallen werden. Damit hat
sie einen Effekt auf die Gesellschaft und somit
auch auf die Nachbarschaft.
Auch Erziehung und Wertevermittlung spielen
mit hinein. Wenn wir unterwegs sind, dann stel-
len wir immer häufiger fest, dass kleine Kinder
über digitale Medien ruhiggestellt werden.
Erziehungsmomente und nachbarschaftliche
Momente werden immer seltener. Es werden
auch immer weniger Spielplätze gebaut, weil
die Kinder durch
digitale Mit-
tel anderweitig
beschäftigt und
herausgefordert
werden. Wenn
wir sehen, welche
Spiele Kinder und
Jugendliche spie-
len, dann sind das
z.T. Spiele, die ein gewisses Gewaltpotenzial
haben, Aggressionen verharmlosen und manch-
mal sogar den Einsatz von Waffen als normal
darstellen.
Diese Themen erkennen wir zwar schon heute,
aber ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft
können wir noch nicht richtig bewerten. Aber
wir müssen uns damit aus-
einandersetzen. Und wir
müssen uns auch mit den
neuen Geschäftsmodellen,
Mobilitätskonzepten und
Lebensformen beschäf-
tigen, die durch die Digi-
talisierung ermöglicht werden und die sich
auf das nachbarschaftliche Miteinander aus-
wirken. Wir sehen ja, dass unsere Kinder sich
weniger treffen und mehr mit digitalen Spielen
beschäftigen. Wenn sie zusammen an einem
Tisch sitzen, dann reden sie nicht miteinander,
sondern kommunizieren via SMS oder Whats-
App. Was bedeutet das für die Nachbarschaft
und das Wohnumfeld? Mit dieser Frage müs-
sen wir uns als Gesellschaft insgesamt und
als Wohnungswirtschaft viel stärker ausein-
andersetzen.
Lars Ernst, Group Management Director, Aareal Bank AG, Wiesbaden
Wir müssen uns mit der Digitalisierung
auseinandersetzen
mehr bedürftig sind, trotzdem in Sozialwohnun-
gen bleiben. Weil damit objektgeförderte Woh-
nungen nicht mehr auf dem Markt sind, müssen
wir immer neue objektgeförderte Wohnungen
bauen. Deshalb sollte man dieses System auf den
Prüfstand stellen.
Wichtig ist zudem, dass die Politik sich mehr auf
Expertise verlässt und nicht immer ihre Doktrin
durchsetzt – zumal sich diese Doktrin sehr schnell
ändern kann. Mal heißt es, die städtischen Woh-
nungsbaugesellschaften sollen verkauft werden.
Dann heißt es, die Eigentumsquote ist zu nied-
rig, und 15% der Bestände sind zu privatisieren.
Dann wird das Ruder radikal herumgerissen, und
Eigentum ist plötzlich des Teufels, sodass keine
einzige Eigentumswohnung mehr gebaut wer-
den soll.
Not tut auch, sich mit dem Thema Bildung zu
beschäftigen. Dabei ist es nicht damit getan,
immer mehr Lehrkräfte einzustellen und die
Schulen zu sanieren. Vielmehr gehört auch dazu,
ein System zu bejahen, das auf Eigenverantwor-
tung und Leistungsbereitschaft basiert und eine
Differenzierung akzeptiert.
„Digitalisierung hat einen gesellschaftlichen Effekt,
der noch gar nicht richtig greifbar ist. Wir fangen
erst an, uns damit auseinanderzusetzen, welche
Konsequenzen z. B. die Künstliche Intelligenz hat.“