MARKT UND MANAGEMENT
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6|2018
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Update Grundsteuer – Bundesverfassungsgericht erklärt
Einheitswerte für verfassungswidrig
Am 10. April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die derzeitige Bemessungsgrundlage
für die Grundsteuer, die Einheitswerte, für verfassungswidrig und forderte den Gesetzgeber auf, bis zum
31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen. Die seit 20 Jahren andauernden Reformüberlegungen
müssen nun in anderthalb Jahren zu Ende gebracht werden. Die Wohnungswirtschaft favorisiert ein wert-
neutrales, rein flächenorientiertes Verfahren. Die Verfassungsrichter haben den Weg dafür freigemacht.
Mit dem Urteil des BVerfG vom 10. April 2018
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findet eine 20-jährige „Reformodyssee“ nun
kurzfristig ein Ende. Das BVerfG hat die derzei-
tige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer,
die Einheitswerte, für verfassungswidrig erklärt.
Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis zum
31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen.
Wenn es gelingt, die neue Bemessungsgrundla-
ge für die Grundsteuer in dieser Frist in Kraft zu
setzen, dürfen die Einheitswerte noch weitere
fünf Jahre, maximal bis zum 31. Dezember 2024,
der Ermittlung der Grundsteuer zugrunde gelegt
werden. Ansonsten darf die Grundsteuer ab dem
1. Januar 2020 nicht mehr erhoben werden.
Reformvorschläge gab es in den letzten 20 Jahren
viele. Diese reichen von am (Verkehrs-)Wert des
Grund und Bodens und/oder der Gebäude orien-
tierten Verfahren bis hin zu wertneutralen, auf
den Flächen des Grundstücks und des Gebäudes
basierenden Verfahren oder der Kombination aus
beidem.
Eckpunkte für eine Grundsteuerreform aus
Sicht des GdW und seiner Regionalverbände
Die Reform muss:
• aufkommensneutral erfolgen, d.h. das Ge-
samtvolumen darf nicht steigen,
• eine Bemessungsgrundlage zugrunde legen,
die ohne hohen Verwaltungsaufwand ermittel-
bar ist, den Mietwohnungsbereich angemes-
sen berücksichtigt (kein Sachwertverfahren),
nicht zu einer Erhöhung der Mietbelastung
führt und auch den wohnungswirtschaftlichen
Anforderungen bei der Weiterbelastung der
Grundsteuer an die Mieter gerecht wird,
• die Unterstützung einer nachhaltigen Stadt-
und Raumentwicklung ermöglichen.
Die Wohnungswirtschaft favorisiert ein wertneu-
trales, rein flächenorientiertes Verfahren. Die
Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hes-
sen haben mit dem sog. Südländer-Modell auf
Grundlage des Äquivalenzprinzips (siehe Exkurs)
einen Vorschlag für ein solches wertneutrales
Verfahren vorgelegt, das die Grundstücks- und
Gebäudeflächen als Bemessungsgrundlage für
die Grundsteuer vorsieht. Diese ließen sich
schnell ermitteln und wären leicht nachvoll-
ziehbar. Aufwändige Aktualisierungen wären
überflüssig. Aufgrund der relativen Konstanz
der Eingangsgrößen resultiert ein stetiges und
damit planbares Grundsteueraufkommen. Ein
ständiges Nachjustieren entfiele.
Dieser Reformvorschlag sollte daher als Aus-
gangspunkt für das nun anstehende Gesetzge-
bungsverfahren zur Neuregelung der Bemes-
sungsgrundlage dienen.
Entscheidung des BVerfG
Das BVerfG äußert sich nur vage zu dem für die
Neuregelung der Bemessungsgrundlage anzu-
wendenden Bewertungsverfahren. Das Urteil
enthält nur wenige, sehr allgemein formulierte
Anhaltspunkte. Insbesondere schreibt das BVerfG
nicht den Ansatz des Verkehrswertes des Grund-
stücks als Bemessungsgrundlage für die Grund-
steuer vor. Aber: Sollte der Gesetzgeber auf eine
wertorientierte Bemessungsgrundlage jeglicher
Art abstellen wollen, ist eine regelmäßige Neu-
bewertung sicherzustellen.
Das BVerfG betont in seinem Urteil an mehre-
ren Stellen, dass der Gesetzgeber sowohl bei
der Auswahl des Steuergegenstandes als auch
bei der Wahl der Bemessungsgrundlage einen
sehr großen Spielraum hätte. Der Spielraum
müsse nur prinzipiell geeignet sein, den Belas-
tungsgrund der Steuer zu erfassen. Wenn also
das Äquivalenzprinzip den mit der Grundsteuer
verfolgten Belastungsgrund vorgibt, wird auch
ein reines Flächenverfahren den Maßstäben des
BVerfG standhalten. „Einer an der Grundstücks-
und Gebäudegröße bemessenen Flächensteuer
… steht das Urteil … nicht entgegen, wenn der
zugrunde gelegte Maßstab konsequent und für
alle Grundstücke gleichmäßig zur Anwendung
kommt und auf diese Weise Unterschiede zwi-
schen den einzelnen Grundstücken maßstabs-
und realitätsgerecht erfasst werden. Eine rein
flächenbezogene Grundsteuer erscheint vor dem
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin
GdW
Vorstand GdW Revision AG
Berlin
Antje Große
Referentin Steuern
GdW
Berlin