DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2018 - page 62

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10|2018
Koschany:
Das stimmt. Der gesamte Prozess eines
Projekts ist völlig anders als beim „klassischen“
Bauen. Ein großer Vorteil bei der Vorfertigung
auf einer Werkstraße in der Halle sind die gleich-
bleibenden Bedingungen und die strenge Quali-
tätskontrolle. Die Ausführung der Module ist sehr
präzise, die Toleranzen sind deutlich kleiner als
im klassischen Massivbau. Alho hat wie wir einen
hohen Anspruch an gute Architektur. Zudembietet
das Systemdes Unternehmens eine große Varianz.
Unsere architektonische Idee von einer „Indivi-
dualität in Serie“ ist daher sehr gut umsetzbar.
Wie genau funktioniert kreatives Bauen mit
einemmodularen Baukastensystem?
Koschany:
Die Ausgangsfrage bei der Entwick-
lung des Baukastens war: „Was ist das kleinste
skalierbare Serienelement?“ Unsere Antwort:
ein Modul mit seinen Inhalten. Dafür gibt es aber
einen ganzen Kanon vonModulen, eineMatrix, aus
der Wohnungen individuell konfiguriert werden
können: z. B. einModul mit einemWohnraumund
einer Küche, eines mit einem Schlafzimmer und
einemBad, eines mit Kinderzimmer und Flur, usw.
Zuerst werden Wohnungsgrundrisse aus diesen
Modulen heraus maßgeschneidert und dann in ei-
ner Gebäudefigur um die jeweilige Erschließung
komponiert. So entstehen aus demWohnungsmix
heraus die Gebäude.
Normalerweise arbeiten wir Architekten ja eher
umgekehrt: Aus einer städtebaulichen Situation
heraus wird das Gebäude in seiner Kubatur kon-
zipiert und mit daraus entwickelten Grundrissen
versehen. Beim modularen Bauen, wie wir es be-
trachten, ist das eher andersherum: Es beginnt mit
durchdachten Grundrissen – und die sind amEnde
das Wichtigste für die späteren Bewohner. Dabei
führen selbst identischeWohnungstypen aufgrund
der immer unterschiedlichen Vorgaben so gut wie
nie zu ein und derselben Kubatur.
Das Vorurteil einer „Tristesse in Serie“ oder die
Sorge vor der „Platte 2.0“ sind aus unserer Sicht
absolut unbegründet. Tatsächlich ist die einzi-
ge Platte bei der Modulbauweise die betonierte
Bodenplatte. Es sei denn, die Gründung besteht
aus Streifenfundamenten. Dann gibt es gar kei-
ne Platte. Aber im Ernst: Das Bauen mit Raum-
modulen ist eine Bauweise und kein Ausdruck
städtebaulicher oder architektonischer Qualität!
Es kommt darauf an, was man daraus macht.
Würden Sie beide sagen, in der Modulbau-
weise liegt die Zukunft des Wohnungsbaus?
Koschany:
Wir sind zuversichtlich, dass die Mo-
dulbauweise einen nennenswerten Marktanteil
bei den anstehenden Bauaufgaben erreichenwird.
Wir brennen für die Idee des modularen Bauens im
Kontext des Wohnungsbaus. Er bietet eben ganz
andere Ansätze und Möglichkeiten als das kon-
ventionelle Bauen. Entscheidend für die Zukunft
modularen Wohnungsbaus wird aber sein, dass
es nicht mit belangloser, repetitiver Architektur
in Verbindung gebracht wird. Darum werben wir
auch dafür, dass sich die Architekten dem Thema
widmen.
Von welchen Vorteilen der Modulbauweise
kann die Wohnungswirtschaft denn beson-
ders profitieren?
Lauer:
Das sind vor allem die kurze Bauzeit, die
guten Möglichkeiten der Nachverdichtung und
die sauberen und leisen Baustellen. Gerade in der
Nachverdichtung wird in einem oft sehr engen
Wohnumfeld gebaut, in dem es wichtig ist, ohne
lange Belästigung der Anwohner durch Lärm,
Staub und Dreck zu bauen, wie das bei konven-
tionellen Baustellen der Fall ist. Unsere im Werk
vorgefertigten Module kommen mit einem sehr
hohen Vorfertigungsgrad von 70 bis 80% auf die
Baustelle. Sie werden innerhalb weniger Tage
montiert und dann bleibt nur noch eine sehr kurze
Ausbauzeit von maximal zwei bis drei Monaten,
die im direkten Wohnumfeld stattfindet.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Lauer:
Die Kosten für die Erstellung eines Mo-
dulgebäudes sind mit denen eines konventionell
errichteten vergleichbar. Aber aufgrund der
witterungsunabhängigen Produktion der Mo-
dule haben wir keine Schlechtwetterperioden,
welche die Bauzeit verzögern. Wir bauen das gan-
ze Jahr hindurch, und die Gebäude werden bis
zu 70% schneller fertiggestellt. Hierdurch lässt
sich zum einen die Finanzierungsperiode ent-
sprechend verkürzen, was sich wiederum positiv
auf die anfallenden Zinsen auswirkt. Immobilien
können schneller in Betrieb genommen und ver-
mietet werden und erzielen früher Einnahmen.
Die schnelle Bauzeit und frühere Bauverwendung
muss also eigentlich als geldwerter Vorteil mit
einkalkuliert werden. Das haben viele Bauherren
noch nicht wirklich realisiert.
Im gemeinsamen Dialog mit KZA entwickeln
wir das gesamte System ständig weiter. Gerade
werden beispielsweise neue Elemente für statisch
wie gestalterisch optimierte Balkone entwickelt.
Und auch die Vorfertigung an sich wird weiter
optimiert werden.
Was aber Entscheider auf Seiten der Investo-
ren, Bauträger und Wohnungsunternehmen von
vorneherein wissen müssen: Der gesamte Pla-
nungs- und Entscheidungsprozess ist beimmodu-
laren Bauen ein völlig anderer als beimklassischen
Bauen, woman ständig noch Entscheidungen um-
kehren und Details selbst im Baustadium ändern
kann. Wir betreiben integrale Planung, bei der alle
Fachdisziplinen von Anfang an zusammentreffen
und alle Entscheidungen im Vorfeld gebündelt
werden. Wenn wir dann die Produktion starten,
läuft der getaktete Just-in-time-Prozess, bei dem
der Endtermin auf den Tag genau fixiert ist. Ände-
rungen sind ab da kaummehr möglich. Aber genau
darin liegt ja auch unsere Stärke: Qualität schnell
zu schaffen bei absoluter Termintreue.
Koschany:
An der Stelle möchte ich kurz ergän-
zen, dass wir gemeinsamden gesamten Planungs-
prozess BIM-tauglich abwickeln, was imSinne der
Qualitäten eines ständig optimierten Prozesses
große Vorteile bringt.
Mit welchen Argumenten machen Sie bislang
potenziellen Bauherren die Qualität der
Modulbauweise deutlich?
Lauer:
Wir haben den großen Vorteil, dass wir seit
50 Jahren Modulgebäude bauen. Wir haben darin
eine große Erfahrung. Unser Portfolio umfasst
dabei nicht nur den Wohnungsbau, sondern eine
Die Raummodule werden zu barrierefreien bzw.
rollstuhlgerechten 2- bis 4-Zimmerwohnungen
zusammengesetzt
Im Modulbau werden die Bäder bereits
ab Werk gefliest und mit Sanitärausstattung
ausgerüstet
Quelle: Alho Holding GmbH
NEUBAU UND SANIERUNG
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