DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2018 - page 70

ENERGIE UND TECHNIK
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10|2018
Grenzwertnutzen von Energieeffizienzmaßnahmen
Energiewende in der Sackgasse – Neustart jetzt!
Die Energiewende ist an einem toten Punkt angelangt – die Verbraucher zahlen die Zeche in Form hoher
und weiter steigender Stromkosten. Für die Wohnungswirtschaft und ihre Mieter bedeutet sie enorme
finanzielle und planerische Belastungen. Dennoch wird Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen.
Denn in der deutschen Energiewende-Logik spielen Ressourcen- und Ergebniseffizienz bislang keine Rolle.
Eine im Auftrag des BBU erstellte Studie zeigt auf, wie eine Wende der Energiewende aussehen könnte.
Die Studiemit demTitel „Energiewende – Irrtümer
aufbrechen, Wege aufzeigen“ basiert auf der wis-
senschaftlichen Auswertung der Erfahrungenmit
einemmehrfach ausgezeichnetenModellquartier
des Berliner Wohnungsunternehmens Märkische
Scholle eG. ImMittelpunkt steht dabei die Frage:
Welches sind die Hebel, mit denen ein klimaneu-
traler Gebäudebestand wirtschaftlich und sozial
verträglich umgesetzt werden kann? Beauftragt
wurde die Studie insbesondere vor dem Hinter-
grund der derzeit auf Bundesebene laufenden
Diskussionen um eine mögliche Neuausrichtung
der Energiepolitik im Rahmen eines Gebäude-
Energiegesetzes (GEG).
Maren Kern
Vorstandsmitglied
BBU Verband Berlin-Brandenburgi-
scher Wohnungsunternehmen e. V.
Berlin
ENERGIERESSOURCEN
GRENZNUTZENBETRACHTUNG
Wärmedurchgangskoeffizient in W/m
2
K
Dämmstoffdicke in cm
Energieeinsparung
je 4 cm zusätzlicher
Wärmedämmung
in W/m
2
K
für einen Dämmstoff mit Wärmeleitfähigkeit von
λ
=0,04 W/mK
Am Beispiel der Dämmwertentwicklung einer
38er Mauerwerkswand mit zunehmender
Dämmstoffdicke wird deutlich: Das Energie-
system im Gebäude ist der „Schlüssel“ zur
Energiewende
Die Wurzel des Problems:
Fokus auf Dämmung statt Effizienz
Als Ursachen für die – angesichts ihrer hohen
Kosten für die Verbraucher – bislang unbefriedi-
genden Ergebnisse der Energiewende identifiziert
die Studie für den Gebäudebereich mehrere Fak-
toren. Dreh- und Angelpunkt dabei ist, dass nicht
die ganzheitliche – also bereits mit der Produktion
der Baustoffe beginnende – Reduzierung von CO
2
-
Emissionen der Maßstab für die Bewertung der
Effizienz gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen
ist, sondern der – in der Praxis eher fiktive – Pri-
märenergiebedarf einer Wohnung.
Deshalb wird die Wohnungswirtschaft gezwun-
gen, mit enormem Ressourcenaufwand in viel-
fach wenig effektive Maßnahmen zu investieren.
Zwei Beispiele:
1. Die Viel-hilft-viel-Logik geht bei der Dämmung
längst nicht mehr auf. Jenseits der Sicherstel-
lung der Behaglichkeit und einer unstrittig not-
wendigen auch baulichen Energieeinsparung
führt jeder weitere Zentimeter Materialauf-
wand nur zu einer exponentiell abnehmenden
Einsparung beim Heizwärmebedarf, während
der Kosten-, Ressourcen- und Primärenergie-
aufwand des Materials linear zunimmt. Die
Folge sind weiter steigende Baukosten bei al-
lenfalls noch minimalen Einsparergebnissen.
Trotzdem ist die Dämmdicke nach wie vor die
wesentliche Stellgröße innerhalb der deutschen
Fördersystematik.
2. Für die deutsche Energiewende ist das Einzelge-
bäude das Maß aller Dinge, obwohl seine isolier-
te Betrachtung die enormen CO
2
-Einsparhebel
– die z.B. bei der Energie- und Wärmeübertra-
gung oder in der Vernetzung von Gebäuden
innerhalb eines Quartiers liegen – völlig un-
berücksichtigt lässt. Aller längst vorliegenden
wissenschaftlichen Studien zur Sinnhaftigkeit
einer wesentlich stärkeren Quartiersorientie-
rung zum Trotz, findet ein Umdenken hier so-
wohl sehr langsamals auch sehr mühsam statt.
Quelle der Abbildungen: BBU
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