DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2018 - page 102

MARKT UND MANAGEMENT
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10|2018
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Warnung vor unseriösen Anbietern –
Kapitalanlagegenossenschaften breiten sich aus
In den letzten Monaten und Jahren haben sich Kapitalsammelstellen in der Rechtsform der Genossenschaft
gegründet und treten u. a. auch als Wohnungsgenossenschaften am Markt auf. Sie machen sich den guten
Ruf der Wohnungsgenossenschaften – die sich für bezahlbaren Wohnraum engagieren – zunutze und
versprechen unrealistische Renditen, ohne dem Förderzweck – ausreichend Wohnraum zu bieten – nachzu-
kommen. Der GdW hat deshalb spezielle Hinweise für potenzielle Anleger auf seiner Homepage eingestellt.
Bereits seit einigen Jahrengründen sich inDeutsch-
land in der Rechtsform der Genossenschaften
(noch wenige) Vehikel des grauen Kapitalmarkts,
die auch alsWohnungs- oder Baugenossenschaften
firmieren und auftreten. Diese Wohnungsgenos-
senschaften werben Mitglieder i.d.R. über einen
strukturierten Direktvertrieb ein und versprechen
– gemessen an der aktuellen Zinssituation – er-
staunliche Renditen. Zum Teil bedienen sie sich
dazu auch des durch die Genossenschaftsreform
2006 geschaffenen neuen Begriffs der „inves-
tierenden Mitglieder“. Dabei handelt es sich um
Mitglieder, die ausschließlich denGeschäftsbetrieb
finanziell unterstützen und das eigentliche genos-
senschaftliche Förderangebot nicht wahrnehmen
wollen oder können.
Häufig steht hinter diesen Genossenschaften ein
Geflecht von verschiedenen Firmen, die mit der
Genossenschaft entweder vertraglich oder über
Personenidentität der Organe verbunden sind und
die Leistungen für die Genossenschaft erbringen.
Die Renditeversprechen resultieren auch aus staat-
licher Förderung in FormvonWohnungsbauprämi-
en und/oder vermögenswirksamen Leistungen. Da
diese staatlichen Förderinstrumente i.d.R. an re-
lativ geringe Einkommensgrenzen gebunden sind,
ist klar, dass die gewonnenen Mitglieder eher im
unteren Einkommenssegment anzutreffen sind.
Die Einzahlung der Geschäftsanteile erfolgt häufig
über Ratenzahlungsvereinbarungen. Die Gefahr
eines Verlustes der Geschäftsanteile für die Mit-
glieder ist sehr groß. Zwei dieser Genossenschaften
haben bereits Insolvenz angemeldet.
Woran sind Kapitalanlagegenossenschaften
zu erkennen?
Merkmale dieser Vehikel sind:
• aktive Bewerbung der Beteiligung an einer Woh-
nungsgenossenschaft, z. T. durch Vermittler,
mit dem Versprechen hoher Renditen und der
Förderung in Form von vermögenswirksamen
Leistungen und/oder Wohnungsbauprämien –
die Nutzung einer Genossenschaftswohnung
steht nicht im Vordergrund,
• aktiver Vertrieb von Genossenschaftsanteilen
per Telefon,
• offene und verdeckte Provisionszahlungen an
den/oder die Vertriebspartner,
• Abschluss von Verträgen mit externen Dienst-
leistern (z.B. Vermittlungsbüros zumAnwerben
neuer Anleger), an denen z. T. Organmitglieder
der Genossenschaft beteiligt sind,
• Beschneidung der Mitgliederrechte, d.h. Auf-
nahme von investierenden Mitgliedern ohne
Stimmrecht,
• häufige Wechsel der Vorstands- und Aufsichts-
ratsmitglieder,
• enge verwandtschaftliche Verknüpfungen
zwischen Mitgliedern des Vorstands und des
Aufsichtsrats, teils Personenidentität der Or-
ganmitglieder über verschiedene solcher Ge-
nossenschaften hinweg,
• nicht satzungskonforme Besetzung des Auf-
sichtsrats (ständige Unterbesetzung),
• Ausschluss der Haftungsbegrenzung auf einge-
zahlte Geschäftsguthaben in der Satzung (sog.
Nachschusspflicht).
Im Gegensatz zu traditionellen Wohnungsgenos-
senschaften ergeben sich darüber hinaus weitere
spezifische Merkmale:
• Im Verhältnis zu den eingeworbenen Genossen-
schaftsanteilen (Eigenkapital der Genossen-
schaft) besteht nur ein geringfügiges Immobili-
envermögen auf der Aktivseite der Bilanz.
• Im Vergleich zur Mitgliederzahl gibt es nur eine
geringfügigeWohnungsversorgung der Mitglie-
der der Genossenschaft, häufig ist das Nichtmit-
gliedergeschäft überwiegend.
• beim Immobilienvermögen handelt es sich nicht
nur um Wohnungen, sondern auch um Gewer-
beimmobilien, wie z.B. Hotels; z.T. handelt es
sich aber auch nur um Anteile an Immobilien-
fonds.
Wie hat der Gesetzgeber reagiert?
Ausgangspunkt für die Frage, ob es sich bei
solchen Genossenschaften um Kapitalanlage-
genossenschaften handelt, ist das Kapitalanla-
gegesetzbuch (KAGB). Zur Auslegung desselben
gibt es ein Schreiben der Bundesanstalt für Fi-
nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 9. März
2015, wonach Genossenschaften grundsätzlich
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin
GdW
Vorstand GdW Revision AG
Berlin
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