DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2016 - page 51

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7|2016
Portfoliomanagement
Zwischen Leerstand und Sanierung
Im ostdeutschen industriellen Wohnungsbau zeichnet sich eine zweite Sanierungswelle ab.
Die nach der Wende in Angriff genommenen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen
unterliegen – wie jedes andere Bauvorhaben auch – einer zyklischen Erneuerungsrate.
Diese zweite Sanierungswelle steht im Kontext
verschiedener externer Einflüsse: Erstens ist zu
konstatieren, dass sich die Ausgangssituation im
industriellen Wohnungsbestand gegenüber der
ersten Sanierungswelle geändert hat. Die bis
dato auf den Typengrundrissen der DDR-Woh-
nungsbaureihen basierenden Lösungen haben
in der ersten Sanierungsphase eine weitgehende
Individualisierung aufgrund unterschiedlicher
Planungsansätze erfahren.
Zweitens kommen neue Anforderungen des Woh-
nungsmarktes undwohnungspolitische Aufgaben-
stellungen der Wohnungsunternehmen hinzu. Im
Mittelpunkt steht dabei der preiswerteWohnraum
für breite Bevölkerungsgruppen.
Drittensmüssen zur Finanzierung der anstehenden
Sanierungswelle von denWohnungsunternehmen
oftmals neue Kredite aufgenommenwerden, weil
die notwendigen Maßnahmen nicht allein durch
vorhandene Liquidität zu finanziert werden kön-
nen. Bei einer großen Anzahl von Unternehmen im
vtw-Verbandsgebiet ist jedoch die Entschuldung
von in der Vergangenheit aufgenommenen Fremd-
mitteln noch lange nicht vollzogen und somit eine
Kreditneuaufnahme in erforderlichemUmfang oft
nicht möglich.
Und viertens ergeben sich darüber hinaus Her-
ausforderungen aus dem Mietrecht, welche die
Umsetzung erschweren. Das gilt schon bei Be-
trachtung der aktuell geltenden Gesetze, darü-
ber hinaus droht ein zweites Mietrechtspaket mit
schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf
Modernisierungsvorhaben.
Die durchschnittlichen Nettokaltmieten der vtw-
Unternehmen liegen bei nur 4,78 €/m2. Um dau-
erhaft eine Wohnung zu bewirtschaften und zu
erhalten, sind höhere Mieten notwendig. Diese
Mieten lassen sich jedoch aufgrund des niedrigen
Lohnniveaus und weiterer sozialer Probleme flä-
chendeckend am Thüringer Markt nicht erzielen.
Fertigteilsanierungskonzepte
Aus alldem folgt, dass neue Wege und Ansätze
gesucht werden müssen, wie eine bezahlbare und
zukunftsfähige Bestandsentwicklung ermöglicht
werden kann. In Thüringen soll – ausgehend vom
Ansatz des seriellenNeubaus – untersuchtwerden,
ob undwie sichTypenbauten eignen, umüber Stan-
dardisierungen Skaleneffekte und damit günstigere
Modernisierungen erreichen zu können.
Eine verstärkte Ausrichtung zur Modularisierung
und Vorfertigung von Bauteilgruppen im Bereich
der konstruktiven Bauteile und technischen Aus-
rüstungen ist damit oberstes Gebot.
Trotz individueller Sanierungsmaßnahmen im in-
dustriellenWohnungsbestand (zumindest in Ost-
deutschland) sind die grundlegenden Ausgangs-
positionen wie Erschließung, Tragkonstruktion,
technische Versorgungsstränge und Ausbaukon-
struktionen unberührt geblieben und bieten Vor-
aussetzungen für ein Fertigteilsanierungskonzept.
Es erscheint deshalb sinnvoll, Modellprojekte re-
gional zu analysieren, die Konstruktionen zu ra-
tionalisieren und Basisbaukästen für Sanierungs-
maßnahmen zu entwickeln. Dabei geht es nicht um
stereotype Kopien von Sanierungsbeispielen im
industriellenWohnungsbau, sondern vielmehr um
die intelligente Entwicklung von wandlungsfähi-
gen und anpassungsfähigen Ausbau-, technischen
Strukturen und Hüllkonstruktionen.
Durch offene Baukastensysteme können Mög-
lichkeiten zur Verknüpfung unterschiedlicher
Materialien und Elemente im Interesse der Her-
ausbildung einer anspruchsvollen Architektur und
einer intelligenten, an Lebenszyklen angepassten
Ausbaustruktur erschlossen werden.
Die Fülle von Vorschriften, Innovationen und neu-
en Materialien im Bauwesen bewirkt, dass Planer
vielfach auf bewährte, traditionelle Ausbauver-
fahren und bekannte Materialien zurückgreifen
und somit Potenziale der Vorfertigung weitest-
gehend ungenutzt bleiben. Die Folge davon ist die
immer stärkere Spezialisierung der Planer mit der
Gefahr einer fehlenden objektiven Einschätzung
der Leistungsfähigkeit anderer Bauverfahren,
Konstruktionen und Materialien.
Folgende Erkenntnisse kristallisieren
sich für Thüringen heraus
Der Anteil von Plattenbauten liegt bei 65%, gefolgt
von 20% in Block- und 15% in Streifenbauweise.
Der Gebäudebestand in Block- und Streifenbauwei-
se ist weitestgehend saniert bzw. teilsaniert. Die
sich abzeichnenden Bedarfe für einen kurz- bzw.
mittelfristigen Zeitraum liegen bei den Platten-
baubeständen. Die Schwerpunkteweiterführender
Untersuchungen sollten daher auf den industriel-
len Plattenbau gelegt werden.
Dabei ist zu beachten, dass die heutigeWohnungs-
belegung perspektivisch veränderten Haushalts-
strukturen Rechnungen tragen muss. So müssen
künftige Bedarfe, wie z. B. barrierefrei ausgestat-
tete Wohnungen, berücksichtigt werden. Wei-
terer Bedarfe gelten laut einer Erhebung für
Umgestaltungsmaßnahmen mit nachträglichen
Balkonanlagen, Aufzugsanlagen, Badumbau mit
schwellenfreien Duschen und allgemeine Grund-
rissänderungen in Höhe von 30%des industriellen
Wohnungsbaubestandes.
Das Thema „zweite Sanierungswelle” ist derart
umfassend, dass der vtw plant, es mit anderen
Verbänden und wissenschaftlichen Partnern zu-
sammen zu bearbeiten.
Constanze Victor
Verbandsdirektorin
Verband Thüringer Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft e. V. (vtw)
Erfurt
THEMA DES MONATS
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