DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2016 - page 41

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Erfindergeist
Bis auf zwei ältere Damen, die für je eineWoche in
eine Gästewohnung der Wohnungsgenossenschaft
zogen, blieben alle Mieter während der Bauzeit in
ihren eigenen vier Wänden. „Ich habe die Heizung
extra so konstruiert, dass der Einbau in bewohn-
temZustand problemlos möglich ist, weil ichweiß,
wie wichtig das für die Wohnungswirtschaft ist“,
erklärt der Konstrukteur Josef Blome. Der Unter-
nehmer ist seit über 25 Jahren auf Sanierungs-
lösungen im Bestand spezialisiert und Inhaber
zahlreicher Patente - so z. B. die Badlösung, mit
der Bäder innerhalb weniger Tage in bewohntem
Zustand saniert werden können.
Das Prinzip
Die neue Heizungslösung besteht aus schmalen,
weißen Heizpaneelen, die 25 cm breit und 3 cm
hoch sind. Sie werdenwie ein Fries unauffällig am
äußeren Rand der Decke auf Putz verlegt. Daher
auch der Name „Corner“, was auf Englisch „Ecke“
bedeutet. Fußboden undWände bleiben somit frei.
Zudem ist die Heizung vorteilhaft für barrierefrei-
es Wohnen. „Die Idee ist wirklich gut. Gerade in so
einer alten Anlage sind Heizkörper oft an ungüns-
tigen Stellen, z. B. hinter der Tür, und nehmen viel
Platz weg. Wenn die Heizkörper entfallen, ist ein
Umbau viel einfacher“, so Projektleiter Karl-Heinz
Kalka von der 1904 e. G.
ImGegensatz zur herkömmlichen Deckenheizung
wird hier nicht die ganze Deckenfläche erwärmt.
„Das spart unglaublich viel Material und Kosten.
Und es wird trotzdem überall gleich warm. Auch
am Boden und in den Ecken. Messungen des auf
Heizungs- und Klimatechnik spezialisierten Prüf-
labors WSP-Lab in Stuttgart belegen dies. Das
sorgt nicht nur für ein behagliches Raumklima,
sondern garantiert auch Schimmelfreiheit“, so
Josef Blome.
Sein Geschäftspartner TomBecker ist Diplom-In-
genieur für Versorgungstechnikmit Schwerpunkt
Heizungstechnik und außerdem Geschäftsführer
der Corner GmbH. Er berechnet, wie viele Heiz-
paneele pro Raum nötig sind, um die gewünschte
Zimmertemperatur zu erreichen. Das kann je nach
Raumgröße variieren. BeimHamburger Pilotpro-
jekt waren es in der Regel drei Seiten der Decke,
diemit Heizpaneelen ausgestattet wurden. Möbel
mussten dazu nicht verrückt werden.
Montage in den Wohnungen
„Die Monteure haben strukturiert gearbeitet und
ihre Arbeit sehr gut vorbereitet. Von unseren
Mitgliedern gab es keinerlei Beschwerden. Der
Einbau war sozusagen minimalinvasiv, das war
schon sehr überzeugend“, lobt Karl-Heinz Kalka.
ImTreppenhaus hingen Fotos und Handynummern
der Monteure aus, so dass bei Fragen sie jederzeit
erreichbar waren.
Im Gegensatz zu einer Fußbodenheizung ist die
Deckenheizung reaktionsschnell und kann wie
ein Lichtschalter ein- und ausgeschaltet werden.
Vorheizen ist nicht nötig. Auch die Heizmitteltem-
peratur ist niedriger als bei anderen Heizungen.
„Gegenüber einer konventionellen Radiatoren-
heizung spart die Corner zwischen 20 und 50%
Energie“, erklärt Tom Becker.
„Dank der hohen Wärmeausbeute braucht man
auch kein WDVS mehr. Das spart viel Geld und
aufwendige Dämmmaßnahmen. Das hohe Ener-
gieeinsparpotenzial und die vollständige Recy-
clingfähigkeit der verwendeten Module machen
die Heizung darüber hinaus zu einem besonders
umweltbewussten System“, argumentiert Josef
Blome.
„Mit dieser Deckenheizung ist es uns gelungen,
alle Anforderungen an Flächenheizungen für die
Bestandssanierung im Geschosswohnungsbau
umzusetzen.“ Der Sanierungsexperte bezieht sich
dabei auf einen Vortrag von Dr. Ingrid Vogler, Re-
ferentin für Energie, Technik und Normung vom
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen. Bei einem Symposium
des Bundesverbandes Flächenheizungen und Flä-
chenkühlungen e. V. im November 2014 in Ber-
lin hatte sie sechs Kriterien aufgelistet: geringe
Aufbauhöhe, geringe Bauzeit, geringes Gewicht,
gute und zeitnahe Regelbarkeit, keine Verschlech-
terung des Trittschallschutzes und Kosten, die ins
Sanierungskonzept passen. „Alle Punkte werden
hier erfüllt und z. T. sogar übertroffen.“
Mieterreaktionen
Rentnerin Gerda Gille, 87 Jahre, war erst skep-
tisch. „Aber jetzt bin ich begeistert! Ich habe
Asthma bronchiale. Jetzt kann ich freier atmen
und huste nachts kaum noch, während ich frü-
her gerade zu Beginn der Nacht sehr viel husten
musste. Auch die Wärme ist eine ganz andere. So
wohlig und behaglich. Zudem ist sie imRaum sehr
gleichmäßig verteilt. Auch am Fenster ist es jetzt
nicht mehr kühler als im Rest des Zimmers.“
Auch der Auftraggeber ist zufrieden. „Wir ha-
ben die Corner erst Anfang des Jahres in Betrieb
genommen, sodass wir zu den Einsparungen bei
den Heizkosten erst nächstes Jahr etwas sagen
können. Aber es funktioniert alles bestens und es
hat sich auch niemand beschwert. Das ist für uns
immer ein gutes Zeichen. Insgesamt ist die Lösung
ein sehr interessantes System, vor allem, wenn sie
so einen positiven Effekt auf Allergiker hat“, bilan-
ziert der Vorstand der Wohnungsgenossenschaft
von 1904 e. G.
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
Quelle: Corner
Gründung:
1904
Wohneinheiten:
3.673
Mitglieder:
ca. 4.600
Mitarbeiter:
31
Instandhaltungs-/Modernisierungs­
budget in 2015:
8,4 Mio.
Bilanzsumme aus 2014:
185 Mio.
Leerstandsquote:
unter 1%
INFOS ZUR WOHNUNGSGENOSSEN-
SCHAFT VON 1904 E.G.
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
So sieht es innen aus: Die Heizrohre sind aus
Kupfer, die weißen Strahlplatten aus Aluminium.
MDF-Platten fungieren als Träger
1...,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40 42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,...92
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