NEUBAU UND SANIERUNG
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7|2016
schleunigen, plante Holger Kappler das Wohn-
heim mit weitestreichender Vorfertigung und
geringem Anteil an Trockenbaumaßnahmen, da
diese zu zeitaufwendig und damit teuer gewesen
wären: Man kann sich dieses Gebäude auch prob-
lemlos mit vier oder fünf Geschossen im verdich-
teten, urbanen Raum vorstellen, so unaufgeregt
und sachlich, so angenehmhaptisch und natürlich
sei dessen Ausdruck, sagte er.
Sichtoffene Holzoberflächen
Das äußere Erscheinungsbild wird von einer hin-
terlüfteten, vertikalen Douglasien-Brettschalung
mit doppelter Lattung geprägt. Darauf folgt eine
Holzfaserplatte, die einen mit eingeblasener Zel-
lulose gedämmten, 180mm tiefen KVH-Holzrah-
men abschließt, der innenseitig von einer 1,5 cm
dicken und luftdicht verklebten OSB-Platte, die
zugleich als Dampfbremse fungiert, ausgesteift
wird. Geklebte Gipsfaserplatten ohne Spachte-
lung finalisieren den Aufbau der Außenwand. Die
Zimmertrennwände hingegen haben aus Schall-
schutzgründen einen doppelten Aufbau erhalten:
Zwei mittels einer stehenden Luftschicht von
2 cm voneinander getrennte Bauteile - brand-
schutzbedingt hier jeweils mit 100 mm Mine-
ralwolle gedämmt. Deren sichtbare Seiten be-
plankte man mit 22mm dicken 3-Schichtplatten
aus Fichtenholz. Obschon deren Verschraubung
zu erkennen ist, erzeugen die Massivholzplatten
eine behagliche Raumatmosphäre. Die Flächen
der Fenster- und Türseiten bekleidete man aus
Brandschutzgründen mit Gipsfaserplatten, wäh-
rend der Bodenbelag aus Linoleum besteht, der
auf einem Zementestrich verlegt wurde. Das
Ergebnis sind 2,55 m hohe Räume, die mit ih-
ren Oberflächen und Materialien auch auf den
mehrgeschossigen Mietwohnungsbau übertrag-
bar sind.
Dazu passend wurden auch die Geschossdecken
mit den sichtoffenen 3-Schichtplatten beplankt.
Deren Aufbau basiert auf 180 mm KVH-Decken-
balken mit 100 mm Mineralfaserdämmung so-
wie einer Basaltsplit-Schüttung von 80 mm zur
Minimierung des Trittschalls. Die Dachelemente
bestehen aus vorproduzierten, 100 mm starken
BSP-Elementen mit einer einfach geschliffenen
Oberfläche in Sichtqualität, gefolgt von einer
Dampfsperre. Eine 200 mm dicke EPS-Lage mit
2% Gefälldämmung, ein Glasvlies sowie eine
Folienabdichtung schließen das Flachdach sicher
gegen Nässe ab.
Blaupause für weitere Bauvorhaben
War der Bau des ersten Riegels aufgrund des Zeit-
drucks auf informeller Basis vergeben worden, so
lud dasMinisteriumfür die Vergabe der Riegel 2+3
zu Fachgesprächen über die Handwerkskammern.
Um die Baugeschwindigkeit weiter hoch zu hal-
ten, und um die Synergieeffekte vom ersten Rie-
gel nutzen zu können, erfolgte die Ausschreibung
auf Basis des Entwurfs von Riegel 1. Im Zuge der
Vergabe einigte sich Holger Kappler mit den bei-
den Geschäftsführern Reinhard Adams (Riegel 2)
und Roland Bott (Riegel 3) im Sinne eines part-
nerschaftlichen Einvernehmens hinsichtlich der
Übernahme der Werkstattplanung. Der gelungene
Bau der Erstaufnahme-Unterkunft im Hunsrück
in nur 75 Tagen dient als Blaupause für weitere
Bauvorhaben in ganz Rheinland-Pfalz. Was einmal
gut geplant und umgesetzt wurde, muss an ande-
rer Stelle nicht neu erfunden werden. Das spart
Zeit und Geld. Kommunen wie Holzbauer können
auf die Pläne und die Leistungsverzeichnisse auf
der Webseite des Ministeriums zurückgreifen. Des
Weiteren sollen schnelle Genehmigungsverfahren
und zinslose Darlehen den Bauprozess beschleu-
nigen.
Insgesamt wurden für den Bau des ersten Riegels
ca. 250 m2 massives Holz eingesetzt. Dies ent-
spricht einemKohlenstoffanteil von umgerechnet
ca. 62 t, woraus eine CO2-Speicherung von über
229 t resultiert.
Die Kosten von 1.025 €/m2 Bruttogeschossfläche
– ohne die Kosten für Grundstück und Außenan-
lagen – beruhen auf der vereinfachten, systemi-
schen Bauweise sowie auf einer vereinheitlichen
Ausführung. Dabei wurden keine Kompromisse
eingegangen was Materialität, Energiestandards
und Luftdichtheit betrifft. Ein klares Signal be-
wusster Einfachheit.
Bauherr:
Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz, D-55116 Mainz
Entwurfsplanung:
Holzbau Kappler GmbH & Co. KG, D-56412 Gackenbach-Dies
Statik/Brandschutz/ Wärmeschutz/ Schallschutz:
Pirmin Jung Deutschland GmbH, D-53489 Sinzig
Generalübernehmer Riegel 1:
Holzbau Kappler GmbH & Co. KG, D-56412 Gackenbach-Dies
Generalübernehmer Riegel 2:
Adams Holzbau-Fertigbau GmbH, D-56651 Niederzissen
Generalübernehmer Riegel 3:
Bott Bau GmbH, D-55452 Guldental
U-Werte
Bauteil Außenwand:
U = 0,24 W/m2k
Bauteil Dach:
U = 0,147 W/m2K
Start Planung:
September 2015
Fertigstellung Riegel 1:
18. Dezember 2015
(1. Bauabschnitt schlüsselfertig)
Fertigstellung Riegel 2:
15. April 2016
Fertigstellung Riegel 3:
29. April 2016
Riegel 1
Bruttorauminhalt (BRI):
4.315 m2
Bruttogeschossfläche (BGF):
1.414 m2
Nettogrundfläche (NGF):
1.214 m2
Baukosten (netto):
ca. 1.450.000 € (ohne Grundstück + Außenanlagen)
Kostengruppen 300/400 nach DIN 276:
BRI: 336 €/m2
BGF: 1.025 €/m2
NGF: 1.194 €/m2
RAHMENDATEN
Die außenliegenden Fluchttreppen aus Edelstahl sind Teil des entwickelten
Brandschutzkonzeptes, das F 30 in den Zimmern, F 60 in den Gängen und
F 90-B in den mit doppelten Gipsfaserplatten ausgestatteten Treppenhäusern
ausweist.