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oder Grundwasserbrunnen, die auch als großer
Saisonalspeicher dienen, überschüssige Wärme
im Sommer aufnehmen und im Winter zur Ver-
fügung stellen. So können Gebäude preiswert
gekühlt oder gewerbliche Abwärme abgeführt
werden. Die Einbindung von Solaranlagen ist
eine weitere Option, das kalte Nahwärmenetz
mit Umweltenergie zu speisen.
Die große Einsparung gegenüber klassischen Fern-
wärmenetzen liegt in der niedrigen Netztempe-
ratur. Kalte Wärmenetze arbeiten zum Teil mit
nur 10 °C. Hier ist nicht mal eine Isolierung der
Leitungen nötig, was wiederum die Investitions-
kosten mindert. Selbst bei 30 °C, wie in einigen
Netzen vorzufinden, treten kaumWärmeverluste
auf, während klassische Fernwärmenetze imSom-
mer bis zu 50% Verteilverluste aufweisen.
Zur Verringerung der Betriebs- und Investitions-
kosten kann die Kombinationmit Spitzenlastkessel
oder einem Blockheizkraftwerk (BHKW) beitra-
gen. Letzteres kann durch seine Motorabwärme
effizient die hohen Temperaturen für das Trink-
warmwasser bereitstellen und zugleich den Strom
der Wärmepumpe erzeugen. Sowerden aus 1 kWh
Gas mehr als 2 kWh Wärme.
In Berlin Realität für 22 Neubauhäuser
Genau diese Variante wurde jetzt imMai in Berlin
Realität. Der Berliner Wärme- und Kältespezia-
list Geo-En bindet dort 22 Neubauhäuser, i. d. R
4-Geschosser, mit 21.000 m
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Wohnfläche in ein
solches Projekt ein, die so beheizt und gekühlt
werden. Kern der Anlage ist ein 1.200 m langes
kaltes Wärmenetz mit 10 °C. Aufwändige Rohr-
isolierungen seien deshalb, so Geo-En-Mit-
gründer und Gesellschafter Michael Viernickel,
überflüssig.
Für Wärme sorgen 48 Erdwärmesonden von
knapp 100 m Länge, ein BHKW mit 70 kW elek-
trischer und 104 kW thermischer Leistung, das
die Wärmepumpen mit Strom beliefert, sowie
zwei Gaskessel für die Spitzenlast und als Back-
uplösung, da die BHKWs hin und wieder gewartet
werden müssen. Unter der Straße sind unterirdi-
sche Heizzentralen mit den Wärmepumpen und
Speichern installiert, die für die nötigen Tempe-
raturen der angeschlossenen Häuser sorgen. Ein
eigenes Stromnetz verbindet die Wärmepumpen
untereinander, so dass keine Netzentgelte fällig
werden. Ein Datennetz ermöglicht die Regelung
und das Monitoring aller beteiligten Kompo-
nenten. Der erreichbare Wärmepreis liegt ohne
Abschreibung und kapitalgebundene Kosten bei
etwa 60% der Brennstoffkosten für Erdgas, also
bei 0,04 €/kWh brutto.
Warum fiel die Wahl in Berlin-Zehlendorf auf ein
kleines, kaltes Wärmenetz? „Ein Netz macht ge-
nerell nur dann Sinn, wenn Erzeuger, Verbraucher
und Speicher nicht an einem Ort sitzen“, erklärt
Viernickel. „Genau das ist hier der Fall. Das BHKW
hat eine eigenen Zentrale, dieWärmepumpen sind
auf vier Standorte verteilt und die 48 Erdsonden
liegen auf demgesamten Gelände.“ Diese ermög-
lichen über das Netz auch die Kühlung der Woh-
nungen imSommer, wobei die Erde durch die dort
abgeleitete Wärme wieder aufgewärmt wird. Das
dient ihrer Regeneration imSinne einer saisonalen
Wärmespeicherung.
Dem Bauherren, einem Projektentwickler, leuch-
teten vor allemdie Einsparpotenziale und die Op-
tion kostenloser Kühlung ein, die sich aus dieser
gleichermaßen zentralen und dezentralen Lösung
ergaben. Sowohl Gas als auch Fernwärme wären
teurer gewesen. Zudem trägt dieses Konzept zur
Wertsteigerung und für die Zukunftssicherheit
durch Einsatz erneuerbarer Energien bei.
Detail eines kalten Wärmenetzes in Haßfurt mit dem Anschluss zu
einem Abnehmer. Eine Isolierung ist nicht nötig, die Verlegung ist
unkompliziert und erfolgte mit der Neuverlegung der Wasserleitungen
Quelle: Stadtwerk Haßfurt
Wärmepumpe des Netzes in Dollnstein
Quelle: Ratiotherm
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