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11|2015
Zweischaliges Massivmauerwerk
Reduzierte Geschosszahlen sowie eine lockere
Höhenstaffelung sind alltägliche Aufgaben in der
Architektur undmit unterschiedlichen Bautechni-
ken umzusetzen. Dabei geht es auch umAttribute
wie tragend oder nichttragend, schall- bzw. wär-
medämmend – und natürlich um die Wirtschaft-
lichkeit sowie Investitionskosten.
Die TravembH, gegründet imJahr 1928, blickt auf
eine fast 100-jährige Erfahrung imWohnungsbau
zurück und ist überzeugter Gegner von Wärme-
dämmverbundsystemen (WDVS). Die Entschei-
dung zugunsten einer zweischaligen Wand mit
Kerndämmung ist also nicht der in Norddeutsch-
land vorherrschenden Klinkertradition geschul-
det, sondern ein Resultat kaufmännischer Erfah-
rung und der Fähigkeit, zwischen Investitions- und
Unterhaltungskosten unterscheiden zu können.
Die Vorgabe einer zweischaligen Wand mit Kern-
dämmung setzt zudemauf Wertigkeit und legt die
Messlatte für alle nachfolgenden bautechnischen
Entscheidungen hoch.
Zweischaliges Massivmauerwerk hat in Schleswig-
Holstein Tradition. Über die Jahrzehnte entwickel-
te sich eine gesetzte Dreieinigkeit aus Klinker,
Kerndämmung und oft auch „weißer Wand”.
Schallschutz
Gute Wärmedämmleistung geht meist mit ge-
ringer Dichte einher, was sich bei Baustoffen zu
Lasten der Schalldämmung auswirken kann. Die
Detailplanung der Wohnungstrennwände und De-
cken erfolgte deshalb in enger Zusammenarbeit
mit dem auf Akustik und Thermische Bauphysik
spezialisierten Hamburger Büro Taubert und Ruhe.
Hier konnte der Systembaukasten des Ziegel-
sortimentes voll ausgespielt werden.
Durch das Lübecker Akustiklabor Nord durchge-
führte Schallmessungen nach Fertigstellung des
ersten Bauabschnittes bestätigten die theoreti-
schen Annahmen: Die gemessene exemplarische
Wohnungstrenndecke und -trennwand erfüllen die
Mindestanforderungen nach DIN 4109. Sämtli-
che Schallschutzberechnungen erfolgten nach der
EN 12354.
Harmonische Gesamtstruktur
Alle fünf Gebäude entlang der Tilsitstraße ha-
ben das gleiche Erscheinungsbild: Klinkerschale
mit hellgelben Wasserstrichziegeln und weißen
Kunststofffenstern verleihen dem Quartier ins-
gesamt eine helle und freundliche Ausstrahlung.
Die durchgängige Bossenstruktur in den Sockel-
verkleidungen sowie wiederkehrende Ziegelorna-
mente jeweils zwischen zwei Fenstern verbinden
die fünf Gebäude zu einer harmonischen Einheit.
Standardwohnungstypenwirdman hier nicht fin-
den: Pro Etage wurde der Grundriss jeder Woh-
nung individuell geplant und entwickelt. Die Kü-
chen sind zumWohnzimmer hin geöffnet, sodass
– trotz durch den geförderten Mietwohnungsbau
bedingter sparsamer Raumgrößen – eine gewis-
se Großzügigkeit entsteht. Nicht tragende Zim-
mertrennwände in Leichtbauweise ermöglichen
auch spätere Grundrissänderungen. Mit einem
Jahres-Primärenergiebedarf von 31,5 kWh/m
2
wird der gemäß EnEVmaximal zulässigeWert von
58 kWh/m
2
a deutlich unterschritten. Somit ergibt
sich ein gegenüber der EnEV (2009) um 33% er-
höhter Dämmstandard – der KfW-Effizienzhaus-
55-Standard wurde erfüllt.
Objektadresse:
Tilsitstraße 10-36, Lübeck
Bauherr:
Grundstücks-Gesellschaft
Trave mbH, Lübeck
Städtebauentwurf/
Hochbauplanung:
LPH 1-5: Zastrow + Zastrow,
Stadtplaner + Architekten, Kiel
LPH 6-8: Knabe + Horn, Das
Bauleitungsbüro, Lübeck
Gesamtwohnfläche
(1.+ 2. Bauabschnitt): 6.607 m
2
Jahres-Primärenergiebedarf:
31,5 kWh/m
2
a
U-Wert Außenwand:
0,16 W/(m
2
K)
Energie-Standard:
KfW-Effizienzhaus 55
Bausumme gesamt:
ca. 10,5 Mio. €
BAUTAFEL
Architektonische Raffinesse im Mehrgeschossbau: Die gestalterischen
Details wie abgerundete Ecken lassen sich bei der doppelschaligen
Wand mit Mauerziegeln realisieren
Quelle: Zastrow + Zastrow, Kiel
Quelle: Zastrow + Zastrow, Kiel
Gesundes Raumklima: Auch bei den tragenden
Innenwänden setzten die Bauplaner auf Unipor-Mauerziegel