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11|2015
die Nachbarschaften. Zwei Dolmetscher wurden
eingestellt, die Englisch sowie arabische Sprachen
sprechen. „Sie arbeiten an der Schnittstelle zwi-
schen den Büros und den Problemen drumherum
und helfen auch, bei den Nachbarn Verständnis
aufzubauen.“ Inzwischen konnte die Wankendor-
fer rund 50 unbefristeteMietverträgemit ehema-
ligen Asylbewerbern schließen.
Mit ihren neuenMieternmacht die Genossenschaft
unterschiedliche Erfahrungen. „Syrer und Iraker
mit ihremmeist höheren Bildungsstand sind inten-
siv an Teilhabe und Arbeit interessiert und passen
sich an. Dagegen bereitet z. B. den Menschen aus
Eritrea das Handling der Wohnungmehr Probleme.
In einigen Fällen, wo es gar nicht passte, haben
wir die Kommune gebeten, Korrekturen vorzu-
nehmen“, erklärt Knüpp. Das Risiko „herunter-
gewohnter“Wohnungen trägt die Genossenschaft
aber nicht: „Wir haben die Kommunen verpflich-
tet, für Schäden aufzukommen.“
Auch die wankendorfer baut derzeit in Bad Sege-
berg eine Gemeinschaftsunterkunft mit 72 Woh-
nungen nach dem Kieler Modell. „Die Kommune
mietet das Gebäude mit ganz normalen Stan-
Motive der Kampagne „Dortmund wohnt bunt“. Die
fünf an der Kampagne beteiligten Dortmunder Woh-
nungsunternehmen – DOGEWO 21, gws-Wohnen,
LEG, Spar- und Bauverein und Vivawest – verfügen
gemeinsam über einen Bestand von rund 55.000
Wohnungen
Quelle: DOGEWO21
kommt es auf die Höhe der Investitionen an, wir
bekommen hier Mieten zwischen 6,50 und 7,50
€/m
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. Im vergangenen Jahr konnten wir mit der
Vermietung an Flüchtlinge noch punktuellen Leer-
stand abbauen, den haben wir kaum noch. Gene-
rell müssenwir uns der Realität der Zuwanderung
auch unternehmerisch stellen, denn natürlich ver-
folgen auch wir eine Strategie der langfristigen
Mietergewinnung.
Wie bekommen Sie diese neue Mieterschaft
organisatorisch in den Griff?
Der personelle Aufwand bei den unterschiedlichen
Formen der Unterbringung ist in der Tat signifikant
höher als bei einer „normalen“ Vermietung. Die
Nachbarschaften müssen analysiert und sensibi-
lisiert werden, Mitarbeiter ausgebildet werden. Es
gibt sprachliche Probleme und längere Prozesse,
z. B. wenn wir Wohnungen durchgehen, die zum
Abriss oder zur Modernisierung anstehen. Bisher
haben wir das mit unserem hochgradig engagier-
ten Personal bewältigt. Das stößt inzwischen an
Grenzen, zumal alles relativ spontan geschehen
muss, so dass wir uns drauf einstellen, zusätzliches
Personal für Technik und Vermietung einzustellen.
Wie viele Beschwerden gehen von Ihrer
deutschen Mieterschaft ein?
Fast gar keine. Die einzigen Probleme, die wir ha-
ben, liegen in einem Wohnungsbestand, den wir
für einen Ersatzneubau entmieten. 21 von den
100 Wohnungen haben wir kurzfristig hergerich-
tet und als Notwohnungen an die Stadt gegeben.
Das funktioniert von den Tagesabläufen her nicht,
zumal in diesenWohnungen auchmehr Menschen
wohnen, als sonst üblich. Die Neuankömmlinge
sind abends und nachts wach und laut und hal-
ten sich vorwiegend draußen auf. Im restlichen
Bestand streuen wir sorgfältig und vermeiden
Clusterbildungen.
Wie sehen Sie den Verlauf der
Mietverhältnisse?
Das ist schwer zu prognostizieren. Die Gruppe der
Flüchtlinge ist sehr heterogen: Es wird unter ihnen
viele Menschen geben, die erfolgreich ein neues
Leben aufbauenwerden und sicher auch einige, die
nicht richtig in Deutschland ankommen werden
und keine auskömmliche Beschäftigung finden,
um ihreMiete selbst zu zahlen. Hier spielt auch das
Thema Traumatisierung eine Rolle. Überforderte
Nachbarschaften sind für uns nichts Neues, dafür
haben wir Instrumente, aber vielleicht sind wir
bald quantitativ überfordert.
Sehen Sie Verteilungskämpfe durch Verknap-
pung von kostengünstigemWohnraum?
ImMoment habenwir in Lübeck aus verschiedenen
Quellen, eben auch aus dem Ausland, die Zuwan-
derung, die wir als Wohnungswirtschaft immer
gewünscht haben. Aber inzwischenwird der Markt
deutlich enger. Der Leerstand liegt noch knapp
über 2%. Die Konkurrenz zwischen Flüchtlingen
und anderen schwächeren Wohnungssuchenden
wird größer, die freien Wohlfahrtsträger, die für
bestimmte KlientengruppenWohnungen suchen,
spüren das bereits.
Die Fragen stellte Sabine Richter.