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11|2015
neue Nutzung oft extrem schwierig, zumal Inves-
toren nur wenige rentable Perspektiven sähen.
Ratlos war man auch in der am Rand von Ruhr-
gebiet und Münsterland gelegenen Mittelstadt
Lünen, wie man mit dem leerstehenden Hertie-
Kaufhaus umgehen sollte. Nach fünf Jahren
Leerstand war die Großimmobilie mit 14.000 m
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Fläche den Bürgern ein Dorn imAuge. In der Stadt
wuchs die Sorge, dass der „Schandfleck“ zu einer
Dauereinrichtung werden könnte, da viele Inves-
toren wieder abgesprungen waren.
2014 erwarb die Bauverein zu Lünen eG das Ge-
bäude der CR Investment Management GmbHmit
Sitz in Berlin. Vorstandsvorsitzender Friedhelm
Deuter – ein „Lüner Jung“ und seit fast 40 Jahren
beim Bauverein – sagt, man habe die Innenstadt
doch nicht „absaufen“ lassen können. Dass neben
demKaufhaus einwichtiges Objekt des Bauvereins
mit zehnWohn- und Gewerbeeinheiten liegt, trug
zur Entscheidung bei. Ausschlaggebend war auch
das Potenzial der Immobilie in bester innerstädti-
scher Lage und die Chance, die Anzahl hochwerti-
ger Neubauwohnungen im Portfolio zu steigern.
Der Anteil solcher Wohnungen amGesamtbestand
liege dann bei über 7%, meint Deuter.
Der Bauverein wird das Kaufhaus nach einem
Konzept des Lüner Unternehmens Uding in ein
Gebäude mit Wohn- und Gewerbeeinheiten um-
bauen. Die oberen Etagenwerden abgetragen. Das
Investitionsvolumen beträgt 14 Mio. €. Die Woh-
nungenwerden frei finanziert errichtet, Bauherrin
ist eine Tochter des Bauvereins, die Bauverein zu
Lünen Bewirtschaftungs GmbH. Imersten Quartal
2016 soll das Gebäude übergeben werden, erste
Gewerbemieter und Bewohner einziehen. Mitte
2016 soll der Bau dann vollständig bezogen sein.
Ein (Um-)Bauvorhaben in der Innenstadt
Ein solches Sonderprojekt ist für den 7.000 Mit-
glieder starken Bauverein zu Lünen nichts Neues.
Neben den rund 5.200Wohnungen hat die genos-
senschaftliche Unternehmensgruppe u. a. bereits
Facharztzentren, Parkhäuser und Seniorenresi-
denzen entwickelt. Des Weiteren hat der Bauver-
ein den Lüner Hauptbahnhof, die Polizeiwache,
drei Jobcenter und das Lüner Rathaus in seinem
Bestand. Neu war allerdings der Umgang mit ei-
ner seit Jahren leerstehenden Bestandsimmobilie.
Die Frage „Abriss oder Umwandlung“ wurde mit
einer Kompromissformel beantwortet. Allerdings
konnte der Bauverein keine öffentliche Förderung
für den Abriss in Anspruch nehmen, so Deuter,
denn ein Teilabriss werde nicht bezuschusst.
Das Konzept des Architekten Christian Christian-
sen sieht vor, die vorhandene Gebäudesubstanz
bestmöglich zu nutzen und nur einen Teil abzu-
reißen. So bleiben die tragende Struktur sowie
ein Treppenhaus und ein Aufzugsschacht erhal-
ten. Aus dem Stahlbetongerippe wird die Trag-
struktur des neuen Gebäudes herausgeschnitten.
Zwei Geschosse wurden bereits abgetragen, in
der Mitte eine Schneise herausgetrennt, wo-
durch später eine Grünfläche zwischen den bei-
den Gebäuderiegeln für die Hausgemeinschaft
entsteht. Ein weiteres Lüner Unternehmen, die
Märkische Tiefbau, nahm den Teilabriss mit Hil-
fe eines schweren Baggers vor, der mit einem
Autokran auf das Dach gesetzt wurde. Er arbei-
tete sich von oben nach unten durch den Stahl-
beton vor. Mit speziellen Betonsägen wurde die
Form herausgearbeitet. So entsteht nun u. a. ein
über zwei Straßen hinwegführender Lichthof.
Als herausfordernd bezeichnen die am Bau Betei-
ligten auch die Abwicklung der riesigen Schutt-
und Staubaufkommen direkt in der Innenstadt. An
Markttagen wird z. B. nur an Bauteilen gearbei-
tet, die vomMarkt entfernt liegen. Außerdem soll
ein größerer Wassereinsatz Staubbelästigungen
verhindern. Im Herbst 2015 wird die Außenhülle
geschlossen, dann beginnt der Innenausbau.
Planung und Vermietung
Grundlage des Architektenentwurfs war eine von
Uding Projektmanagement GmbH durchgeführte
Potenzialstudie. Zur Markt- und Standortanalyse
gehörte eine Analyse der Wegebeziehungen und
des Kaufkraftpotenzials. Das Planungskonzept
scheint aufzugehen: Die Vermietung der 2.700m
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Gewerbeflächen läuft bereits gut an. Erster
Quelle: Bauverein zu Lünen
Fünf Jahre Leerstand, dann kam
der Bauverein, kaufte den Klotz
und baut ihn um
Das Bauprojekt wird vom Lüner Filme-
macher Michael Kupczyk im Auftrag des
Bauvereins begleitet. Der jetzt bereits
14-minütige Film wird kontinuierlich
erweitert. Er dokumentiert das Baugesche-
hen, lässt die am Bau Beteiligten zu Wort
kommen und setzt die tonnenschweren
Bagger gebührend in Szene – alles unter-
malt mit flotter Musik.
Der Film ist bislang nur über den Bauverein
zu beziehen. Des Weiteren gibt eine Web-
cam Einblicke in den Bauverlauf.
HERTIE-UMBAU, DER FILM
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