STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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11|2015
Das Dokument „Herzlichwillkommen in Deutsch-
land“ stellt der VNW jedem interessierten Ver-
mieter als Druckvorlage zur Verfügung. Der GdW
bietet unter
web.gdw.de/uploads/pdf/Muster-
mietvertrag.pdf
einen Mustermietvertrag zum
Download an.
Diese und weitere Maßnahmen können dazu
beitragen, günstigere Rahmenbedingungen zu
schaffen. In der Praxis sind allerdings Vorstöße
einzelner Wohnungsunternehmen sowie das Enga-
gement ihrer Mitarbeitern gefragt, um Lösungen
zu finden. Einige Beispiele sollen im Folgenden
vorgestellt werden.
Wirtschaftlichkeit und Nachnutzung
Die Grundstücks-Gesellschaft Trave mbH (Trave)
mit 8.200 eigenen Wohnungen im Bestand hatte
bereits Mitte der 1990er Jahre mehrere Unter-
künfte für Menschen im Asylverfahren errichtet
und an die Gemeindediakonie vermietet.
ImDezember 2012 entstand in einem leer stehen-
denWohngebäude die erste neue Gemeinschafts-
unterkunft mit elf abgeschlossenen Wohnungen
und einer Betreuerwohnung. Das gesamte Haus
wurde nach der rund 200.000 € teuren Herrich-
tung langfristig an die Diakonie vermietet, die
auch die Betreuung der Flüchtlinge übernimmt.
„Wir haben zwölf Wohnungen in einem Zug zu
rentierlichen Mieten langfristig vermietet, da-
mit ist das Projekt auch betriebswirtschaftlich
sinnvoll“, so Trave-Geschäftsführer Dr. Matthias
Rasch. Heute sind die Flüchtlinge in das Stadtteil-
leben integriert. Bis heute hat die Trave sieben
Gemeinschaftsunterkünfte mit 108 Wohnungen
in verschiedenen Lübecker Stadtteilen aufbereitet
und für drei bis zehn Jahre an die Stadt vermietet.
Dafür wurden vereinzelt auch Altmieter auf frei-
williger Basis in nahegelegene Ausweichwohnun-
gen umgesetzt. 34 Einzelwohnungen für Flücht-
linge liegen derzeit im Bestand des kommunalen
Wohnungsunternehmens verteilt.
Eine weitere Gemeinschaftsunterkunft mit 42
Wohnungen in 18 Doppelhaushälften und einem
Logistikhaus im Stadtteil Kücknitz wurde Anfang
Oktober bezogen. Der 4,3 Mio. € teure Bau wird
aus Mitteln des neuen Landesförderprogramms
„Neues gemeinschaftliches Wohnen für Flüchtlin-
ge“ gefördert und langfristig an die Stadt vermie-
tet. „Auch hier sind Wirtschaftlichkeit und gute
Nachnutzungsmöglichkeitenwesentliche Voraus-
setzungen für unser Engagement“, sagt Rasch, der
sich vorstellen kann, die 18 Doppelhäuser nach
demAuslaufen des Mietvertrags undModernisie-
rung an Familien zu vermieten oder zu verkaufen.
Flüchtlingskrise als Aufgabe kommunizieren
Auch die wankendorfer ist nicht von der Flücht-
lingswelle überrollt worden. „Wir haben schon vor
zwei Jahrenmit der Unterbringung begonnen und
konnten unsereMieter mit aktiver Kommunikation
vorbereiten“, sagt Vorstandsvorsitzender Helmut
Knüpp. „Wir haben die Flüchtlingskrise relativ früh
als große gesellschaftliche Aufgabe erkannt, auf
die wir als Genossenschaft Antworten entwickeln
müssen, wenn wir glaubwürdig bleiben wollen.
Schließlich fühlt sich unsere Genossenschaft dem
Solidargedanken verpflichtet und ist in der Nach-
kriegszeit gegründet worden, um der Wohnungs-
not geflüchteter Menschen abzuhelfen.“
Über 200 Wohnungen hat die Flächengenossen-
schaft mit 9.000 eigenen Wohnungen derzeit an
verschiedene Kommunen in Schleswig-Holstein
für die Flüchtlingsunterbringung vermietet.
„Kommunen zeichnen Anteile bei uns und mie-
ten somit als Mitglied unserer Genossenschaft bei
uns an“, erklärt Knüpp. Jede zehnte frei werdende
Wohnung bietet die Wankendorfer der Kommune
an, „auch in Kiel und anderen Gemeinden, in denen
wir null Leerstand haben“, so Knüpp. Die Kommu-
nen belegen die Wohnungen in Zusammenarbeit
mit der Genossenschaft und suchen geeignete Per-
sonen oder Familien aus – auch im Hinblick auf
Die Trave ist Vorreiter beim sog. Probewoh-
nen. Welche Erfahrungen machen Sie?
Um die Gemeinschaftsunterkünfte zu entlasten,
muss die Weitervermittlung in normalen Wohn-
raumerfolgen. Für Menschenmit längerer Bleibe-
perspektive habenwirmit der Stadt das Probewoh-
nen entwickelt: Die Diakonie mietet Wohnungen
für ausgewählte Einzelpersonen oder Familien an.
Nach einem Jahr, wenn der Aufenthaltsstatus ge-
klärt und das Mietverhältnis unauffällig verlaufen
ist, können die Bewohner unbefristete Mietver-
hältnisse schließen, die Betreuung und Bezahlung
der Miete durch die Gemeindediakonie endet. Seit
2012 habenwir 101 Probewohnmietverhältnisse
geschlossen. 50weitere sollen noch in diesemJahr
folgen. Unsere bisherigen Erfahrungen sind sehr
gut; fast alle Mietverhältnisse wurden anschlie-
ßend unbefristet mit den Bewohnern geschlossen.
Ist die Flüchtlingsunterbringung ein
gutes Geschäft?
Es ist kein gewinnträchtiges Geschäft, aber es
rentiert sich, wenn man es nicht nur kurzfristig
betrachtet. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten,
auch die Stadt erwartet weiter eine Ausschüttung.
Wir vermieten beim Probewohnen zu marktübli-
chen Mieten zwischen 4,80 und 6 €/m
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. Bei den
befristet vermieteten Gemeinschaftsunterkünften
Interview mit Dr. Matthias Rasch
„
Kaum Beschwerden
von deutschen Mietern“
Vom Probewohnen zur langfristigen Vermietung – der Geschäftsführer
der Grundstücks-Gesellschaft Trave mbHww berichtet von den Erfahrungen
des Unternehmens mit der Flüchtlingsunterbringung und erklärt, wie aus
geflüchteten Menschen die Mieter von morgen werden können.