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5|2015
Interview mit Dr. Cord Schlötelburg
„Länger in der eigenen Wohnung“
Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (VDE|DGBMT) und die Messe
Frankfurt veranstalten am 29. und 30. April 2015 erstmals gemeinsam ein Forum für den branchen-
und fachübergreifenden Dialog zu den Auswirkungen des demografischen Wandels auf Bau-,
Wohnungs- und Pflegewirtschaft. Im Mittelpunkt stehen Technologien und Vernetzung für Gesundheit,
Selbständigkeit und Komfort.
Quelle: VDE
Was verbirgt sich hinter dem in letzter Zeit
so oft gehörten Schlagwort AAL?
Bei AAL geht es um das aktive, assistierte Leben:
Im Kern handelt es sich um technische Hilfsmit-
tel, die Menschen dabei unterstützen, ihre Ge-
sundheit – und damit auch ihre Unabhängigkeit –
zu bewahren sowie Folgen von Krankheit und
Verletzung zu kompensieren. Dazu werden un-
terschiedliche Technologien und Komponenten,
wie z. B. Sensoren, autonom oder in vernetzten
Systemen eingesetzt.
So können Menschen sicherer, gesünder und kom-
fortabler am sozialen und beruflichen Leben teil-
nehmen. Angesichts des demografischenWandels
gewinnt AAL derzeit stark an Bedeutung. Mit Hilfe
technischer Hilfsmittel können älter werdende
Menschen länger zu Hause wohnen, mobil sein
oder auch besser gepflegt werden.
Wie schätzen Sie die Akzeptanz solcher tech-
nischer Hilfsmittel ein – besonders bei den
Älteren, die ein Gros der Mieterschaft von
Wohnungsunternehmen darstellen?
Als Folge einer immer vernetzter und „smar-
ter“ werdenden Welt haben auch Ältere heute
wenig Berührungsängste, was neue Technolo-
gien angeht. Denn: Wer heute Internetdienste,
Smartphone-Apps und Social Media nutzt, wird
diese Services zukünftig auch verstärkt für sei-
ne Gesundheit(svorsorge) und den Komfort im
häuslichen Umfeld einsetzen wollen. In nahezu
allen Lebensbereichen werden Anwender in den
Genuss einer omnipräsenten, komfortablen und
intelligenten Gesundheitsunterstützung kommen
können. Voraussetzung hierfür sind attraktive
Technologien und Anwendungen, die verständlich
sind und sogar noch Spaß machen. Somit sind die
Übergänge von der primär medizinisch-kurativen
zur primär komfortorientiert-unterstützenden
Anwendung fließend.
Bestes Beispiel dafür sind die „Wearables“, ver-
netzte Kleidungsstücke, die über Beschleuni-
gungs- und Pulssensoren sowie über GPS, Blue-
tooth oder empfindliche, berührungssensitive
Displays verfügen.
Wo sehen Sie aktuell noch Schwierigkeiten
beim flächendeckenden Einsatz von AAL-
Lösungen?
Die schnelle Verbreitung aktiv-assistiver Tech-
nologien wird derzeit vor allem durch fehlende
Standards, aber auch durch den noch nicht aus-
reichenden Ausbau von Breitbandverbindungen
behindert. Die Überwachung von Vitalwerten,
die Erkennung von Anomalien – wie z. B. Stürze –
und andere Sicherheitsfunktionen setzen eine
leistungsfähige und betriebssichere Datenüber-
tragung voraus. Vernetzte Geräte und Systeme,
z. B. in der Küche, im Auto, im Hygienebereich
oder für die Beleuchtung, müssen über geeigne-
te Schnittstellen flexibel und sicher miteinander
kommunizieren können.
Eine weitere Schwierigkeit ist der branchen- und
fachübergreifende Charakter aktiv-assistiver
Technologien. Gegenwärtig sind die Bereiche Ge-
sundheit, Pflege, Wohnen, Arbeit oder Mobilität
durch eigenständigeMärkte und Akteure gekenn-
zeichnet. So werden etwa Wohnung, Büro oder
Auto im Regelfall nicht als Gesundheitsstandort
wahrgenommen.
Bei vielen Akteuren fehlen branchenübergreifen-
deMarktkenntnisse, Geschäftsmodelle oder auch
Marketing-, Finanzierungs- oder Erstattungskon-
zepte. Der Wunsch, eine Plattform für Informati-
onen und branchenübergreifenden Dialog, aber
auch für die Präsentation neuester Techniken zu
schaffen, war für unsere Organisation daher ein
Anlass, den Schulterschluss von AAL-Kongress und
Zukunft Lebensräume mit zu initiieren.
Herr Schlötelburg,
vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Heike D. Schmitt.
NEUBAU UND SANIERUNG
Dr. Cord Schlötelburg, Geschäftsführer der
Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische
Technik im VDE (VDE|DGBMT)
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