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5|2015
NEUBAU UND SANIERUNG
eine Zukunftsaufgabe, die er aus demProjekt mit-
nimmt. Wichtig war für ihn auch die Erkenntnis,
dass die Vernetzung von Wohnung und Quartier
mit parallel laufenden Insellösungen nicht mach-
bar gewesen wäre.
Wiederkehrende Nutzertypen wurden
definiert
Eine imRahmen der Begleitforschung entwickelte
sog. Persona-Bedarfsfeld-Matrix definierte vier
„Nutzertypen“ (interessierte Gesunde, anspruchs-
volle Senioren, chronisch Kranke, Demenzkranke),
deren Bedürfnis nach unterstützenden Services je
nach Alter, körperlicher Fitness und gesundheit-
licher Verfasstheit variierte. Die zu erbringenden
Dienstleistungen wurden unterteilt in Freizeit/
Teilhabe, Komfort/Sicherheit, Mobilität/Service
und Prävention/Gesundheit. Mit dieser Ordnung
konnten unterschiedliche, modular erweiterbare
Szenarien entwickelt werden, durch die die Woh-
nung technisch „mitwächst“.
Künftig soll diese Matrix dazu dienen, Standard-
konfigurationen für vernetzteWohnungen vorzu-
geben und dadurch die Vorplanung zu verkürzen,
was für Wohnungsunternehmen und Projektent-
wickler ein großer Vorteil ist.
Produktübergreifend statt proprietär
Zum Abschluss des Projektes zogen einige Senio-
ren nacheinander in die Testwohnung ein, die jetzt
über motorische „Helfer“ wie halbautomatische
Türen, Vorhang- und Fenstersteuerung sowie
höhenverstellbare Schränke und ein ebensolches
Bett verfügte und gedächtnisunterstützende
Funktionen wie eine Schlüssel-, Trink- und Me-
dikamentenerinnerung bot. Vor allem praktische
Funktionen, die den Alltag angenehmer machen,
fanden bei den über 70-Jährigen Anklang. Nun
stellte sich die Frage, wie sich dieser Komfort jen-
seits von Akademie und Wissenschaft realisieren
lässt.
Und genau das ist der springende Punkt: Wie
wird aus einer vorhandenen Elektroinstallation
eine „intelligente“, die ähnliche vernetzende
und funktionale Möglichkeiten bietet wie die im
Forschungsprojekt? Möchte man dies erreichen,
scheiden proprietäre Systeme, wie sie zurzeit vor
allem auf dem Endkonsumentenmarkt angebo-
ten werden, allerdings aus, so die verbreitete
Auffassung von Experten. Stattdessen ist eine
produktübergreifende und herstellerunabhängige
Infrastruktur zu planen. Welche Optionen bieten
sich dafür? Denn dass AAL keine futuristische
Vision ist, zeigt die neueste GdW-Studie „Wohn-
trends 2030“, die technologische Unterstützung
imHaushalt explizit als Thema der Wohnungswirt-
schaft benennt.
Offene Schnittstellen und vorhandene
Infrastruktur nutzen
Zurzeit versucht die Schweizer Firma „Digital-
Strom AG“, mit einer von der ETH Zürich entwi-
ckelten Nachrüstlösung, den Smart-Home-Markt
aufzurollen. Diese nutzt die vorhandene Elektrik
und macht Schalter, Taster, Leuchten, Rollläden
und elektrische Geräte mithilfe von Lüsterklem-
men „schlau“, in denen sich ein integrierter Hoch-
Volt-Chip befindet. Eingebaut in die Unterputz-
dose, erhält jeder so ausgerüstete Schalter eine
IP-Adresse (Internetprotokoll-Adresse im Com-
puternetz) und lässt sich separat ansteuern. Für
die Vernetzung sorgt ein Home-Server, der auf die
sog. Hutschiene im Sicherungskasten montiert
wird sowie von einem Elektriker angeschlossen
werden muss, da der Anschluss an das 230-Volt-
Stromnetz erfolgt. Über eine Software wird das
System entweder über das Smartphone, den
Tablet-PC oder auch manuell bedient.
Ohne Schmutz in der betreffenden Wohnung zu
verursachen, lässt sich das System verbauen und
je nach Bedarf erweitern. Von Vorteil sind dabei
vor allemdie offenen Schnittstellen, durch die sich
weitere Produkte (z. B. AAL-Komponenten) inte-
grieren lassen. Diese Flexibilität könnte eventuell
eine ähnlich geartete Vernetzung bieten, wie sie
im Forschungsprojekt erzielt wurde. Eine Alter-
native, die in diesem Umfang bisher zwar nicht
erprobt worden ist, der hierzulande jedoch nach-
gegangen werden könnte. Denn in der Schweiz
wird das Produkt bereits bei verschiedenen Woh-
nungsunternehmen eingesetzt. Hingegen halten
sich die deutschen Vermieter noch zurück. Für
die vollständige Vernetzung einer 4-Zimmer-
Wohnung, von der Klingel bis zu den elektrischen
Rollläden, liegen die Kosten nach Unternehmens-
angaben bei rund 3.500 €.
Eine weitere systemoffene und relativ niedrigin-
vestive Lösung für die Nachrüstung ist z. B. die auf
Funktechnologie basierende Smart-Home-Lösung
des Herstellers Loxone. Mit dem Miniserver „Go“
bietet die österreichische Firma seit Herbst 2014
eine Möglichkeit, die konventionelle Elektrik in
Wohnungen nachträglich zum Netzwerk auszu-
bauen. 150 Geräte bzw. Funktionen können integ-
riert werden. Planung und Installation soll auch in
Deutschlandmittels Partnerschaftenmit geschul-
ten Planern und Systemintegratoren erfolgen.
KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“
nutzen
Welche Variante (kabelgebunden, IP-adressiert,
funkbasiert) ein Wohnungsunternehmen für die
Nachrüstung von Bestandswohnungen auch immer
wählt, zwei Faktoren sind ausschlaggebend, damit
AAL keine Zukunftsmusik bleibt: Zum einen muss
die Wohnung stets mit einer vernetzenden, elek-
trotechnischen Infrastruktur nachgerüstet wer-
den, zumanderenmuss dafür eine Version gewählt
werden, die über offene Schnittstellen (!) verfügt.
Anzuraten ist in jedem Fall die frühzeitige Bera-
tung durch einen unabhängigen Systemintegra-
tor. WennWohnungsunternehmen aus der Theorie
Praxis werden lassen möchten und nach finanzi-
ellen Vergünstigungen suchen, finden Sie diese
z. B. über das KfW-Programm 159 (Altersgerecht
Umbauen). Denn neben der baulichen Anpassung
vonWohnraum fördert das Programmausdrücklich
auch AAL bzw. intelligente Gebäudesystemtechnik
(wie es in der Anlage zumMerkblatt „Altersgerecht
Umbauen“, Punkt 6 vermerkt ist).
Kinderleicht: einfache Montage einer Lüsterklemme, die den Schalter „intelligent“ macht
Quelle: Digitalstrom
Weitere Informationen zum Ham-
burger Forschungsprojekt unter:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung